Freiburger knackt Rekord im Apnoetauchen – André Grabs taucht 130 Meter weit STADTGEPLAUDER | 20.06.2016

Apnoetaucher sprengen Grenzen: Mit nur einem Atemzug tauchen sie mehr als 200 Meter tief, mehr als 200 Meter weit oder bleiben länger als 10 Minuten unter Wasser. Auch in Freiburg gibt es eine Apnoegruppe rund um Nik Linder. Der Weltrekordler trainiert derzeit André Grabs für eine deutsche Bestmarke. Am Sonntagmorgen ist der 43-Jährige im Tunisee ohne Flossen so weit getaucht wie kein Landsmann je zuvor: 130 Meter. Das chilli hatte in seiner Juni-Ausgabe im Vorfeld des Rekords berichtet. Und war beim Rekord dabei (siehe Bildergalerie).

Abgetaucht: André Grabs traininert im Eugen-Keidel-Bad für einen deutschen Streckenrekord. 75 Meter sind für den Freiburger ein Kinderspiel.
Zielstrebig: André Grabs trainiert im Keidel Bad für seinen Rekord.

Sein Blick bohrt sich durch die Schwimmbrille. Die Lippen formt er zum Trichter, immer mehr Luft pumpt er in seine Lunge. Dann taucht André Grabs ab. Mit dem schwarzen Neoprenanzug und der Badekappe gleitet er geräuschlos durch das Außenbecken des Keidel Bads. Nur ein dunkler Schatten schimmert durch die spiegelnde Wasseroberfläche.

 
Drei Bahnen später taucht er wieder auf. 75 Meter. Ohne Luft zu holen. „Kein Problem“, sagt Grabs. Trainer Nik Linder nickt, sie lachen. Deutlich ernster wird’s am 19. Juni. Dann will der Heilerziehungspfleger 115 Meter mit einem Atemzug durch den Tunisee tauchen. Ohne Flossen. Das wäre deutscher Streckenrekord im Seetauchen. Derzeit liegt er bei 109 Metern.

 
„Die größte Herausforderung ist die Nervosität“, sagt Linder. „In jedem Sport ist Adrenalin gut, aber nicht beim Tauchen.“ Ruhe ist absolut entscheidend, um es weit zu bringen. Hat er sie, sind die 115 Meter kein Problem. „Im Training bin ich schon 121 Meter weit gekommen“, sagt Grabs. Doch jetzt muss er in Topform bleiben. „Ich bin etwas nervös, krank zu werden“, sagt er. Denn dann könnte der Traum vom Rekord platzen.

 
Mit Linder hat er einen versierten Coach. Fünf Weltrekorde im Streckentauchen unter Eis hat der Freiburger schon aufgestellt. „Das ist natürlich spektakulär. Man spielt mit den Ängsten der Leute“, sagt der lässige Apnoemann. Gefährlicher als sonstige Tauchversuche sei es unter Eis aber nicht. „Im Notfall kommt man mit dem Sicherheitstaucher zum nächsten Loch.“ So wird es auch bei Grabs’ Rekordversuch sein. Ein erfahrener Taucher schnorchelt im Tunisee nebenher.

Ehrgeizig: Weltrekordler Nik Linder (rechts) trainiert André Grabs für seinen Rekordversuch im Tunisee.
Entspannt: Weltrekordler Nik Linder (rechts) trainiert André Grabs.

Immer wieder hört man von Apnoe-Unfällen. So fiel der Franzose Guillaume Nery im September bei einem Rekordversuch im Tieftauchen in Ohnmacht, da das Seil zehn Meter zu lang war. Ein fataler Fehler der Veranstalter. Im August verunglückte die Rekordtaucherin Natalia Molchanova im Mittelmeer. Von einem Tauchgang kehrte sie nicht mehr zurück. Möglicherweise hatte sie zu viele Bleigewichte dabei.

 
„Apnoetauchen ist nicht gefährlicher als andere Sportarten“, betont Linder. Unfälle passierten in der Regel nur, wenn alleine trainiert wird oder der Ehrgeiz zu groß ist. Matthias Lörscher kann das bestätigen. Der Arzt und Tauchmediziner der Uniklinik Freiburg sagt: „Apnoetauchen ist Teamsport. Es sollte immer ein erfahrener zweiter Taucher dabei sein.“ Ein Blackout wegen mangelnder Sauerstoffversorgung des Gehirns sei bei Wettkämpfen nicht unüblich. Doch riskanter als andere Sportarten sei Apnoetauchen nicht.

 
Linder hatte noch keinen Blackout. Grabs einmal. Auch Zuckungen hatte er schon einmal, in der Szene „Samba“ genannt. Der Taucher ist dabei noch bei Bewusstsein, verliert aber die Kontrolle über gewisse Muskelareale, erklärt Lörscher, der regelmäßig bei Wettkämpfen als Arzt dabei ist. „Das Schwierigste ist zu wissen, ob man noch klar ist“, sagt Grabs. Es seien manchmal Sekunden, die entscheiden.

 
Schon als Kind schnorchelte der 43-Jährige gerne. „Früher haben wir Tauchfangen im See gespielt“, sagt Grabs. „Da habe ich gemerkt, wenn ich tief runtergehe, findet mich keiner.“ Seit vier Jahren misst er sich im Zeit- und Streckentauchen mit der Konkurrenz. „Am Anfang hatte er schlechte Wettkämpfe, er war total nervös“, erinnert sich Linder. Zuletzt habe er sich aber „hammermäßig entwickelt“.

Fokussiert: André Grabs füllt seine Lunge vor dem Abtauchen mit Luft. Um den Hals hat er einen Bleiring, um unter Wasser zu bleiben.

Fokussiert: André Grabs kurz vor dem Abtauchen im Keidel Bad.

Im Frühjahr tauchte er bei einem Wettkampf in Innsbruck 130 Meter weit. Er schaffte das in einem Schwimmbecken, dort kommt man weiter als im See. Linder schlug ihm daraufhin den prestigeträchtigen Rekordversuch im Tunisee vor. Er willigte ein. Das Vorhaben ist bei „AIDA Deutschland – Verein zur Förderung des Apnoesports“ angemeldet. Mit einem strengen Protokoll wird am 19. Juni alles überwacht. Los geht’s um 10 Uhr.

 
Linder weiß, wie Grabs sich dann fühlen wird. Der Trainer hat 2010 selbst einen Streckenrekord im Seetauchen aufgestellt. Im Nimburger See kam er 105 Meter weit. Sein Schützling wird das wohl locker überbieten. Nach dem ersten Versuch für 115 Meter hat Grabs am gleichen Tag noch einen zweiten angesetzt. 125 Meter. Atemlos.

Text: Till Neumann / Fotos: © Nik Linder, tln

Apnoe
Das Wort Apnoe kommt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie „Nicht-Atmung“. Berühmt wurde der Extremsport in den 80er Jahren durch den Film „Im Rausch der Tiefe“ mit Jean Reno. Darin duellieren sich ein Italiener und ein Franzose im Tieftauchen – mit tragischem Ende. Apnoe gilt als die ursprünglichste Form des Tauchens. Schon vor mehr als 4000 Jahren tauchten Perlentaucher und Fischer im Pazifik in die Tiefe.

Selbstversuch

chilli-Redakteur Till Neumann hat sich im Keidel Bad selbst im Apnoe-Tauchen versucht. Wie er es geschafft hat, mit einem Atemzug 3.33 Minuten unter Wasser zu bleiben, lesen Sie auf chilli online: bit.ly/chilli_apnoe

Schwerelos: chilli-Redakteur Till Neumann (rechts) und André Grabs üben sich im statischen Apnoetauchen. Wer hält länger die Luft an?

Atemlos: André Grabs und Till Neumann beim statischen Apneotauchen.

Bildergalerie vom Tauchrekord (mit den Pfeiltasten durchklicken)

Der Freiburger André Grabs hat den bisherigen Rekord von 109 Metern am 19. Juni 2016 pulverisiert. Sein Ziel waren 115 Meter tauchen ohne Flossen und Atemgerät. Das überbot er um sagenhafte 15 Meter. Als er nach dem Auftauchen sein „I’m ok“ gibt, brichti Jubel aus.