Trimm-dich-Pfade statt Fitnessstudio Gesundheit | 03.06.2019 | Philip Thomas

Fast 50 Jahre alt und noch fit wie ein Turnschuh: Trimm-dich-Pfade blicken in Deutschland buchstäblich auf eine bewegte Geschichte zurück. Um Zivilisationskrankheiten davonzulaufen, lassen viele Kommunen in der REGIO heute verwilderte Hindernisse erneuern und hauchen dem Trend aus den 70er-Jahren neues Leben ein.

„In den 50er-Jahren lag der sportliche Fokus in Deutschland auf Leistung und Erfolg – somit auf den wettkampforientierten Sport”, erklärt Christian Siegel, Ressortleiter Sportstätten und Umwelt des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB). Mit der Trimm-dich-Bewegung zu Beginn der 70er habe sich das geändert: Sportliche Ziele seien bald Bewegung und Gesundheit gewesen. „Um aufkommende Zivilisationskrankheiten wie Rückenbeschwerden und Fettleibigkeit zu bekämpfen, sollte Sport auch außerhalb von Vereinsstrukturen mit einfachen Mitteln annähernd überall und zu jeder Zeit getrieben werden können. Hier setzte die groß angelegte Trimm-dich-Kampagne des Deutschen Sportbundes an“, sagt der 46-Jährige.

Die Trimm-dich-Bewegung war geboren. Um das neue sportliche Bewusstsein zu stärken, betrieb der DOSB insgesamt fünf aufwendige Kampagnen: Mit eigenem Maskottchen, Mottos à la „Ein Schlauer trimmt die Ausdauer“, Prominenz in Person von Frank Elstner sowie Sponsoren, die den Pfaden ihren Stempel aufdrückten. „Die erste Kampagne war ein Riesenerfolg“, sagt der Ressortleiter. In den ersten zehn Jahren der Bewegung seien mehr als neun Millionen Menschen in Deutschland zum Sport animiert worden. Knapp 4,5 Millionen hätten an offiziellen Trimm-
dich-Veranstaltungen teilgenommen. „Lauftreffs zählten wöchentlich 300.000 Besucher“, sagt Siegel. Wie viele Trimm-dich-Pfade es in Deutschland heute noch gebe, könne er nicht genau sagen. Oftmals seien die Pfade eine Angelegenheit einzelner Kommunen. „Von diesen werden sie unterhalten und auch von Vereinen genutzt”, sagt Siegel.

Animiert nach wie vor Jung und Alt zu mehr Bewegung: Maskottchen Trimmy vom DOSB.

Auch den zuständigen Ämtern verlangen die Pfade heute viel Bewegung ab. Nach der Installation müssen die Stationen regelmäßig kontrolliert werden – und zwar wöchentlich. „Das ist unglaublich aufwendig“, sagt Andreas Schäfer, Mitarbeiter beim Forstamt Freiburg im Bereich Erholungsfunktionen. Dabei brauchten viele Übungen keine ausgefallenen Hindernisse. Denn je ausgeklügelter eine Station sei, desto reparatur- und wartungsanfälliger sei sie. Auch mit einfachen Dingen und Hindernissen hätten Sportler bereits sehr gute Trainingsmöglichkeiten: „Ein paar Baumstämme reichen oftmals schon aus und können ganz unterschiedlich genutzt werden.“ Für elaborierte Übungen und komplizierte Geräte gehe man lieber ins überdachte Fitnessstudio.

Das Blätterdach eines Trimm-dich-Pfades bietet dagegen kaum Schutz. Wie im Falle des Pfades im Freiburger Mooswald hat sich die Natur die meisten aufgebauten Stationen inzwischen zurückgeholt. Viele Hindernisse fehlen mittlerweile. „Alles, was nicht mehr sicher ist, hat man abgebaut“, sagt Schäfer. Allzu schade sei das nicht: „Viele der Übungen sind heute veraltet und nach modernen sportmedizinischen Erkenntnissen überholt“, weiß der 50-Jährige.

„Neue Trimm-dich Pfade sind in der Regel so konzipiert, dass sie nicht nur die reine Ausdauer fördern, sondern auch Elemente für das Krafttraining und auch koordinative Elemente, welche die Gleichgewichtsfähigkeit schulen“, sagt Benedikt Lauber, Arzt am Freiburger Institut für Sport und Sportwissenschaft. Auf dem neuen Sternwald-Pfad in Freiburg solle es laut Schäfer rund fünf solcher Stationen geben und nicht mehr in Abständen von 200 Metern jeweils eine. Für das nötige Know-how wolle sich das Amt mit der sportlichen Fakultät der Universität Freiburg zusammentun und ab 2020 erste Konzepte für den Sternwald erstellen.

1994 endete die bisher letzte Kampagne der DOSB. „Die Aktiven fingen bald an, sich sportlich zu spezialisieren, und wurden beispielsweise zu Mittelstreckenläufern, Schwimmern und Basketballspielern“, sagt Siegel. Trotzdem sei das Konzept so aktuell wie nie: „50 Prozent aller Bewegungsformen finden informell in der Natur statt.“ Denn ob mit oder ohne Hindernis: Die größten Sportplätze seien nach wie vor die freie Landschaft, Straßen, Plätze und Parks.

Fotos: © iStock/jacoblund, DOSB