Grüne Oase: Hinterhöfe liebevoll bepflanzt STADTGEPLAUDER | 16.10.2019 | Heide Bergmann

Garten

Pflanzen sorgen für frische Luft. Eine Tatsache, die in aufgeheizten, mit Schadstoffen belasteten Städten immer wichtiger wird. Urbanes Grün ist aber nicht nur eine Sache von Stadtplanern. REGIO-Autorin Heide Bergmann hat sich der Herausforderung angenommen und ihren Hinterhof liebevoll bepflanzt.

Wenn ich mit Google Earth unser Wohnhaus am Rande der Freiburger Innenstadt suche, sehe ich überwiegend versiegelte Flächen. Da sind angrenzende Wohnhäuser, große, alte Gebäude, eine baumlose Straße mit Autos und der Gewerbekanal. Hinter unserem Haus fällt ein grüner Fleck auf, der den Zwischenraum zum Nachbarhaus füllt. Dort steht der Fächerahorn, den ich vor 15 Jahren gepflanzt habe. Zusammen mit einem befreundeten Landschaftsgärtner gestaltete ich damals unseren Hinterhof. Wenn vorne die Asphaltwüste, so dachte ich, dann wenigstens hinten raus ein grünes Blätterdach. Seither hat sich der rund 60 Quadratmeter große Hinterhof zu einer üppigen Oase ausgewachsen.

Unsere Bepflanzung hat sich in den 15 Jahren prächtig entwickelt. Die Hortensien, Hamamelis, Funkien, Buchs, Kamelie, Bergenien, Farne, Elfenblumen und Clematis haben den Hinterhof schnell begrünt. Ihre ausladenden Blätter sorgen für Luftaustausch und eine angenehme Atmosphäre. Es ist wie ein grünes Wohnzimmer. Doch Wildbienen und Schmetterlinge sind bisher rar. Dies wollte ich ändern und nahm die Beratung von Naturgärtner Robert Schönfeld in Anspruch.

Pflanzenvielfalt im Schatten

„Es lässt sich fast alles begrünen“, sagt der Gartenberater und Wildpflanzenexperte. Er ermutigt all diejenigen, die sich für mehr Grün in der Stadt einsetzen. Meist seien die Hinterhöfe eher lieblos gestaltet mit Betonplatten, Mülleimern und Fahrrädern. Mit etwas Fantasie lasse sich eine öde Mauer oder eine dunkle Ecke aber durchaus interessant gestalten. „Für fast alles gibt es geeignete Pflanzen“, so Schönfeld. Beim Gärtnern zwischen Häusermauern spielen die Lichtverhältnisse eine große Rolle. An manche Stellen kommt die Sonne nur zwei bis drei Stunden am Tag oder gar nicht hin.

Das muss kein Nachteil sein. Es ist erstaunlich, was im lichten Schatten alles gedeiht: Farne, Efeu, Christrosen, Fingerhut, Glockenblumen, Lilien, Immergrün, Purpurglöckchen, Vergissmeinnicht oder Gräser. Viele Schattenstauden sind äußerst attraktiv mit ihren kontrastreichen Blattformen, Strukturen und Grüntönen. Ihre großen Blätter, mit denen sie das wenige Licht einfangen, sind typisch.

Für ein Beet von rund zwei Quadratmetern wählten wir eine Bepflanzung mit Waldpflanzen aus: gelber Fingerhut, Silberblatt, Gemswurz, Waldanemonen, Leberblümchen, Schneehainsimse und einiges mehr. „Wildpflanzen sind eine Bereicherung für den Hinterhofgarten“, erklärt der Gartenplaner und -gestalter. „Nicht nur für die Insektenwelt, sondern auch für uns. Eine Kombination von ein- und zweijährigen Pflanzen mit ausdauernden Stauden schafft einen natürlichen Waldcharakter.“

So wirkt eine Bepflanzung mit Wald-Glockenblume, Hirschzungenfarn oder Christrose locker und dynamisch, wenn sich Ruprechtskraut, gelber Lerchensporn, Knoblauchsrauke oder Akelei dazugesellen. „Wildpflanzen tendieren zwar dazu, sich auszubreiten, aber sie wachsen langsam und sind bezähmbar, wenn man zwei- bis dreimal im Jahr durch die Fläche geht, neue Pflänzchen entfernt oder Triebe gezielt abschneidet“, so der Tipp des Experten. „Wichtig ist, die Sämlinge zu erkennen, dann lässt man sie dort, wo gewünscht, stehen.“

Garten

Solche grünen Areale werden immer wichtiger. Schließlich heizen sich die Innenstädte durch zunehmende Versiegelung und Klimaerwärmung auf, außerdem nimmt die Schadstoffbelastung zu. Stadtgrün fördert nicht nur das Wohlbefinden und die Gesundheit der Bewohner, sondern verbessert auch die Luftqualität. Pflanzen speichern Wasser und verdunsten große Mengen Feuchtigkeit. So kann ein ausgewachsener Baum durch seine Verdunstung die Temperatur um zwei bis drei Grad senken. Seine Blätter filtern im Jahr bis zu 1,3 Kilogramm Feinstaub. Sie atmen CO2 ein und Sauerstoff aus. Was will man mehr? Deshalb sind grüne Stadtprojekte eine Zukunftsaufgabe geworden. Aber nicht nur Stadtplaner müssen etwas tun: Jeder kann mit Pflanzen zu einem besseren Klima beitragen.

Zwischen Mauern und alten Bäumen

Oft hat man es allerdings mit einer Gartensituation zu tun, die von Sträuchern und alten Bäumen beherrscht wird. Der Boden ist von Wurzeln durchwachsen und trocken. Trotzdem kann man Frühblüher wie Schneeglöckchen, Blausterne, Winterlinge, Hasen-
glöckchen und Krokusse ansiedeln. Im zeitigen Frühjahr profitieren sie vom Licht, das die laubabwerfenden Gehölze durchlassen. Die nötige Energie zum Wachsen haben sie in Knollen und Zwiebeln gespeichert. Wenn es heiß wird, ziehen sie sich in den Boden zurück.

Jetzt im Herbst ist die Zeit, um die Zwiebeln zu stecken. Man lockert den Boden vorsichtig, um die Baumwurzeln nicht zu verletzen, fünf bis zehn Zentimeter tief mit einer Grabgabel auf. Um das Waldboden-Milieu nachzuahmen, bringt man eine dünne Schicht mit halbverrottetem Laub, Grünschnitt- oder Rindenkompost aus. In diesem feuchten Mullboden fühlen sich auch Waldmeister, Leberblümchen, Anemonen, Bärlauch, Taubnessel oder Walderdbeeren wohl.

Ein Hinterhof zeichnet sich häufig durch Mauern, Steine und Trockenheit aus. Auch hierfür gibt es Spezialisten, die unschöne Ecken abdecken und dabei hübsch aussehen. Zymbelkraut oder Mauerfarn zum Beispiel. Sie wachsen in Ritzen und Steinfugen und kommen mit extrem wenig Wasser aus. Auch die Kleine Braunelle ist so ein Überlebenskünstler. Sie wächst auf Schotter und bildet hübsche Teppiche. Ruprechtskraut, Mauerpfefferarten und Efeu sind ebensolche zähen Gewächse.

Doch wie kommt man auf Ideen für eine Bepflanzung? Zunächst gilt: Jeder Hinterhof ist anders. Am besten fotografiert man als Erstes die Hinterhof-Situation, macht einen Papierabzug und legt ein transparentes Papier darüber. Mit einem grünen Marker zeichnet man die gewünschten Pflanzen ein und probiert mehrere Varianten aus. Bevor man loslegt, sollte man noch wissen: Für eine Begrünung braucht man einen humosen, tief gelockerten, einigermaßen nährstoffreichen Boden. Mit einer Grabgabel geht’s an die Arbeit. Je nach Beschaffenheit sollte man den Boden mit Kompost vom Kompostwerk verbessern. Wenn der Untergrund betoniert ist, pflanzt man einfach in große Kübel. Oder man baut ein Hochbeet, etwa mit Paletten. „Das Hochbeet kann sogar schmal sein, wichtig ist nur, dass die Pflanzen genügend Wurzelraum mit guter Erde haben“, betont Schönfeld.

Mein Wildstaudenbeet erfüllt diese Voraussetzungen. Jetzt brauche ich nur Geduld, denn bis die Stauden ihr Optimum erreichen, dauert es zwei bis drei Jahre. Wenn alles Fuß gefasst hat, wird mein Hinterhof zwei Funktionen erfüllen: natürlicher Luftfilter und Lebensraum für Falter und Brummer. Und dort, wo sich Insekten tummeln, kommen auch Singvögel. Mein japanischer Ahorn ist schön – aber wenn ich noch mal die Wahl hätte, würde ich einen heimischen Baum pflanzen, eine Vogelbeere vielleicht, einen Holunder oder Weißdorn. Man lernt ja nie aus.

Fotos: © Heide Bergmann