„Endlose Redeschlachten“: Freiburger Lokalpolitikerin Maria Viethen blickt zurück STADTGEPLAUDER | 10.07.2024 | Erika Weisser

Maria Viethen

Seit 1994 war Maria Viethen Stadträtin der Grünen in Freiburg, 25 Jahre lang Fraktionsvorsitzende. Die Juristin, die 1972 „eigentlich nur zum Studium“ nach Freiburg kam, war bei vier von sechs Kommunalwahlen Stimmenkönigin. Zur jüngsten Wahl trat die 70-Jährige, die in ihrer langen Ehrenamtszeit mit drei Oberbürgermeistern zu tun hatte, nicht mehr an.

„Für den Erhalt gekämpft“

„Schon bevor ich in den Gemeinderat gewählt worden bin, hatte ich mit Kommunalpolitik zu tun. Ich habe bis zur Räumung 1980 in einem der besetzten Häuser im Dreisam­eck gewohnt und für deren Erhalt gekämpft. Schon damals war die Wohnungsnot ein beherrschendes Thema in der Kommunalpolitik. 1990 bin ich dann bei der Wiederwahl von OB Rolf Böhme als Gegenkandidatin der Unabhängigen Frauen angetreten.

An meine erste Gemeinderatssitzung kann ich mich nicht konkret erinnern. Mein erster Eindruck von diesem Gremium ist mir aber durchaus noch präsent. Da hatten fast nur alte Männer das große Sagen und lieferten sich endlose Redeschlachten. Damals war ich sicher, höchstens die fünf Jahre zu bleiben, für die ich gewählt worden war.

„Mehr Frauen“

Dass ich dann doch länger geblieben bin, lag daran, dass nicht nur braves Zuhören gefragt war, sondern dass sich im Gemeinderat tatsächlich Dinge umsetzen lassen. Mittlerweile besetzen auch mehr Frauen wichtige Rollen im Gemeinderat. Und seit vielen Jahren stellen die Grünen eine Bürgermeisterin.

Böhme war ein sehr durchsetzungsfähiger Mensch, der viel für die Stadt bewegt hat. Bei vielen Themen, insbesondere der Verkehrspolitik, waren wir zwar ganz unterschiedlicher Meinung. Doch wir sind immer mit großem Respekt miteinander umgegangen. Wir Grüne haben auch einiges von ihm gelernt. Etwa, dass das Geld, das wir ausgeben wollen, erst einmal verdient werden muss – über die wirtschaftliche Prosperität der Stadt und die damit verbundenen Gewerbesteuereinnahmen.

„Es war harte Arbeit“

Böhme hat allerdings einen hochverschuldeten Haushalt zurückgelassen, als ihm 2002 mein grüner Fraktionskollege Dieter Salomon als OB gefolgt ist. Zwei Jahre nach der Wahl mussten rund zehn Prozent der Einnahmen allein für Kreditzinsen aufgebracht werden. In dieser Situation entstand die Idee, die Freiburger Stadtbau an private Investoren zu verkaufen, was durch den Bürger­entscheid 2006 verhindert wurde.

Ich selbst bin damals für den Verkauf gewesen, konnte jedoch gut damit leben, dass es anders ausgegangen ist. Die Steuereinnahmen stiegen danach auch wieder; dennoch war es harte Arbeit für Verwaltung und Gemeinderat, den Großteil der Schulden zurückzuzahlen. Zusammen mit der CDU haben die Grünen einen Masterplan zur Haushaltssanierung entwickelt und umgesetzt. Andere Niederlagen waren schmerzlicher als der verlorene Bürgerentscheid.

Hoffen auf den Stadttunnel

Etwa als zwei von mir geschätzte Mitglieder 2008 die Fraktion verlassen und die Grüne Alternative Freiburg gegründet haben. Oder im Jahr 2018 die Abwahl von Dieter Salomon. Das habe ich sehr bedauert, aber mittlerweile gibt es auch mit Martin Horn in wichtigen Fragen eine verlässliche Zusammenarbeit. Beispielsweise beim Klimaschutzfonds, wo in mehreren Haushaltsjahren insgesamt 120 Millionen Euro für zusätzliche Maßnahmen bereitgestellt werden. Und die Grünen sind bei den Wahlen 2019 und 2024 stärkste Fraktion geblieben. Auch ohne grünen OB spielen wir eine entscheidende Rolle bei der Durchsetzung grüner Ziele.

Inzwischen haben wir Grüne neben dem Klima- und Artenschutz vor allem die Sozialpolitik wieder in den Vordergrund gerückt. Das war mir ein großes Anliegen. Ebenso, dass die AfD nicht mehr Bedeutung gewinnt. Und wünschen würde ich mir, dass der zweite Teil des Stadttunnels bald in Angriff genommen wird. Eine deutliche Verringerung des oberirdischen Verkehrs wird dazu führen, dass die Dreisamufer wieder von den Menschen in Besitz genommen werden.“

Foto: © Britt Schilling & Grünen-Fraktion