Kampf den Abgasen: Kann Freiburg Fahrverbote verhindern? Politik & Wirtschaft | 16.03.2019 | Till Neumann

Messstelle

Ein Gespenst geht um in Europa: Es heißt Fahrverbote und könnte auch den Weg nach Freiburg finden. Die Messstelle an der Schwarzwaldstraße (Titelbild) meldet seit 2010 Grenzüberschreitungen: zu viel Stickstoffdioxid. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat deswegen Klage gegen Freiburg eingereicht. Land und Stadt wollen Diesel-Fahrverbote aber mit allen Mitteln verhindern.

Für DUH-Chef Jürgen Resch ist die Sache klar: „Ohne konsequente Aussperrung schmutziger Diesel-Fahrzeuge werden wir keine saubere Luft für die Baden-Metropole erreichen.“ Regierungspräsidium (RP) und Rathaus sehen das anders. Sie wollen die Luft besser machen, ohne Diesel auszusperren. Ziel ist, die seit 2010 geltenden Grenzwerte für Stickstoffdioxid einzuhalten. Sie liegen bei 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel. 2017 erreichte Freiburg 49 Mikrogramm (NO2). Fast 25 Prozent mehr als erlaubt.

Regierungspräsidentin: Bärbel Schäfer will Verbote verhindern.

Die Luft ohne Diesel-Fahrverbote sauber zu bekommen, geht das? Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer und Baubürgermeister Martin Haag sind davon überzeugt. Sie legen in diesen Wochen gleich mehrere Hebel um, um Abgase aus Freiburg rauszukriegen – und müssen schwierige Verhandlungen führen. Festgehalten sind die Schritte im neuen Luftreinhalteplan des RP, der seit Mitte Februar gültig ist.

Erster Baustein ist, den Verkehr flüssiger zu machen: Auf der B 31 gilt seit Dezember zwischen Schützenalleetunnel und Kronenbrücke ganztägig Tempo 30. Bisher gab’s das nur nachts. Vielen ist die Begrenzung noch unbekannt, zeigt ein Test Anfang März: Immer wieder blitzt es an der Ganter-Brauerei. Erwischt.

Rattenschwanz fürs Umland

Ein weiterer Schritt: Seit dem 15. März ist Freiburgs Umweltzone auch auf der B 31-Ortsdurchfahrt gültig. Nur wer eine grüne Umweltplakette hat (Schadstoffgruppe 4), darf dort cruisen. Verstöße werden mit 80 Euro Bußgeld geahndet. Schon seit 2010 gilt die Zone in großen Teilen der Stadt – nun auch auf der so wichtigen Ost-West-Achse durch die Breisgau-Me­tropole. Ein Nadelöhr mit Elefantenbelastung.

Den Verkehr flüssiger machen sollen auch die Ampeln an der B 31. „Für die Luftreinhaltung hat sich gezeigt, dass eine Zuflussregulierung auf der B 31 in beide Richtungen eine sinnvolle Maßnahme ist“, sagt RP-Sprecher Markus Adler. Schon jetzt sorge die Lichtanlage an der Kronenbrücke dafür. „Sie lässt nur so viel Verkehr durch, wie auf der B 31 flüssig fahren kann.“ Selbiges wird an der östlichen Einfahrt geprüft. Auch die Ampel am Kappler Knoten soll Staus reduzieren. Umweltsensitive Verkehrssteuerung nennt sich das. Kurz: Pförtnerampel.

Was clever klingt, schleppt einen dicken Rattenschwanz hinter sich her. Umlandgemeinden befürchten, vom Ausweichverkehr überrollt zu werden. Vor allem im Dreisamtal. „Verkehr ist wie Wasser, er sucht sich seinen Weg“, sagt St. Märgens Rathauschef Manfred Kreutz. Führe dieser nicht durch Freiburg, lande er möglicherweise bei ihm. Bundesverkehr auf Landes- und Kreisstraßen umzuleiten, sei Nonsens. Ins selbe Horn bläst Glottertals Bürgermeister Karl Josef Herbstritt. „Die Straßen hier sind eng, wir haben viel landwirtschaftlichen Verkehr.“ Fernfahrer in dieser beschaulichen Lage aufzunehmen, sei eine extreme Belastung. Schon heute gebe es Ausweichverkehr.

Das RP hat Hilfe zugesichert. Zu Ostern soll es eine Tonnagebeschränkung geben – Lastern ab zwölf Tonnen wird die Durchfahrt verboten. Ein aufwendiges Verfahren, die Schilder müssen an der Autobahn installiert werden. Zumal auch diese Sperrung Folgen hat. Herbsritt berichtet von Protest aus weiteren Landkreisen, die wiederum Ausweichverkehr befürchten.

Will E-Autos pushen: Ex-Uni-Rektor Manfred Löwisch

Hoffnung machen können Experten nur bedingt. „Ich habe nicht den Eindruck, dass es durch Fahrverbote weniger Autos gibt“, sagt Georg Herffs vom Freiburger Garten- und Tiefbauamt. Der Leiter der Abteilung Verkehrsplanung kann sogar vom Gegenteil berichten: In Freiburg habe die Zahl der Autos in den vergangenen Jahren zugenommen. Er findet das Verhindern von Fahrverboten sportlich, aber machbar.

Seine Kritik geht nach Berlin: „Die Bundespolitik ist sehr spät auf das Thema aufmerksam geworden.“ Die Grenzwerte gebe es seit 2010. Erst vor zwei Jahren habe der Bund ein Sofortprogramm für Kommunen aufgesetzt. „Das wurde übers Knie gebrochen“, sagt Herffs. Innerhalb weniger Wochen Anträge einzureichen und Fördermittel abzurufen, sei schwierig. Gemeinderat und Bürger müssten schließlich mit einbezogen werden.

Die Situation ist bitter, findet Herffs. Schließlich investiere Freiburg viel in grüne Mobilität. „Es ist ärgerlich, dass trotzdem Fahrverbote drohen.“ Ab einem bestimmten Moment habe es eine Kommune aber nicht mehr in der Hand, wie der Verkehr im Ganzen funktioniere. „Letzen Endes profitiert die Autoindustrie, weil Bürger sich neue Wagen kaufen müssen“, schätzt Herffs.

In einem Punkt sind RP und Rathaus uneins: Wenn das Diesel-Fahrverbot kommt – ist die B 31 dann Teil davon oder nicht? Das RP wird die Verkehrsader vom Verbot ausnehmen, da Fahrzeuge sich sonst auf Umwegen durch Freiburg schlängeln. Für Herffs ist die Ausnahme nur schwer an Bürger zu vermitteln: „Wenn die Krankenschwester von Zähringen nach Breisach fährt, braucht sie ein neues Auto. Wer vom Tuniberg nach Kirchzarten fährt, kann es aber behalten.“

Nicht behalten hat schon jetzt Irina Lutz einen Euro-3-Diesel. Die passionierte Autofahrerin aus Denzlingen arbeitet in Freiburg und ist verärgert: Im Vergleich zu manchem Benziner sei der Wagen sauber gewesen. „Das Dieselverbot ist der Versuch, neue Fahrzeuge zu verkaufen“, schimpft die 36-Jährige. E-Fahrzeuge findet sie insgesamt „dreckiger“ als viele herkömmliche Autos. Sie wünscht sich, dass Kurzstreckenfahrten eingeschränkt werden. Und geht mit gutem Beispiel voran: Zur Arbeit fährt sie mit einer privaten Mitfahrgelegenheit.

Eine ganz andere Idee hat Manfred Löwisch. Der ehemalige Rektor der Uni Freiburg fährt einen E-Smart und will Elektromobilität pushen: Der 82-Jährige hat Martin Haag und Bärbel Schäfer vorgeschlagen, dass E-Autos in der 30er-Zone 50 fahren dürfen. Denn das wäre ein Verkaufsargument für Elektro-Flitzer. In Österreich wird das konkret: Dort sollen E-Autos auf vielen Straßen 130 Stundenkilometer fahren dürfen, während für Verbrenner bei 100 Sachen Schluss ist.

»Es trifft vor allem Ärmere«

Aussicht auf Erfolg hat Löwischs Vorschlag bisher nicht. Seine Idee zeigt aber, wie vielschichtig das Thema ist. Auch die lokalen Autohändler treibt das um. „In welchem Verhältnis stehen Ausmaß der Verbote und deren Wirksamkeit?“, fragt Marcus Sütterlin. Der Chef des Autohauses Friedrich Sütterlin betont, wie komplex die Lage ist und äußert vorsichtige Skepsis: Ob Fahrverbote den erzielten Effekt erreichen, sei offen. Viel wichtiger findet er, bestehende Techniken in Autos sauberer zu machen. Bei allem Hype um E-Mobilität: Für Sütterlin sind herkömmliche Motoren eine effiziente Antriebsform mit Zukunft.

Ob Freiburg Diesel-Fahrverbote bekommt, entscheidet sich in den kommenden Monaten: Wenn am 30. Juni 2019 die Werte über 45 Mikrogramm liegen, kommt die umweltsensitive Verkehrssteuerung im Osten zum 1. Januar 2020 (Pförtnerampel). Wenn schließlich am 30. Juni 2020 die Werte weiter über 40 Mikrogramm liegen, dann kommt das Fahrverbot. Soll heißen: Schon 2020 wären Euro-4-Diesel auch in Freiburg tabu. Nur die B 31 bliebe außen vor.

Glaubt man der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin, kommt es härter: Die Weltgesundheitsorganisation WHO werde demnächst eine Absenkung der Grenzwerte auf 30 Mikrogramm Stickstoffdioxid empfehlen, heißt es dort. Der „Focus“ hat die Folgen ausgerechnet: 96 deutschen Städten könnten dann Fahrverbote drohen.

Die Bundesregierung kontert das jedoch jüngst: Sie hat Mitte März beschlossen, dass es Fahrverbote nur geben soll, wenn die Grenze von 50 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel überschritten werden. Ob das Freiburg hilft, will man im RP aber nicht bestätigen. Die Lage bleibt komplex und undurchsichtig – auch juristisch.

Für den ADAC Südbaden wären ausgesperrte Diesel in jedem Fall keine gute Nachricht. „Es trifft vor allem die Ärmeren, die sich kein neues Auto leisten können“, sagt Carl Heinz Schneider. Er hofft auch auf den Faktor Zeit: 2000 alte Diesel würden jährlich in Freiburg aus dem Verkehr genommen. Was nachkommt, sei umweltfreundlicher. So könne sich das Problem vielleicht einfach in Luft auflösen. Oder in Abgase.

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Fotos: © tln; Regierungspräsidium Freiburg; privat