Buch-Rezi: Die militante Madonna Kultur | 23.11.2021 | Erika Weisser

Buchcover: Millitante Madonna

Heute würde man den Chevalier d’Éon de Beaumont als nichtbinäre Person bezeichnen. Mit dem entsprechenden Sternchen im geschriebenen Wort und der kurzen Unterbrechung im gesprochenen.

Er/sie selbst würde sich wohl lustig machen über all die Diskussionen um gendergerechte Sprache. Das lässt sich zumindest aus dem Vorspruch schließen, mit dem Irene Dische ihre höchst amüsant und schelmenhaft erzählte Lebensgeschichte dieses Menschen eröffnet, der im 18. Jahrhundert lebte. Als Botschafter des französischen Königs und dessen Spionin, als Freimaurer und Degenfechterin, als Soldat und Soldatin, als Finanzexperte und Büchernärrin.

„Ich betrachte Sie in Ihrem seltsamen Jahrhundert voller Verwunderung“, lässt sie diese schillernde Figur an heutige Leute gerichtet sagen, die offenbar glaubten, sie hätten „die Wahlfreiheit erfunden, ein Mann oder eine Frau zu sein“. In Wahrheit aber „haben Sie nur jede Menge Regeln erfunden, wie eine einmal getroffene Wahl umzusetzen und in Worte zu fassen ist“ – unter strenger Kontrolle des Sprachgebrauchs.

Éon oder Lea de Beaumont hat sich nie um solche Regeln und Festlegungen gekümmert. Er sprach, lebte und kleidete sich, wie es ihr gefiel – und beiden dabei lesend zuzusehen, das ist witzig, spannend und rührend. Ein großes Vergnügen.

Buchcover: Millitante Madonna

Die militante Madonna
von Irene Dische
Verlag: Hoffmann und Campe, 2021
159 Seiten, Hardcover
Preis: 22 Euro