Der Erfolg der Agentin: Beate Riess feiert 10-Jähriges Kultur | 07.04.2020 | Erika Weisser

Beate Riess

Sie konnte sich „schon immer gut vorstellen“, selbstständig zu arbeiten. Doch erst ein Jahr vor ihrem 50. Geburtstag, im Juni 2010, wagte Beate Riess den „Sprung ins kalte Wasser“ und gründete die erste Literaturagentur im Südwesten. Mit einem eigenen Raum in einer Bürogemeinschaft im Stühlinger.Dort ist sie immer noch – und bis heute „sehr glücklich“ über ihre Entscheidung. Inzwischen hat sie 44 Autoren „von der Nordsee bis nach Wien“ unter Vertrag, arbeitet mit 40 Verlagen zusammen. Zu ihrem Kundenstamm gehören „selbstverständlich“ auch einige Autoren aus der Region. In diesem Jahr feiert die Agentur ihr Zehnjähriges.

So ganz kalt war das Wasser ihres Neustarts freilich nicht: Nach 16 Jahren beim Herder-Verlag, wo sie als Lektorin und Programmleiterin im Bereich Kinder-und Jugendbuch tätig war, hatte sie gute Kontakte innerhalb der Buchbranche, auch zu zwei Autorinnen, die schon damals sehr bekannt waren und nach einer Literaturagentur suchten: Antonia Michaelis, die immer noch eine ihrer wichtigsten Autorinnen ist, und Käthe Recheis, der inzwischen verstorbenen „Grande Dame der österreichischen Kinderliteratur“. Mit ihnen unternahm Riess den Schritt in die Selbstständigkeit – und hatte gleich mit dem ersten Manuskript Erfolg.

Und eine große Portion Glück: Mit Michaelis’ Roman „Der Märchenerzähler“, stieß sie bei mehreren Verlagen auf so großes Interesse, dass sie „in eine Auktion hineinrutschte“. Da viele Editoren das Buch haben wollten, hätten sie sich gegenseitig hochgeboten – und sie und die Autorin seien in der komfortablen Situation gewesen, den Höchstbietenden auswählen zu können. Das sei „natürlich ein Idealfall“ gewesen, „eine Sternstunde, die nicht alle Jahre vorkommt“. Das Buch wurde 2012 für den Deutschen Jugendbuchpreis nominiert.

Sternstunden und magische Tiere

Eine weitere Sternstunde für Riess’ Agentur schlug 2016, als Peer Martin für seinen Roman „Sommer unter schwarzen Flügeln“ diesen Preis dann tatsächlich erhielt. Die inzwischen 59-Jährige freut sich auch über die erfolgreiche Zusammenarbeit mit Margit Auer, deren Bücher aus der Reihe „Die Schule der magischen Tiere“ regelmäßig die Bestsellerlisten erobern. Und sie freut sich natürlich auch, wenn sie für ihre weniger bekannten Schützlinge „den passenden Verlag finden und gute Bedingungen aushandeln“ kann.

Denn auch das Verfassen autorenfreundlicher Verträge gehöre zu ihren Aufgaben. Auf dem schnelllebigen Buchmarkt, der täglich mit rund 200 Neuerscheinungen bereichert wird, sei sie als Literaturagentin für die Autoren „eine Art Wegweiser im Dschungel der Verlage“. Denn gute Literaturagenten kennen sich aus mit Verlagen und Lektoren, sie wissen, nach welchen Themen oder Genres diese gerade suchen und können so ihre Autoren „passgenau“ vermitteln.

Ohne diese Vermittlung, so ihre Erfahrung, komme „heute fast kein Autor mehr in einen Verlag“. Und auch für die Verlage werde die Arbeit der Agenten immer wichtiger. Gerade für die, die neben den Werken ihrer angestammten Autoren gerne auch gute Debüts vielversprechender Unbekannter veröffentlichen, seien die Agenten so etwas wie „die Trüffelschweine der Branche“: Sie übernehmen die Wühlarbeit beim Suchen neuer Talente, sie feilen mit ihnen gründlich an den in Frage kommenden Manuskripten, beraten sie kollegial bei der Dramaturgie der Texte und machen sie „verlagsreif“.

Dieses „kleine Vorlektorat“ entlaste die Verlage erheblich: Auf Riess’ virtuellem Schreibtisch landen täglich mindestens fünf Manuskripte, die von ihr und ihren beiden Mitarbeiterinnen sorgfältig gesichtet und gegebenenfalls mit den Autoren selbst überarbeitet werden, bevor sie in die engere Auswahl kommen. Und diese Arbeit könne ein Verlag heute kaum mehr leisten. Mit dem Ergebnis, dass so manches Buch, so mancher Autor nicht veröffentlicht würde, obwohl sie es verdient hätten. 

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