Der Wahl-Wittnauer Karl-Heinz Ott wird für sein literarisches Gesamtwerk ausgezeichnet Kultur | 21.07.2021 | Erika Weisser

Ott Glücklich: Karl-Heinz Ott freut sich über den Joseph-Breitbach- Preis – und arbeitet schon an seinem nächsten Buch. Es geht darin um rechtsintellektuelle Bewegungen und ihre politischen und philosophischen Zusammenhänge, um Leute, die die Neuzeit rückgängig machen wollen. Es erscheint Anfang 2022.

Karl-Heinz Ott erhält den von der Mainzer Akademie der Wissenschaften und Literatur vergebenen Joseph-Breitbach-Preis 2021 – mit 50.000 Euro einer der drei höchstdotierten deutschen Literaturpreise. Nach Ansicht der Jury gehört der in Wittnau bei Freiburg lebende Autor „zu den intellektuell und sprachlich versiertesten Autoren seiner Generation“.

In seinen Büchern spiegle sich „die Geistes- und Mentalitätsgeschichte der Bundesrepublik,“ seine Prosa sei „zugleich von einem Furor beseelt, der auch vor erfrischend ungerechter Polemik und makabrer Komik nicht zurückscheut“. Über so viel Lob für seine Arbeit freut sich der 63-Jährige sehr. Und auch über die Anmerkung der Jury, dass er gerade mit seinem jüngsten Werk „Hölderlins Geister“ gezeigt habe, „wie gedankentötend strikte Glaubenssätze fortwirken können“.

Diese Bewertung, findet Ott, baue die Brücke zu Joseph Breitbach, dessen Biografie „vorbildlich und faszinierend“ sei: Er nahm sich in seinem Werk sozialer und politischer Themen an, löste sich jedoch von einengender Ideologie; er emigrierte noch vor der Machtübernahme der Nazis und arbeitete im französischen Geheimdienst gegen sie. Seine Bücher aber wurden in Nazi-Deutschland verboten und sind heute so gut wie vergessen. Ott hat sich vorgenommen, sie zu lesen.

Er sieht sich selbst auch als „freien Geist“ – und würde der Einschätzung, ein streitbarer und unangepasster Mensch zu sein, „nicht widersprechen“: Schon während seiner Schulzeit im erzkatholischen oberschwäbischen Ehingen an der Donau habe er begonnen, sich kritische Gedanken zu machen, nicht nur über die Religion, sondern bald auch über so manche anderen Glaubenshaltungen und deren „dogmatische Koordinatensysteme“, in die man ja schnell gerate.

Diese eigene, von messianischen Lehren unbelastete Perspektive auf die Welt habe sich auch während seines Studiums der Philosophie, Literaturwissenschaft und Musik in Tübingen bewährt und verstärkt. Damals, erzählt er heute, habe ihn sein erster selbstständiger Tramper-Urlaub in Richtung Südfrankreich nach Freiburg geführt. Und es habe ihm hier so gut gefallen, dass er sogar eine Zeit lang überlegte, „nach Freiburg zu wechseln“. Er tat es nicht – und kam „durch einen großen Glücksfall“ schließlich doch hierher: Nach seinem Studium hatte er ein Angebot der Württembergischen Landesbühne Esslingen angenommen, dort die Leitung der Schauspielmusik zu übernehmen.

Und als der dortige Intendant Friedrich Schirmer 1989 ans Theater Freiburg berufen wurde, brachte er sein Team mit. Und so arbeitete Karl-Heinz Ott auch hier als Leiter der Schauspielmusik – und ist „nie mehr weggezogen“. Auch nicht in seiner Zeit als Chefdramaturg an der Oper Basel und später am Theater Neumarkt in Zürich.

Vor 25 Jahren wagte er, der „immer schreiben“ wollte, den Schritt ins freie Schriftstellerleben. Und bekam gleich für seinen Erstling „Ins Offene“ den Thaddäus-Troll-Preis. Und ein Stipendium, das ihn zusammen mit ein paar kleinen Aufträgen, „über Wasser hielt“. Er hat diesen Schritt nie bereut, auch wenn es „kein einfaches Geschäft ist“. Und so kommt es, dass er sich außer über diese „große Auszeichnung“ auch über das Geld freut: „Nach eineinhalb Jahren Stillstand, ohne Lesungen, ohne Veranstaltungen und ohne die entsprechenden Einnahmen ist so ein Preis ein doppelter Glücksfall.“

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