Die drei vom Drey-Verlag: Forum für regionale Literatur Kultur | 11.01.2023 | Erika Weisser

Markus Manfred Jung, Franz Handschuh und Wendelinus Wurth ( v.l.n.r) Markus Manfred Jung, Franz Handschuh und Wendelinus Wurth (v.l.n.r.) gründeten den Drey-Verlag.

1995 gründeten drei Freunde in Gutach im Schwarzwald den Drey-Verlag. Seither haben sie rund 120 Bücher vorwiegend regionaler Autoren herausgebracht, in niedrigen Auflagen und hoher Qualität. Nun gehört erstmals ein Kalender für 2023 zum handverlesenen Sortiment.

Das Haus klebt förmlich am Abhang des Bucks, der sich steil erhebt; dahinter ist das Dorf zu Ende. Zumindest auf dieser Seite des langgezogenen Tals, durch das sich die Gutach zur Kinzig hin schlängelt. Kurz darauf bestätigt der Blick aus dem Fenster der Küche, in die der Gastgeber gebeten hat: Hier herrscht wirklich nur Wildnis. Und dieses Hexenhäuschen am Waldrand soll einen richtigen Verlag beherbergen?

Ja, sagt Wendelinus Wurth, seit 27 Jahren schon. Im August 1995 haben er, sein Schriftstellerkollege Markus Manfred Jung und der Grafiker Franz Handschuh den Drey-Verlag ins Leben gerufen. Der Verlagsname sei weniger ein Hinweis darauf, dass seine Gründer ein Trio bilden. In erster Linie beziehe er sich auf das Dreyland am Oberrhein, mit seinen sprachlichen und kulturhistorischen Gemeinsamkeiten: Südbaden, die Nordschweiz und das Elsass, symbolisiert durch die Münster in Konstanz, Basel und Straßburg. Auf dem Verlagsprospekt fällt denn auch ein sinnigerweise rechtwinklig angeordnetes Wort auf: Drey-angel – Dreieck.

Am Anfang stand indessen nicht die Idee, dauerhaft „ein Forum für lokale Literatur“ aufzumachen. Die drei dachten an höchstens ein Dutzend Bücher – an die, die sie vorhatten, selbst zu schreiben. Denn Jung und Wurth hatten zuvor schon einige eigene, auf alemannisch verfasste lyrische Werke und Kurzprosa veröffentlicht. Zunächst in der Freiburger Literaturzeitschrift „Deyfelsgiger“, zu deren Autoren- und Redaktionsteam sie gehörten, dann in kleinen regionalen Verlagen, die es seinerzeit noch gab. Die aber schon am Kämpfen waren: Als Markus Manfred Jung nach zwei Lyrikbänden bei seinem damaligen Verlag ein Buch mit Kurzgeschichten und Glossen veröffentlichen wollte, verlangte dieser wegen des finanziellen Risikos einen Vorschuss von 2000 Mark von ihm.

Das gab den Anstoß. „Wenn ich schon so viel Geld investieren muss“, beschloss Jung damals, „dann mache ich das Buch gleich selbst“. Die beiden anderen waren schnell überzeugt; seither fungiert Wurth als Verleger, Jung als Lektor und Handschuh obliegt die Gestaltung. Und inzwischen hat sich die ursprünglich anvisierte Zahl verzehnfacht: „Ein paar mehr als 120 Bücher sind bei uns erschienen“, freut sich Wurth. Denn bald habe sich die Kunde vom neuen Verlag, der auch Lyrik und Mundart oder die Kombination von beidem verlegt, unter den hiesigen Autoren und Autorinnen herumgesprochen.

Etliche unbekannte Newcomer waren darunter, aber auch „Zugpferde“, von denen Wendelinus Wurth nur einige nennt: José Oliver, Stefan Pflaum, Ingeborg Gleichauf, Heide Jahnke, Carola Horstmann und Ulrike Derndinger. Gut gelaufen seien die Anthologien, etwa die 1996 in Kooperation mit der Muetterschproch-Gsellschaft herausgegebene Sammlung „Weleweg – selleweg“. Vergleichsweise gute Verkaufszahlen hätten außer Jungs Büchern auch seine eigene, viel gelobte mundartliche Übersetzung von Mark Twains Huckleberry Finn und der von Franz Handschuh verfasste Comic „Die Freiburger & die Hamburger – Localsatirisches Märchen“ eingebracht.

Große Gewinne erziele der Verlag nach Wurths Angaben nicht. Es sei auch nie die Absicht gewesen, in das Massengeschäft mit Literatur einzusteigen, sondern gute, hochwertig ausgestattete Bücher aus der REGIO für die REGIO zu machen. „Ohne eine gewisse Gewinnerzielungsabsicht“ gehe es dennoch nicht, sagt der Verleger: Nur wenn Geld hereinkomme, könne in das nächste Buch oder in eine Zweitauflage investiert werden. Für sich selbst brauchen die drei nichts davon: Sie waren Lehrer und haben als Pensionäre im Ruhestand ein gutes Auskommen. Und neben der Zeit auch den Vorsatz, weiterzumachen: Der Verlag hat noch 75 ISB-Nummern zu vergeben, „so viele Bücher wollen wir noch machen“. 

Das jüngste Produkt des Drey-Verlags hat keine ISBN: der Kalender namens „Vor lauter Augen“. Ein Foto-Kalender mit Aufnahmen von den „Augen“, die nach dem Entasten an den Bäumen sichtbar werden, Bilder von Holzaugen, die wie Kunstwerke wirken. Vögel, Schnecken, Frösche oder auch Fantasiewesen sind darauf zu erkennen – wenn man Augen hat, die Dinge hinter den Dingen zu sehen. Diese Pareidolien, erzählt der „chronische Pilzsucher“ Wurth, seien ihm bei einer seiner Touren „zufällig ins Auge und vor die Kamera geraten“: schöne Begleiter durch das kommende Jahr.

Entastetes "Auge" eines Stammes das wie eine Schnecke geformt ist

Das jüngste Produkt ist ein Kalender mit Fotos figürlicher Naturkunst: „Vor lauter Augen“.

INFO

www.drey-verlag.com

Fotos: © dreyverlag; Wendelinus Wurth