Düster in die Charts: Die Rocker „Von Welt“ sind leidenschaftliche Strategen Kultur | 22.08.2021 | Till Neumann

Von Welt Haben einen Lauf: Die Musiker der Rockband Von Welt aus dem Freiburger Umland.

Mit ihrem Debütalbum „Schwarz“ haben es die vier Musiker „Von Welt“ vergangenes Jahr auf Platz 35 der Charts geschafft. Vor der Fußball-EM gelang ihnen ein weiterer Coup. Jetzt hat sich die Band aus dem Freiburger Umland eine Show mit Udo Lindenberg erspielt. Einst sahen sie sich als Pechvögel, das Glück ist aber zurückgekommen.

Bandcontests sind eigentlich nicht ihr Ding. Für den „Panikpreis“ von Udo Lindenberg haben Von Welt kürzlich aber eine Ausnahme gemacht. „Normalerweise ist da toxi­sche Stimmung, jeder ist aufs eigene Weiterkommen fokussiert“, sagt Bassist Nicolai Hoch. Udos Event sahen sie dennoch als Riesenchance und haben es nicht bereut. Familiär sei die Stimmung gewesen.

5000 Euro Preisgeld

Von Welt schaffte es von 270 Einsendungen unter die Top 6. Beim Finale an der Popakademie Mannheim belegten sie den 2. Platz. 5000 Euro Preisgeld gab’s dafür. Und ein Konzert 2022 beim Hermann-Hesse-Festival in Calw, bei dem auch Lindenberg auftritt.

Der Erfolg ist sinnbildlich für ihren Weg. Hart erarbeitetes Glück könnte man sagen. Sänger Nicolas Kuri las kürzlich die Biografie von Lindenberg. Dabei entdeckte er den Panikpreis, suchte im Netz und reichte die Bewerbung ein. Drei Wochen vor dem Auftritt bekamen sie Bescheid. Bassist Hoch cancelte kurzerhand einen New-York-Trip. „Alles gut“, sagt er und lacht. Musik geht vor.

Salami-Taktik geht auf

Für ihr Debütalbum „Schwarz“ entwickelten die Jungs aus Lahr, Oberschopfheim, Kenzingen und Endingen einen Plan, der auf Streams und eine Chartplatzierung ausgerichtet war: Statt ein ganzes Album auf einen Schlag rauszuhauen, veröffentlichten sie häppchenweise Singles. Dazu gab es aufwendige Videos und eine Silent-­Concert-Tournee mit Spontan-­Shows in Europa.

Für das finale Albumrelease boten sie eine Limited-Fanbox an, die ein Dankeschön an Fans sein sollte – und ein Booster für die Marktposition. Jede verkaufte Box zählt mehrfach für den Charteinstieg. Der Plan ging auf: Auf Rang 35 landete ihre Platte im Juli 2020.

„Wir wollen immer das Beste geben und wenig erwarten“

Dass so etwas klappt, kann keiner garantieren. Die Weichen dafür haben Von Welt aber mit Hingabe gestellt. Wie sie das schaffen? „Als Team“, sagt Hoch. Die Aufgaben würden unter allen verteilt. „Nico ist der Kreativste“, sagt Gitarrist Steffen Engler über den Frontmann. Sein Kollege arbeite sich ins Musikbusiness rein und verschlinge Hörbücher in dreifacher Geschwindigkeit für maximalen Input.

Von Welt ackern in Eigenregie ohne Label oder Promoter. Mit „Schwarz“ ist ihnen ein großer Wurf gelungen. Brachial, düster und sphärisch sind die Songs, lassen aber auch Luft zum Atmen. Die Platte bietet Pathos, Einfühlsamkeit, Frust, Aufbruch und Mitsing­refrains. Alles aus einem Guss.

Das Glück kommt zurück

„Bis zum Albumrelease hatten wir Pech“, sagt Hoch. Viel sei ihnen versprochen worden, aber wenig wurde gehalten. Zudem hätte ihr Album anders heißen sollen. Doch eine große Band nutzte den Titel. Schließlich crashte die Pandemie Konzerte und den Promoplan. Unterkriegen ließen sie sich nicht – und können heute sagen: Seit dem Release von Schwarz ist das Glück zurück.

Das zeigt auch ihr Video zum Album-Opener „Unendlichkeit“. Die Hauptrolle übernimmt SC-Freiburg-Kapitän Christian Günter. „Wir haben noch beim Dreh gewitzelt, dass er bei der Veröffentlichung für die Nationalelf berufen wird“, erzählt Engler. Und so kam es: Löw nominierte den Linksverteidiger für die Euro, Von Welt landeten einen medialen Volltreffer.

Den SC-Kapitän nehmen sich die vier zum Vorbild: „Er ist ultrapro­­­fessionell, aber auf dem Boden geblieben – so wie wir es lieben“, sagt Hoch. Auf ihre jüngsten Erfolge können sie stolz sein. Allein ihre Spotify-Zahlen sind mit mehr als einer Million Zugriffen enorm. Doch sie geben sich betont bescheiden. „Wir wollen immer das Beste geben und dabei wenig erwarten“, erzählt Hoch.

„Unbezahltes Praktikum“

Acht Jahre sind sie seit den Anfängen im Lahrer Schlachthof nun gemeinsam unterwegs. Mehr als 300 Shows haben sie gespielt. Finanziell sei die Band aber noch immer auf 450-Euro-Basis unterwegs, erzählen sie. „Ein unbezahltes Praktikum in der Medienbranche“, scherzt Hoch.

Abheben könnten sie bei den jüngsten Erfolgen dennoch. Aber Hoch und Engler betonen: „Das Schlimmste sind Künstler·innen, die überheblich werden.“ Das würde auch nicht passen zum Image. Ihre Trademark ist der Schwarzwald – mystisch, finster, bodenständig.

Foto: © Moritz Schreder