Ein Raum voller Wörter: „Du springst, ich falle“ als Buch-Tipp Kultur | 06.07.2018

Maryam hat drei Geburten hinter sich. Dabei wäre es zur ersten fast nicht gekommen: 1980, nach dem enttäuschenden Ende der Iranischen Revolution, protestiert ihre schwangere Mutter an der Universität Teheran gegen den Unterdrückungsapparat der neuen islamistischen Machthaber.

Um sich vor den mörderischen Polizeiknüppeln zu retten, springt sie aus einem Fenster ins Freie. „Sie springt, und ich falle“ beschreibt die Autorin jenes pränatale Trauma, das sie lange belastet.

Zumal ihre Eltern ihr auch später nur wenig Halt geben. Als überzeugte Kommunisten leisten sie weiter Widerstand gegen das Regime – was ihnen in der Wahrnehmung des Kindes wichtiger ist als die Tochter. Und als sie schließlich ins Exil nach Paris gehen, nehmen sie ihr noch den letzten Halt: die Großmutter, die zurückbleibt.

Indessen verhelfen sie ihr zur zweiten Geburt, die nicht weniger schmerzhaft ist als die erste: Das Mädchen fällt in eine als feindlich empfundene Umgebung, verweigert das Essen, die Sprache – und schafft es eines Tages, den Raum wieder mit Wörtern zu füllen. Französischen Wörtern, die ihr später die dritte Geburt ermöglichen: zur selbstständigen Wanderin zwischen einst unvereinbaren Welten. Großartig – Prix Goncourt du Premier Roman 2017.

Du springst, ich falle
von Maryam Madjidi
Verlag: Blumenbar/Aufbau, 2018
224 Seiten, Broschur
Preis: 18 Euro