Eine Crew der Spartensprenger – Das Freiburger Theater mit neuer Intendanz und Identität Kultur | 17.05.2025 | Lars Bargmann

Theater Freiburg Plakat flammendes Herz

Der neue Intendant am Freiburger Theater Felix Rothenhäusler und sein Team haben das Programm für ihre Premieren-Spielzeit vorgestellt. Und was sich da im altehrwürdigen Stadttheater tut, ist nicht nur ein Generationenwechsel – Rothenhäusler ist Baujahr 1981, der amtierende Peter Carp Baujahr 1955 –, es hat das Zeug zu einer kleinen Kulturrevolution.

pinkes Programmheft

Das Programmheft trägt Pink. Auf dem Titel steht – außer dem Namen eines Ensemblemitglieds – nichts. Rechts oben ist ein flammendes Herz. Auf meinem Exemplar ist ein Selfie von Laura zu sehen. Das war’s. Schrill, frisch, wild, bunt, quer bis queer, geistreich, spartensprengend. So könnte man Auftritt und Haltung der neuen Crew am Platz der Alten Synagoge umschreiben. Chefdramaturg Franz-Erdmann Meyer-Herder sitzt da mit Schnauzbart und schulterfreiem Kleid als Flametta M Sauvage auf dem Stuhl, dann läuft das Wasserwunderwesen Matthieu Svetchine durchs Winterer-Foyer, später gibt’s „Bei Anruf Chor“.

Matthieu Svetchine

Ein modernes Volkstheater erwartet Freiburg, eines, das keinen Unterschied zwischen dem Populären und dem Erhabenen macht, eines, das kein Interesse an Dystopien hat, sondern auf das Fantastische aus ist, erzählt Rothenhäusler. Das flammende Herz, so Franz-Erdmann Meyer-Herder, ist das Symbol für den Neustart in Freiburg: „Und wir wollen die Herzen im Sturm erobern.“

Franz Erdmann Meyer Herder aka Flametta M Sauvage

Die Crew bricht die Spartentrennung nicht nur im Programmheft auf: Würde sie eine Sportstätte betreiben, gäbe es sicher einen Hybrid aus Fuß- und Handball. Das jedenfalls entspräche der Haltung. Das Leitbild, so sortiert ist es dann doch, baut sich aus vier großen Teilen zusammen: Was ist unser Verhältnis zur Natur? Kommunikation und miteinander. Queerness als Einladung. Erinnerungspolitik. Dazu gibt es dann Schauspiel und Tanz, Musiktheater und Oper, Musical und Junges Theater, Performantes und reichlich Partizipatives.

Felix Rothenhäusler und Katrina Mäntele

Den Symphonic Mob etwa, ein Spontanorchester, den Workshop Time to Share Movements, den Urban Dance Club, das Swarm Lab, den No Limits Dance Club, die Open Mondays, die Reihe Unser Plan zur Rettung der Welt (der bisherige Werkraum des Jungen Theaters nennt sich fortan Weltraum), die Phil.On.Tour des Philharmonischen Orchesters, die Pop-up-Opern, die an verschiedenen Orten der Stadt zur Aufführung kommen.

Shirin Saber, Tessa Beecken, Andre de Ridder

Dazu viele Kooperationen – auch die könnten zum Leitbild zählen –, nicht nur mit dem NS-Dokumentationszentrum oder dem Verein Südwind. 30 Premieren bekommt das Publikum serviert, 9 Tanzgastspiele, 14 Uraufführungen, eine europäische Erstaufführung, 8 Sinfoniekonzerte – André de Ridder ist weiter mit an Bord. Neue Schauspieldramaturgin ist Katrina Mäntele, neue Hausregisseurin Lena Reißner.

Theater Freiburg Plakat Spielzeit

„Nichts lebt für sich allein, alles ist Symbiose“, sagt Rothenhäusler. Wie in der Natur, so ist auch die Kunst ein verletzliches Ökosystem. Ist nicht selbstverständlich. Kann aussterben. „Seit Sonntag leben wir auf Pump“, sagt der neue Intendant und meinte damit den Erdüberlastungstag. Rothenhäusler und Crew fragen sich, was das mit ihnen, den Zuschauern, dem Theater, der Kunst macht. Die erste Spielzeit wird auch das diskutieren. Nicht mit düsterem Gestus, sondern mit fantastischen Utopien und sprechenden Einhörnern.

T-Shirt mit Spielzeiten

Adriana Almeida Pees

Impressionen vom ersten öffentlichen Auftritt des neuen Theater-Teams: Wasserwesen Matthieu Svetchine, Shirin Saber mit Tessa Beecken und André de Ridder, Felix Rothenhäusler mit Katrina Mäntele, Franz-Erdmann Meyer-Herder mit Lena Reißner, Adriana Almeida Pees mit Mikro – und flammende Herzen.

Fotos: © Britt Schilling