Elefanten in der Wiehre Kultur | 23.10.2021 | Erika Weisser

Wasserschlössle bei Nacht

Seit 1896 steht das Wasserschlössle am nördlichen Abhang des Sternwalds über dem Stadtteil Wiehre. Das märchenhaft wirkende Bauwerk mit den drei zinnenbewehrten Türmen, das dem historischen Stadtsiegel Freiburgs nachempfunden wurde, ist indessen nur Fassade: In seinem Innern befindet sich ein mit modernster Technik betriebener Trinkwasserhochbehälter mit einem Fassungsvermögen von 3,8 Millionen Litern. Durch natürliches Gefälle werden von hier aus die Wiehre und die Altstadt mit bestem Wasser aus dem Dreisamtal versorgt.

„Nicht immer sehe ich so zauberhaft aus wie auf dem Foto. Normalerweise ist die Farbe meines Mauerkleids ein ziemlich langweiliges Beige. Doch bekanntlich zählen die inneren Werte. Und davon habe ich eine Menge. Denn was ist wertvoller als sauberes Trinkwasser? Noch dazu, wenn es so frisch und köstlich ist wie jenes, das vom Wasserwerk Ebnet unterirdisch zu mir fließt. Jeder einzelne Tropfen ist vier Stunden lang unterwegs, bis er hier ankommt. In meinen riesigen, in den Berg eingelassenen Kammern bleibt das Wasser dann ungefähr vier weitere Stunden, bis es in die Häuser weitergeleitet wird, die ich von hier oben sehen kann.

In den bunten Schleier wurde ich nur gehüllt, weil ich unlängst 125. Geburtstag hatte und die städtische Wasserversorgerin Badenova mich deshalb an mehreren Abenden in einem farbchangierenden Feiertagsgewand präsentierte. Ich bin es ja gewöhnt, abends angestrahlt zu werden, doch das geschieht immer mit ganz normalem Licht. Da war dieses Spektakel dann schon etwas ganz Besonderes.

Schade nur, dass kaum jemand davon wusste. Um die nächtliche Flora und Fauna nicht zu stören, wurde die farbspielerische Feier nicht öffentlich angekündigt. Dennoch wurden viele Leute aufmerksam: Die Anwohner des neuen Wohnviertels zu meinen Füßen,  die Sportsfreunde, die abends regelmäßig hier vorbeijoggen, das Partyvolk, das sich in warmen Nächten hier zum Feiern trifft.

Ich kann das gut verstehen. Schließlich hat man von hier aus eine der schönsten Aussichten auf die Stadt. Auch ich habe in all den Jahren schon viel gesehen. 1934 wurde ich etwa Zeuge der Verlegung der Streckenführung der Höllentalbahn, die bis dahin an der Urachstraße verlief. Damals konnte ich die Züge noch sehen, jetzt, da sie direkt unterhalb meines Hügels fahren, höre ich sie nur noch. Es sind ziemlich viele geworden in den letzten Jahren.

Leider sind es jetzt nur noch Personenzüge. Früher war das anders: Da kamen Holz- und andere Warentransportzüge aus dem Schwarzwald an die längst geschlossene Güterverladestelle beim Wiehrebahnhof und fuhren mit anderen Lieferungen wieder hinauf. Besonders gern erinnere ich mich an die Zeiten, da auf dem ehemaligen Messplatz beim heutigen ZO noch Zirkusse gastierten. Dann marschierten nämlich die Elefanten durch die schmalen Straßen der Wiehre und wurden direkt unter mir in spezielle Waggons geladen. Das war ein noch tolleres Spektakel als meine Geburtstags-Lichtspiele neulich.“

Foto: © Badenova