Gespenstische Klänge: „Geist“ sucht Orgel im Augustinermuseum heim Kultur | 08.06.2022 | Till Neumann

Gibt mysteriöse Klänge von sich: die Welte-Orgel im Augustinermuseum

Erneut verbreitet die Welte-Orgel im Freiburger Augustinermuseum seltsame Töne. Sie kommen aus dem Nichts. Die Museumteam spricht von der Rückkehr des „Orgelgeists“. Zum zweiten Mal scheint der Fehler gefunden. Doch sicher ist das nicht.

„Katastrophenkonzert“ gestoppt

Peter Kalchthaler kennt die 300 Jahre alte Orgel wie kaum ein Zweiter. Seit Jahrzehnten begleitet er das Prunkstück im Augustinermuseum. Majestätisch thront es im Hauptsaal. Doch irgendwas stimmt nicht: Immer wieder gibt die Orgel Misstöne von sich. Im März kam es zum „Katastrophenkonzert“, wie der 66-Jährige erzählt. Die beliebte Musikvorstellung am Samstag musste abgebrochen werden.

Am Orgeltisch saß Musikstudent Johannes Opfermann. „Bei meinem ersten Stück habe ich den falschen Ton noch überspielt“, berichtet der 22-Jährige von der Freiburger Musikhochschule. Beim zweiten ging das nicht mehr: „Es sind total random Töne erklungen, ich habe versucht, andere Register zu spielen, aber es wurde nicht besser.“ Also brach Opfermann die Vorstellung ab und sagte dem Publikum: „Tut mir leid, die Orgel ist kaputt.“

Kennt die Orgel wie kaum ein Zweiter: Historiker Peter Kalchthaler ist dem Geist auf der Spur

„Wie von Geisterhand“

Er hätte auch sagen können: Der Geist ist zurück. Denn als solcher wird das Problem im Augustinermuseum gehandelt. In einer Pressemitteilung heißt es: „Mysteriöse Vorkommnisse legen den Konzertbetrieb im Augustinermuseum still, immer wieder kommt es zu unerklärlichen Störungen.“ Wie von Geisterhand spiele die Orgel oder gebe schräge Töne von sich.

Unter Verdacht: der Recorder

Schon 2016 spukte es rund um die Orgel mit seltener Bauart: Sie wird elektromagnetisch gesteuert. Auch damals spielte sie verwegene Töne. „Wir hatten alle möglichen Geister in Verdacht“, berichtet Kalchthaler: Dazu gehört das elektrische Feld der vorbeifahrenden Straßenbahn genau wie die Bewegungsmelder der Alarmanlage. Vor sechs Jahren schien das Problem gelöst: Ein an die Orgel angeschlossener staubiger Audiorecorder wurde als Bösewicht ausgemacht – und deaktiviert. Die Geister verschwanden.

Falscher Verdacht

Mysteriös: Es spukt rund um die Welte-Orgel.

Bis jetzt. Seit einigen Monaten sind die Disharmonien zurück. Und es zeigt sich: Der Recorder war es nicht. Das Museum hat daher ein Expertenteam aus Waldkirch beauftragt, dem Problem Herr zu werden. Historiker Kalchthaler ist sicher: „Wir haben jetzt erkannt: Der Orgelgeist steckt im Spieltisch.“ Dort seien Kriechströme unterwegs, der Strome fließe nicht wie er soll. Das verursache die mysteriösen Töne und lasse sich mit der Altersschwäche des Instruments erklären. Sie hat drei Jahrhunderte auf dem Buckel und wurde mehrfach umgebaut.

Die beauftragten Orgelexperten aus Waldkirch rudern aber zurück: Noch sei nichts geklärt, teilt die Firma Jäger & Brommer mit. Sie hat die Geistersuche übernommen und stellt klar: „Derzeit sind wir noch auf der Detailsuche. Wäre alles spekulativ und unnötig.“

Zorniger Abt?

Weitere phantasiereiche Mutmaßungen des Museumteams sind also noch im Rennen: Es raunt, dass die abgeschlagenen Hände der Statuen vor der Orgel der Grund des Übels sein könnten. Oder der auf der Orgel sitzende Abt von Gengenbach. Aus seiner Stadt ist die Orgel 1923 als leeres Gehäuse gekommen. Ist er zornig, dass er in Freiburg sitzen muss statt in der Ortenau-Gemeinde?

Bis alles geklärt ist, kann es noch dauern. Die Konzertreihe am Samstag ruht. Der Schaden ist vor allem emotional, sagt Julia Habermann vom Museumsteam. „Die Leute sind traurig, die Orgel fehlt uns.“ Dennoch ist das Haus um einen Gast reicher: Spuk im Museum, das gibt’s nicht überall. Eine Gruppenführung mit Geisterjagd durch die Räume würde bestimmt Anklang finden.

Fotos: © Till Neumann