Heimspiel: »Keinen Tag bereut« Kultur | 17.03.2023 | Erika Weisser

Elisabeth Willnat

Fast 19 Jahre lang, vom 1. Juli 2004 an, war Elisabeth Willnat Leiterin der Freiburger Stadtbibliothek. Nun ist die Diplombibliothekarin und promovierte Germanistin, die ursprünglich aus Hildesheim kommt, in Göttingen ihr Studium absolvierte und mehrere Jahre beruflich in Frankfurt und Berlin tätig war, in den Ruhestand gegangen. Sie schaut auf eine sehr produktive Zeit zurück und freut sich darauf, mehr Zeit für ihre außerberuflichen Interessen zu haben.

„Nach den Jahren in Großstädten, die ich insbesondere wegen der umfassenden kulturellen Vielfalt sehr mag, kam die Stellenausschreibung für die Leitung der Stadtbibliothek genau in der richtigen Lebensphase. Ich hatte gerade meinen Auftrag, die Bibliothek der Akademie der Künste in Berlin auf einen zeitgemäßen Stand zu bringen, abgeschlossen. Und es gab dort nicht mehr so viele Entwicklungsmöglichkeiten.

Ich brauchte neue Herausforderungen. Und habe es keinen einzigen Tag bereut, mich damals so entschieden zu haben. Freiburg ist schließlich auch in kultureller Hinsicht eine sehr lebendige Stadt. Man lebt in einem der grenz­überwindenden kulturellen Zentren Europas und kommt  von hier aus auch schnell nicht nur nach Straßburg, Basel oder Mulhouse, sondern auch in andere kulturelle Zentren wie Paris, Zürich oder Milano.

Es gibt hier außerdem eine sehr breit gefächerte Chorszene. Das hat mich als jemand, die gerne singt, sofort begeistert. Ich habe ja schon in Göttingen im Studentenchor gesungen. Ich bin schon lange im Deutsch-Französischen Chor – und jetzt auch in der Domkapelle des Münsters. Dort üben wir derzeit Giuseppe Verdis Requiem ein, bei dem ich schon immer mitsingen wollte. Ich freue mich, dass ich für die Chöre jetzt richtig Zeit habe. Und endlich kann ich mich auch im Freundeskreis Freiburg-Tel Aviv engagieren, wie ich es mir nach einigen Besuchen in dieser faszinierenden Stadt vorgenommen habe. Ich wurde gerade zur Vorsitzenden gewählt.

Mir hat es in der Stadtbibliothek immer sehr gut gefallen. Ich schätze die Verbindlichkeit und Verlässlichkeit sehr, von denen die Arbeitsprozesse sowohl im Team als auch auf der ganzen Verwaltungsebene geprägt waren. Das konnte ich schon 2007 erfahren, als von der Verwaltung Personaleinsparungen verkündet wurden. Es gelang, alle befristet eingestellten Mitarbeiter·innen zu behalten. Diesen Erfolg würde ich jedoch nicht mir allein zuschreiben, viele Menschen haben an den erzielten Ergebnissen mitgewirkt, und schließlich hat sich, wie oft in meinem Leben, vieles einfach auch gefügt. Als gläubiger Mensch glaube ich an solche Fügungen.

Sehr froh bin ich auch, dass ein großes persönliches Anliegen von mir verwirklicht werden konnte. Einer meiner Schwerpunkte lag in Freiburg von Anfang an darauf, in allen Schulen eine Bibliothek einzurichten. Und auch da hat es sich gefügt, dass das Amt für Schule und Bildung damals genau das forderte. Nun gibt es 40 Schulbibliotheken mit Angeboten zur Sprach- und Leseförderung, mit Austausch-, Mitmach- und Erzählprojekten, die sich an alle Kinder wenden. Darüber bin ich sehr glücklich. Diese Arbeit und auch unsere Initiative, Medienpakete zu schnüren und sie selbst in Flüchtlingsunterkünften abzugeben, waren für mich sehr sinnhaft.

Sinnhaft und wichtig war für mich auch, dazu beizutragen, dass die Bibliotheken mehr als Ausleihstationen sind. Sie werden zunehmend zu einem dritten Ort, an dem man sich zwischen Arbeit oder Schule und Zuhause ohne Konsumzwang aufhalten und andere treffen kann. Leider hat die Stadtbibliothek dafür nicht viel Platz. Erweiterungsmöglichkeiten gäbe es sicherlich. Doch das kann meine Nachfolge in die Hand nehmen.

Foto: ewei