Wie ein Freiburger den Shutdown in Buenos Aires erlebt Kultur | 23.06.2020 | Arwen Stock

Selfie von Pärchen

Christian Walker ist Mitbegründer des Tango-Projekts Freiburg und war viele Jahre als DJ und Tänzer in der lokalen Tango-Argentino-Szene aktiv. Vor gut einem Jahr hat er seine Festanstellung als Sales-Manager gegen ein Leben in Buenos Aires getauscht. Redakteurin Arwen Stock hat er von der Pandemie in Argentinien berichtet.

„Wir sind gesund und bei Tag 83 in Voll-Quarantäne – aber wir zählen schon nicht mehr. Neuer Rekord ist 1200 Infizierte gestern (11. Juni). Ich programmiere viel und meine Verlobte Camí lernt fleißig Deutsch. Im Vergleich zu anderen geht es uns sehr gut. Aber ich glaube, die Weltwirtschaftsordnung wird nach der Corona-Pandemie völlig auf den Kopf gestellt sein. Viele Firmen werden Pleite gehen, es wird eine hohe Arbeitslosigkeit geben. Und dann wird wieder neu aufgebaut.

Eine Rückkehr nach Deutschland ist aktuell nicht möglich. Von Argentinien aus geht schon seit Anfang März nichts mehr. Es gibt hier keine internationalen Flüge mehr. Das ist auch okay so, weil Argentinien wirklich sehr klug gehandelt hat. Als es hier den 100. Corona-Infizierten gab, hat die Regierung die totale Quarantäne verhängt. Man darf nicht mehr aus der Wohnung raus. Nur noch zum Einkaufen und dann auch nur zum nächstgelegenen Supermarkt. Überall ist Polizei, die das kontrolliert, teils mit Hubschraubern und Straßensperren. Die Leute, die dachten, sie nehmen das auf die leichte Schulter, haben ganz schön geschaut. Hier wurden bereits zu Anfang schon viele verhaftet oder mit teuren Strafzetteln sanktioniert. So langsam halten sich die Leute daran.

Mein weitester Spaziergang derzeit geht zum chinesischen Supermarkt rund 100 Meter von meiner Haustür entfernt. Buenos Aires komplett ruhig mit hervorragender, leckerer Luft – keine Dieselabgase. Es gibt hier Bilder von der Avenida Nueve de Julio oder der Corrientes (Hauptverkehrsachsen), da ist kein Mensch drauf.

Seit Ende Mai sind wir nun in der Verlängerung. Da gab die Regierung bekannt, dass die Quarantäne noch acht bis zehn Wochen weiterlaufen soll. Wir ziehen trotzdem um, wieder von Belgrano nach Palermo (Stadtviertel) zurück. Dort gibt es mehr Cafés, Restaurants, zwar alles im Moment nur zum Mitnehmen, aber immerhin.

Als frisch verlobtes Paar haben wir es uns hier in unserem Apartment gemütlich gemacht, unsere Tischtennisschläger und Bälle rausgeholt und den Esstisch umgebaut. Wenn wir nicht an unseren Themen arbeiten, dann spielen wir eine Runde oder machen Yoga. An den Abenden schauen wir Netflix. Bald haben wir wohl alle Serien durch.

Die große Hochzeitparty müssen wir aber leider absagen, weil es hier bis Jahresende keine Feste dieser Art geben wird. Wir heiraten also statt mit 120 Leuten und großer Party mit zwei Trauzeugen, sobald das Standesamt wieder geöffnet ist. Anfang 2021 gehen wir noch für zwei Monate nach Chile zu meinen Schwiegereltern in spe. Und dann kommen wir nach Deutschland und ziehen nach Berlin.“

Foto: © privat