Im Freiburger Institut für Sagenhaftes werden außergewöhnliche Kulturprojekte erfunden Kultur | 30.08.2021 | Erika Weisser

Figurentheater auf Stelzen: In Vanessa Valks Stücken übernimmt sie Konzeption, Regie und Figurenbau.

Institut für Sagenhaftes nennt der freischaffende Designer und Szenograph Jens Burde sein Unternehmen für Gestaltung. Vor 14 Jahren kam er damit nach Freiburg; in den Instituts-Werkstätten in Zähringen entwirft und baut er Bühnenbilder und -ausstattungen. Außerdem konzipiert er Ausstellungen, erfindet und entwickelt kulturelle Projekte für den öffentlichen Raum, denkt sich wandelbare Funktionsmöbel aus und feilt an mobilen Innenraumkonzepten.

Eine solche Konzeption wird derzeit bei der Neugestaltung von Foyer und Café im Haus der Jugend umgesetzt. Und eine bereits verwirklichte Idee ist im Literaturhaus zu bewundern. Nach Burdes Plänen entstand hier im Sommer 2017 aus vier Kubikmetern europäischem Kirschbaum ein Interieur, dessen variable Elemente sich im Handumdrehen von Bänken zu einer Bühne, zu einer Bar, zu einem Bücherschrank, zu einer ganzen Sitzgruppe umbauen lassen. Und zu vielem mehr.

Mit dem Literaturhaus arbeitet der „Visionär und Raumakrobat“, wie der 47-Jährige sich selbst bezeichnet, oft zusammen. So inszenierte er im Juni 2020 das „Museum der Langsamkeit“ – und verwandelte den Saal für einen Monat in einen „kontaktfreien, aber begegnungsreichen Ort der Kunst“: in eine begehbare Installation aus Papier und Lichtspiel, eine „theatrale Reise“ mit Texten, Tonspuren, Kurzfilmen und Zeichnungen, die einige vom Corona-­Lock­down ausgebremste Autor·innen eingesandt hatten.

Ein visionärer Raumakrobat

Das nächste gemeinsame Projekt geht im Oktober über die Bühne. Und es geht dabei wieder um eingesandte Texte, die dieses Mal von Kindern und Eltern, von Jugendlichen und jungen Erwachsenen stammen: In Anlehnung an Saša Stanišics erstes Kinderbuch „Hey hey hey Taxi“ veranstaltet das Literaturhaus einen Schreibwettbewerb zu diesem Thema. Die Texte werden dann bei drei nächtlichen Schlafanzuglesungen als Gute - Nacht - Taxi - Geschichten zu Gehör gebracht – in einer begehbaren Lausch-und-Liege-Installation, die eine Woche lang besucht und ausprobiert werden kann. Und die stammt aus den Werkstätten des Instituts für Sagenhaftes.

Valks Partner Jens Burde gestaltet in seinem Institut für Sagenaftes…

Bei der Szenographie für dieses Geschichtenerfinderprojekt denkt Jens Burde unter anderem an Schattenspiele. Und hier kommt denn auch seine Lebenspartnerin Vanessa Valk ins Spiel. Im Wortsinn: Die Figuren- und Schauspielerin ist bei dieser atmosphärischen Installation für die spielerischen Elemente zuständig – wie so oft bei den gemeinsamen Unternehmungen von „Bühnenfrau und Kulissenmann“.

Nächtliches Schattenspiel

Seit zehn Jahren arbeitet sie ebenfalls freiberuflich, kreiert eigene Stücke, führt Regie und baut die Figuren selbst – in den besagten Instituts-Werkstätten. Zuvor hatte sie eine Festanstellung am Theater Freiburg, wohin sie 2006 mit der damaligen Intendantin Barbara Mundel kam.

…Theaterbühnen und…

Die beiden Gestaltungskünstler arbeiten immer öfter zusammen – in Projekten, bei denen es um den Menschen und seine Bedürfnisse nach einem guten Leben geht, das im Einklang mit Natur und Umwelt steht. Und bei denen Nachhaltigkeit und Ästhetik eine Einheit bilden.

Ein solches Projekt war etwa die von ihnen initiierte Tierdemo gegen den Klimawandel im Oktober 2015, eine Performance, bei der 350 „Tiere“ (Freunde, Kinder, Nachbarn, Theaterleute) durch die Kajo tanzten – vom Hirsch auf Stelzen bis zur winzigen Maus. Mit von der Partie war auch das riesige hölzerne und pedalbetriebene mobile Spinnentier (Foto u. r.), das Burde im Jahr zuvor für die Barockoper „Hesch Affekte“ konstruiert hatte – in einer Kooperation mit dem Choreografen- und Tänzerpaar Graham Smith und Maria Pires, die das Stück für das Junge Theater Freiburg einstudiert hatten – mit mehr als 60 Viertklässlern der Vigeliusschule. Die beiden waren auch bei der sagenhaften Tierdemo dabei – und orchestrierten einen Pinguin-­Flashmob.

…Ausstellungen.

Mit diesem Künstlerpaar verbindet Vanessa Valk und Jens Burde nicht nur eine „fruchtbare Zusammenarbeit“. Sondern seit 2020 auch ein Preis: Im vergangenen Jahr wurde der Reinhold-Schneider-Preis der Stadt Freiburg erstmals auch in der Sparte „darstellende Kunst“ vergeben und ging prompt an diese vier Kulturschaffenden: Pires & Smith erhielten den Preis, Valk & Burde das mit 3000 Euro dotierte Stipendium. Die Begründung der Jury: Sie „machen mit ihren künstlerischen Arbeiten einen Kosmos erlebbar, der nicht zuletzt durch seine Materialität sehr nachhaltige, sinnliche und poetische Wirkung entfaltet.“ Die Verleihung ist für den 21. November im Theater Freiburg vorgesehen.

Fotos: © Vanessa Valk, Felix Groteloh, JensBurde, ewei