In Bücherwelten eintauchen: Literatur – Festivals & Verlage Kultur | 03.11.2020 | Erika Weisser

Frau die ein Buch ließt

Spätherbstzeit ist Lesezeit – in diesem Jahr ganz besonders. Bei Literaturfestivals in Basel, Freiburg und Karlsruhe gibt es Gelegenheiten, neue Bücher und deren Autoren kennenzulernen, auch kleine regionale Verlage warten mit Neuerscheinungen auf.

Literaturgespräch Freiburg

Literaturgespräch Freiburg

Lyrik und Jazz präsentieren Nora Gomringer, Philipp Scholz und Philip Frischkorn beim Freiburger Literaturgespräch.

Literatur im Kaufhaus
„Stern 111“ lautet das Motto der 34. Ausgabe des Freiburger Literaturgesprächs, das an vier Tagen 17 Autorinnen und Autoren miteinander und mit ihren Lesern ins Gespräch bringt. Bringen soll: Derzeit, sagt Katharina Knüppel vom Leitungsteam des Literaturhauses, stehe alles noch unter einem guten Stern. Und sie hofft, dass es so bleibt, dass die Pandemie keinen Strich durch das ebenso abwechslungsreiche wie anspruchsvolle Programm macht.

Das Team tue „alles uns Mögliche dafür, damit sich die Gäste sicher fühlen“. Deshalb finden fast alle Veranstaltungen im Kaisersaal des Historischen Kaufhauses statt: Dort haben unter Anwendung der erprobten Abstands- und Hygienekonzepte immerhin 80 bis 90 Personen Platz, ins Literaturhaus passen derzeit höchstens 40.

Zur Eröffnung am Donnerstag liest Lutz Seiler aus seinem Roman „Stern 111“, der mit dem Preis der Leipziger Buchmesse 2020 ausgezeichnet wurde und der das Motto liefert für das ganze Freiburger Literaturgespräch. Ein Roman, der vom November 1989 und damit von einer Zeit erzählt, in der für einen kurzen historischen Moment scheinbar alles möglich war – und in der eine Familie sich auf für immer getrennte Wege ins Unwägbare begibt.

Sein Titel bezieht sich auf das in der DDR sehr beliebte, mit einem Weltempfänger ausgestattete tragbare Kofferradio „Stern 111“. Er bezeichnet – das ist im aufwendigen Begleitheft zu lesen – „zugleich ein Bild für die Beweglichkeit der Sprache, für die Leichtigkeit des Reisens mit Worten, für den unmittelbaren Zugang zu anderen Lebenswelten“. Und genau darum, so Knüppel, gehe es gerade bei diesem Lesefest.

Zugang zu anderen Lebenswelten bietet etwa auch Dorothee Elmigers Roman „Aus der Zuckerfabrik“, der den Spuren des Geldes und Verlangens durch die Jahrhunderte und Kontinente folgt. Dieses waghalsige Werk stand auf der Shortlist für den deutschen Buchpreis – und steht noch in der Endauswahl für den Schweizer Buchpreis. Sie liest am Samstag daraus – einen Tag vor der Vergabe dieses Preises. Eine weitere klangvolle Lebenswelt öffnen Nora Gomringer, Philipp Scholz und Philip Frischkorn ebenfalls am Samstag mit ihren Lyrik-Jazz-Programm „Peng Peng Parker“, in dem sie teilweise trunkene Texte von Dorothy Parker, der New Yorker Autoren-Ikone der 1920er-Jahre, aufs Messerschärfste interpretieren.

Info
Stern 111
34. Freiburger Literaturgespräch
Donnerstag, 5. bis Sonntag, 8. November
Historisches Kaufhaus/Literaturhaus
www.literaturhaus-freiburg.de

 

Buch Basel

Dorothee Elmiger Basel Literaturfestival

Auf der BuchBasel liest Dorothee Elmiger aus ihrem neuen Roman.

Nähe auf Distanz
Das Internationale Literaturfestival BuchBasel ist ein paar Jahre jünger als sein Freiburger Pendant: In der Stadt am Rheinknie kamen 1998 zum ersten Mal überregionale Autoren zusammen, zum Freiburger Literaturgespräch kommen sie schon seit 1987. Und wie in Freiburg ist auch in Basel das Literaturhaus für die Programmgestaltung verantwortlich. Seit 2012 liegt die Leitung bei Katrin Eckert, der Intendantin des Literaturhauses; heuer teilt sie sich diese Aufgabe mit Marion Regenscheit.

Sie haben für die drei Festivaltage ein großartiges Programm auf die Beine gestellt. Und verkündeten am 19. Oktober die zuversichtliche Nachricht, dass die BuchBasel aller Voraussicht nach stattfinden wird – unter Einhaltung aller Schutzauflagen. „In einer Zeit, die ein neues Miteinander verlangt“, schreiben sie, wollen sie Räume schaffen, „in denen Nähe auf Distanz möglich wird“: Ein „schönes Festivalwochenende voller Literatur, bei dem die Gesundheit aller geschützt wird.“

In diesen Räumen sollen Begegnungen stattfinden mit Autoren, die über Grenzen nachdenken und über sie hinausgehen, die Wege zu solidarischem Handeln aufzeigen und „das liebe Leben in Bücher einschreiben“. Zu diesen Autoren gehört Ilija Trojanow, der das Festival am Freitag im Festsaal des Volkshauses Basel eröffnet. Der Autor, der in Bulgarien geboren wurde, in Deutschland und Kenia aufwuchs und jetzt in Wien lebt, schreibt nicht nur Texte, denen der eurozentrische Blick fremd ist. Er betätigt sich auch leidenschaftlich als Vermittler außereuropäischer Literaturen. Bei seinem Vortrag geht es um „Pandemie und Utopie“. Außerdem bringt er seinen neuen Roman „Doppelte Spur“ mit, aus dem er am Samstag im „Bonjour Basel“ liest.

Der Samstag ist vollgepackt mit Lesungen und Gesprächen, an verschiedenen Orten in der Innenstadt, viele davon in den Sälen des Volkshauses. Hierher bringt auch Uwe Timm sein Buch „Der Verrückte in den Dünen“ mit, in dem es auch um Utopie geht: „Über Literatur und Utopie“ lautet der Untertitel. Es sind aber auch einige Schweizer Autoren zu Gast bei der BuchBasel: Peter Stamm etwa oder Urs Zürcher, die ihre neuen Werke präsentieren. Außerdem kann das Publikum die Werke der fünf Autoren kennenlernen, die für den Schweizer Buchpreis nominiert sind, der am Sonntag im Basler Theater vergeben wird: Dorothee Elmigers „Aus der Zuckerfabrik“, Karl Rühmanns „Kein Held“, Charles Lewinskys „Der Halbbart“, Tom Kummers „Von schlechten Eltern“ und „Wild wie die Wellen des Meeres“ von Anna Stern.

Info
BuchBasel
Internationales Literaturfestival
Freitag, 6. bis Sonntag, 8. November
Volkshaus & andere Orte Basel
www.buchbasel.ch

 

Bücherschau Karlsruhe

Pehnt vor Glasfasade Karlsruhe

Kommt zur Bücherschau nach Karlsruhe: Annette Pehnt.

Literarisches Quartett
Die Karlsruher Bücherschau ist eine Mischung von Buchpräsentation und Kulturevent mit einer Ausstellung, Literaturverfilmungen, Autorengesprächen – und zwar für Jung und Alt: Es gibt auch Lesungen für Schulklassen. Neben der Präsentation von Neuerscheinungen verschiedener Verlage besteht immer die Gelegenheit zur Begegnung mit Autoren und Autorinnen – in Lesungen und Diskussionen. Das vom Landesverband Baden-Württemberg des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels veranstaltete Festival findet bereits zum 38. Mal statt, der besonderen Situation geschuldet allerdings mit eingeschränktem Zugang für Besucher und abgespecktem Programm.

Eröffnet wird dieses am Freitag, 13. November, mit dem literarischen Buchhandels-Quartett, in dem, ganz nach dem Vorbild von Marcel Reich-Ranickis legendären TV-Streitgesprächen, vier Karlsruher Buchhändler über aktuelle Neuerscheinungen diskutieren. Und nebenbei ihre persönlichen Buchtipps verraten. Möglicherweise gehören Anna Katharina Hahns „Auf und davon“ dazu – oder Annette Pehnts „Alles was Sie sehen ist neu“?

Diese beiden Autorinnen bestreiten das Auftakt-Wochenende der Bücherschau: Am Samstag entfaltet Hahn in ihrem vom 21. Jahrhundert ausgehenden Familienroman ein Panorama zwischen den Generationen, die einander immer weniger zu sagen haben. Pehnts Geschichte kommt im Gewand eines klassischen romantischen Reiseromans daher und ist am Sonntag zu erleben: Sie katapultiert die von einem freundlichen, doch plötzlich verschwundenen Guide betreute Reisegruppe – und damit die Leser – unvermittelt in die Abgründe diktatorischer Herrschaft.

Im Laufe der folgenden zwei Wochen, in denen Veranstaltungen für Schüler und Schülerinnen dominieren, gibt es dann noch einige andere Highlights für Erwachsene: Markus Orths liest aus „Picknick im Dunkeln“, einer urkomischen und todernsten Geschichte über die großen Fragen des Lebens, und Peter Prange beschreibt in „Winter der Hoffnung“ den schwierigen Übergang von der Nachkriegs- zur Wirtschaftswunderzeit. Bevor die Bücherschau am Sonntag, den 29. November mit einem Kindertag und „monstermäßigen Lesungen“ zu Ende geht, gibt es noch eine Begegnung mit der mysteriösen „Margarethe Reinhardt“. Eva Klingler und Wolfgang Wegner präsentieren ihre Biografie. 

Info
Karlsruher Bücherschau
Freitag, 13. bis Sonntag, 29. November
Regierungspräsidium am Rondellplatz, Karlsruhe
www.buecherschau.de

 

Nonsolo Freiburg

Zwei Frauen mit Urkunde in der Hand

Verlegerin Alessandra Ballesi-Hansen mit Autorin Igiaba Scego.

Mehr als ein Schreibtisch
Non solo – das heißt: Nicht nur. Und Nonsolo, der 2017 gegründete Freiburger Verlag, hat bisher zwar nur einen Schreibtisch und ein paar Regale in einem Raum über dem Kulturaggregat. Doch eben nicht nur das. Nicht nur von hier aus koordinieren Verlegerin Alessandra Ballesi-Hansen und ihre gleichfalls zweisprachigen Kolleginnen ihre Arbeit. Und Ziel dieser Arbeit ist es zwar, „zeitgenössischen italienischen AutorInnen durch Übersetzung eine deutsche Stimme zu geben“ – insbesondere dann, „wenn sie jung und/oder in Deutschland noch nicht bekannt sind“. Aber, wie gesagt, nicht nur solche: Anna Pavignano beispielsweise, deren von Ruth Mader-Coltay übersetzter Roman „Ohne Halt ins Blaue“ noch in diesem Jahr erscheint, ist hierzulande schon bekannt – etwa über Massimo Troisis Film „Il Postino“, für den sie das Drehbuch schrieb.

Der kleine Verlag bringt im Jahr zwei bis drei Bücher heraus – das erste, „Spiegelungen“, war sozusagen Verlagsprogramm: Es stellte „zehn neue literarische Stimmen aus Italien“ vor.

Nonsolo Verlag Freiburg
www.nonsoloverlag.de

 

Verlag junger Autoren

Portrait von Mann

Verlagsleiter Rüdiger Burghardt

Bandbreite in der Nische
Schon vor 20 Jahren gründete Rüdiger Burghardt seinen kleinen „Verlag junger Autoren“. Damals war er noch Lehrer, hatte gerade sein erstes Buch geschrieben und fand kein Medienunternehmen, das „einen solchen Roman hätte nehmen wollen“. Also entschloss er sich, selbst Verleger zu werden – nicht nur für seine eigenen Bücher, sondern insbesondere auch für die Werke junger, begabter Autoren. Leuten, die so gut schreiben, dass sie eigentlich veröffentlicht gehören, es aber nicht schaffen, „weil sie ein Thema haben, das die großen Verlage entweder nicht akzeptieren oder nicht zu deren Zielgruppe passt“, will er eine Plattform bieten. Er hatte ja unter seinen Schülern immer wieder Talente entdeckt, die zu fördern sehr lohnenswert gewesen wäre.

Inzwischen gibt er drei, höchstens vier Bücher im Jahr heraus – und hat immer noch viel Freude daran. Dabei ist die „Bandbreite sehr weit gefasst“: In seinem Nischen-Unternehmen erscheinen Sachbücher, Romane, auch Krimis und sehr gerne auch lyrische Werke, oft in Verbindung mit Kunst.

Verlag junger Autoren, Merzhausen
www.v-ja.de

Fotos: © iStock/PeopleImages, Michael Aust Ateliers XPO, Peter-Andreas Hassiepen, Felbert, Non Solo Verlag, privat