Kabarett meets Politics: Ulrich von Kirchbach und Kabarettist Matthias Deutschmann Kultur | 29.10.2024 | chilli

Freiburgs Kulturbürgermeister Ulrich von Kirchbach und der Kabarettist Matthias Deutschmann über Freiburg, Washington, Brüssel, Berlin – und ihre größten Jugendsünden.
Ulrich von Kirchbach (68) ist seit 2002 Kulturbürgermeister und seit 2018 Erster Bürgermeister von Freiburg.
Der Tag eines Kulturbürgermeisters beginnt mit…
… einem Morgenlauf, Lektüre der Badischen Zeitung und Frühstück.
Ich bin Freiburger, weil…
… ich die Stadt, die Lage, das Kulturangebot und die Menschen schätze.
Ich würde noch lieber in Freiburg leben, wenn…
… wir ausreichend Wohnraum und bezahlbare Mieten hätten.
Ich bin kein Kabarettist geworden, weil…
… mir die Politik all das bietet, über was sich Kabarettisten erst den Kopf zerbrechen müssen.
Ich würde aber gerne mal mit Matthias Deutschmann tauschen, weil…
… ich den Politikern immer schon mal auf humorvolle Weise die Leviten lesen wollte.
Bei den jüngsten Kommunalwahlen hat Freiburg ganz anders gewählt (Grüne klarer Sieger, SPD und FDP stabil, AfD kaum Stimmen gewonnen) als weite Teile der Republik, weil…
… die Freiburger sich eine eigene Meinung bilden und auch zwischen Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik unterscheiden können, weil sie auch nicht auf Vereinfachungen und Verfälschungen hereinfallen.
Wenn ich an die Ampel-Regierung in Berlin denke…
… bin ich der Überzeugung, dass das Ergebnis der Politik wesentlich besser ist als die öffentliche Wahrnehmung. Wenn ich allerdings an die Streiterei und an die Kommunikation denke, wünsche ich mir manchmal Kabarettist zu sein.
Von der Bundestagswahl im kommenden September erhoffe ich mir…
… leidenschaftliche Demokraten, die Deutschland sozialökologisch voran-bringen.
Über die US-Präsidentschaftswahl denke ich…
… es kann nur eine geben.
Die Zukunft der EU sehe ich so, dass…
… wir entweder Europa gemeinsam demokratisch gestalten oder im National-chauvinismus gemeinsam untergehen werden.
Meine größte Jugendsünde ist…
… mich als Kabarettist versucht zu haben.
Meine größte Heldentat ist…
… mir immer treu geblieben zu sein.
Matthias Deutschmann (66) ist mehrfach preisgekrönter Kabarettist, studierte in Freiburg und lebt seit 1991 wieder in der Stadt.
Der Tag eines Kabarettisten beginnt mit…
…analoger und digitaler Zeitungslektüre. Am liebsten um 5 Uhr früh.
Ich bin Freiburger, weil…
… mich diese Stadt geprägt hat. Sie ist eine Gemütlichkeitsfalle, aus der man sich nur schwer befreien kann.
Ich würde noch lieber in Freiburg leben, wenn…
… es einen Bürgermeister gäbe, der sich voll und ganz auf die Kultur konzentrieren könnte.
Ich bin kein Kulturbürgermeister geworden, weil…
… ich auf Gestaltung mehr Wert lege als auf Verwaltung.
Ich würde aber gerne mal mit Ulrich von Kirchbach tauschen…
… um die Fähigkeit zu erwerben allen zuhören zu können und an mehreren Orten gleichzeitig zu sein.
Bei den jüngsten Kommunalwahlen hat Freiburg komplett anders gewählt (Ampel: Grüne klarer Sieger, SPD und FDP stabil + AfD kaum Stimmen gewonnen) als weite Teile der Republik weil…
… die Freiburger es genauso gewollt haben. In unserer alten Habsburger-Stadt wurde die Fronleichnamsprozession von Christopher-Street-Day-Love-Parade überrollt. Das bekommt die Stadt auch an den Wahlurnen zu spüren. 17 Parteien auf 48 Sitzen. Das ist noch nicht das Ende der Vielfalt!
Wenn ich an die Ampel-Regierung in Berlin denke…
…dann assoziiere ich grünes Licht für Wagenknecht und die AfD.
Von der Bundestagswahl im kommenden September erhoffe ich mir…
…dass sie schon im März stattfindet.
Über die US-Präsidentschaftswahl denke ich…
… erst nach, wenn sie vorbei ist. Über Sinn und Unsinn amerikanischer Außenpolitik denke ich – präsidentenunabhängig und berufsbedingt – immer wieder gründlich nach.
Die Zukunft der EU sehe ich so, dass…
… mir ein Europa der Regionen am liebsten wäre. So wie es aussieht ist die Deutsche Einheit politisch nicht verwirklicht. Wohin geht die nationale Reise? Den Bismarckfans der AfD und den Reichsbürgern sei jedenfalls gesagt: im Schwarz-Weiß-Rot der geliebten Reichsflagge steht das Schwarz-Weiß für Preußen und das Rot für die Hansestädte. Der Süden kommt da gar nicht vor. Der Osten mag nach Osten streben – der Süden will im Westen leben. Alles klar?
Meine größte Jugendsünde…
… habe ich mir selbst vergeben.
Meine größte Heldentat ist…
…vermutlich die aktive Teilnahme an der Platzbesetzung in Wyhl am 23. Februar 1975. Ich war damals Mitglied der Jungen Union.
Foto: © privat, Anja Toelking