Kaffee aus Deutsch-Ostafrika: Stadtarchiv legt fundierte Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit Freiburgs vor Kultur | 02.03.2019 | Erika Weisser

Was lange währt, wird endlich Buch: Im Januar hat das Stadtarchiv eine Studie namens „Freiburg und der Kolonialismus“ veröffentlicht, die bereits 2013 über den Kulturausschuss des Gemeinderats auf den Weg gebracht wurde.

Darin liefern vier Historiker eine fundierte Analyse über die Verstrickung der Stadt Freiburg und ihrer Bevölkerung in die deutsche Kolonialgeschichte. Mit umfangreichem, aus akribischer Recherche zusammengetragenem Material zeichnen sie das Bild einer vom Kolonialismus stark geprägten Stadtgesellschaft.

Die koloniale Idee, schreibt Projektleiter Bernd-Stefan Grewe in seiner Schlussbetrachtung, sei bei den Freiburgern fester verankert gewesen als „dies in den bisherigen stadtgeschichtlichen Forschungen dargestellt wurde“. Die Überzeugung von einer „zivilisatorischen Überlegenheit der Deutschen gegenüber den kolonisierten Bevölkerungen“ sei in allen sozialen Schichten weit verbreitet gewesen: Im bürgerlich-nationalen und im katholischen Milieu sowie in der Arbeiterklasse hätten die meisten Menschen „ausgesprochen kolonial gedacht“.

Massenhafter Zulauf zur Freiburger Kolonialausstellung

Nicht nur zur Kaiserzeit, in der sich zahlreiche national-koloniale Verbände gründeten und das Völkerkundemuseum eingerichtet wurde: Die Begeisterung für die afrikanischen Kolonien, fanden Grewe und sein aus Johannes Theisen, Heiko Wegmann und Markus Himmelsbach bestehendes Team heraus, sei nach deren Verlust nach dem ersten Weltkrieg ebenso wenig verschwunden wie rassistisches Gedankengut. Das belegt eine Zeittafel am Ende des Buchs, in der sie den Ereignissen der deutschen Kolonialgeschichte die einschlägigen Aktivitäten in Freiburg gegenüberstellen.

Darin wird deutlich, dass die im Jahr 1919 im Paulussaal von den Freiburger Parteien abgehaltene große Kundgebung gegen „Kolonialraub“ nur der Beginn einer Reihe zahlreicher Veranstaltungen zu diesem Thema war. Während der Weimarer Republik und der Nazizeit wurden – unter anderem auch vom Arbeiterbildungsverein oder vom Frauen-Rotkreuz – gut besuchte Versammlungen und Vorträge organisiert. Bei diesen traten etwa der Kolonial-­Offizier Wilhelm Winterer und der Rassenhygieniker Eugen Fischer als Referenten auf. Höhepunkt dieser Veranstaltungen war die von der Stadt ausgerichtete „Reichskolonialtagung“ mit knapp 2000 Teilnehmern im Juni 1935; die gleichzeitig eröffnete Kolonialausstellung zum Thema Lebensraum zählte – bei damals etwa 100.000 Einwohnern – in zwei Monaten rund 25.000 Besucher.

Das Buch, betonte Bernd-Stefan Grewe bei der Präsentation, sei „nur ein Anfang“ der regionalen Kolonialforschung. Ein nächster Schritt sei die für 2021 geplante und vom Kulturamt organisierte große Ausstellung zum Thema. 

Freiburg und der Kolonialismus – Vom Kaiserreich bis zum Nationalsozialismus
von Bernd-Stefan Grewe, Markus Himmelsbach, Johannes Theisen, Heiko Wegmann
Stadtarchiv Freiburg, 2019
187 Seiten, gebunden
Preis: 24,50 Euro

Foto: © ewei