Lichtgestöber im Höllental: In ihren zweiten Lyrikband überwindet Marie T. Martin mehr als nur Wortgrenzen Kultur | 09.04.2021 | Erika Weisser

Autorin aus Freiburg Vielfach ausgezeichnet: Die Freiburger Lyrikerin Marie T. Martin begeistert mit ihren klangvollen Sprachbildern, die zum Nachdenken und Assoziieren anregen.

Nach knapp 20 Jahren in Leipzig und Köln ist die Autorin Marie T. Martin in ihre Heimatregion und nach Freiburg zurückgekehrt – mit einem kleinen, ausgesprochen feinen Lyrikband im Gepäck. „Rückruf“ lautet der Titel des facettenreichen Werks, das in den literarischen Feuilletons auf einhellige Begeisterung stieß.  

„Eine tiefe Freude“ empfindet die 38-jährige Schriftstellerin und Theaterpädagogin über den unerwarteten Erfolg ihres vierten, sehr schön und mit viel Liebe fürs Detail gestalteten Buchs, das wenige Monate nach seiner ersten Veröffentlichung bereits in der dritten Auflage erschienen ist. „Sehr viel Zeit“ hat sie in den vergangenen fünf Jahren mit dem Schreiben der lyrischen Texte verbracht, die das Werk laut FAZ zu einem „wegweisenden, womöglich epochalen Gedichtband“ machen.

Wie selbstverständlich und doch höchst kunstvoll verknüpft sie darin magische Ereignisse, Träume und Landschaften der Kindheit mit realen Orten, Begegnungen und Abschieden des Erwachsenenlebens. Über eigene Erlebnisse hinausgehend, spannt sie den weiten Bogen vom großen Glück bis zur tiefen Trauer, lässt sie die ganze Fülle des Daseins ebenso aufscheinen wie dessen Endlichkeit.

Um existenzielle, um alltags- und naturphilosophische Themen geht es in den Gedichten, die wortschöpferische Namen tragen wie „Blaufeld“, „Wabenwunsch“ oder Zauderfell. Sie lesen sich nicht leicht und schnell, verlangen jenen, die das Buch zur Hand nehmen, einiges ab: die Bereitschaft zum Nachdenken, zum Assoziieren, zum Zulassen eigener Empfindungen, zur wiederholten Lektüre, zum lauten Rezitieren. Doch wer sich darauf einlässt, wird mit einer ungewöhnlichen Gedankendichte belohnt. Zuweilen auch mit klangstarken Bildern – etwa in dem Gedicht, das Martin ihrem Hausacher Dichterkollegen José F. A. Oliver widmet: Darin tanzen Dämonen, „am Fuße des Höllentals, im Lichtgestöber“.

„Ich schreibe, seit ich lesen kann“

Genau dort, in Buchenbach, ist sie selbst aufgewachsen. Und dort, erzählt sie, unternahm sie ihre ersten literarischen Versuche: Sobald sie „das Alphabet beherrschte“, wurde sie zu einer leidenschaftlichen Leserin fantastischer und abenteuerlicher Geschichten; in der Grundschul-Bibliothek lieh sie sich jede Woche sechs Bücher aus, die sie „regelrecht verschlang“. Dabei entdeckte sie, wie aus „dem kreativen Umgang mit unseren 26 Buchstaben“ und den eigenen Wahrnehmungen von der Welt immer neue Geschichten entstehen können – und verfasste bald selbst eigene Texte. „Ich schreibe, seit ich lesen kann“, erinnert sich die Autorin, die für ihr Werk schon mit vielen Literatur-Preisen ausgezeichnet wurde.

Zunächst waren es kurze Geschichten, später, „so mit 13“, begann sie dann mit den ersten Gedichten. Dabei hatte sie „das große Glück“, nicht nur stets von ihren Eltern und insbesondere der Mutter in ihrem kreativen Tun unterstützt und ernst genommen zu werden, sondern mit ungefähr 15 auch an ein Projekt namens „Jugend schreibt“ zu geraten. Das wurde im damaligen Literaturbüro Freiburg angeboten, für junge Schreibende, die sich mit professioneller Anleitung über ihre Texte austauschen konnten. „Das war ein ganz wichtiger Ort für mich“, sagt sie. Und sie blieb dabei, bis sie zum Studium am Deutschen Literaturinstitut nach Leipzig ging.

Während all der Jahre ihrer Abwesenheit hat sie als freiberuflich tätige Kulturvermittlerin an diesem Ort selbst Schreibwerkstätten geleitet – und auch in zahlreichen anderen Städten. Das macht sie künftig von Freiburg aus. Und schreibt hier künftig ihre Bücher. Das fünfte hat sie natürlich schon im Kopf – mit „kleiner Prosa“. Man darf gespannt sein.

 

Buchcover: Rückruf.Gedichte

Rückruf. Gedichte
von Marie T. Martin
Verlag: Poetenladen 2020
96 Seiten, gebunden
Preis: 18,80 Euro

 

 

 

Foto: © Alexandra Heneka