Magisch: Verdis „Rigoletto“ bei den Bregenzer Festspielen Kultur | 02.08.2019 | Kornelia Stinn

Rigoletto-bei-Nacht

Als riesiges Open-Air-Spektakel rauscht derzeit Verdis Oper „Rigoletto“ über die Bretter der Seebühne in Bregenz. Mit dabei: Korrepetitor Andrea Mele vom Theater Freiburg und Kapellmeister Daniele Squeo vom Badischen Staatstheater in Karlsruhe.

Da sitzen 7000 Zuschauer auf der Tribüne. Atemlos. Fiebern mit, wie der Clown Rigoletto vom Kragen seines hölzernen Kollegen seine Arie in den Himmel hineinschluchzt. Dahinter versinkt der Sonnenball im Bodensee. Und dann ist sie da. Die Magie, von der Dirigent Daniele Squeo schon im Vorfeld inständig gehofft hat, dass sie die Zuschauer ergreift.

Squeo ist zweiter Dirigent und schwingt bei 16 Aufführungen den Taktstock – nicht etwa auf der Seebühne, sondern im Festspielhaus! Er muss das Orchester drinnen und die Sänger draußen koordinieren. Das geschieht über Monitore. Zum ersten Mal arbeitet er auf solche Distanz. „Ein ständiger Sicht-Kontakt“, sagt er, „ist nicht möglich, sonst können sie nicht spielen und nicht fühlen, verlieren die Beziehung zum Wesen der Musik und der Oper.“

Überwältigende Bühnenpracht

Unterdessen verfolgen die Zuschauer gebannt die lüsternen Machenschaften des Herzogs von Mantua. Staunen, wenn der breite Mund des riesigen hölzernen Clownskopfs sich öffnet und die große Sause bei Hofe in seinem Inneren offenbart.

Während das ganze turbulente Zirkusvolk mit Musikparade einmarschiert, öffnet sich die riesige hölzerne Hand und gibt die nächste Auserwählte frei. Die balanciert über den Zeigefinger geradewegs in die Arme des Herzogs. Dann schließt der Clown-Kopf den Mund und rollt vielsagend mit den Augen. Überwältigend vielfältig sind die wechselnden Gesichtsausdrücke – dank ausgefeilter Technik.

Rigoletto

Im Fokus des Seebühnen-Bilds: der riesige hölzerne Clownkopf. Mund und Augen öffnen sich nach Bedarf.

Und dann dieser Rigoletto, der Hofnarr, der Gespielinnen für den Herzog vermittelt und die gehörnten Ehemänner dann auch noch verhöhnt. Bis einer ihn verflucht. Makaber ist, als er erfolglos seine eigene Tochter vor dem Herzog schützen will und schließlich ungewollt zum Handlanger ihres Todes wird.

Im Stockdunkeln verzehrt sich der bunt Kostümierte mit den großen Ohren vor Angst um seine schöne Tochter Gilda. Der Sänger an diesem Tag – der Bulgare Vladimir Stojanov – hat einen so samtenen Schmelz in der Stimme. Selbst der erfahrene Squeo, Gewinner mehrerer Dirigentenwettbewerbe und seit 2016 zum Ersten Koordinierten Kapellmeister des Staatstheaters Karlsruhe ernannt, schwärmt mit andächtiger Stimme: „Ich finde, er hat eine Eleganz in der Stimme und in der Art zu singen, die mir als Dirigent und als Italiener unglaublich gefällt.“

Leuchtfeuer der Charaktere

Sind auch die Bühnendarsteller für die Zuschauer nur in Miniatur zu erkennen, so schillern die Charaktere dennoch prall, die Stimmen füllen die Atmosphäre. Darauf hat Andrea Mele seine Proben angelegt.

Seit Mai wohnen alle Mitwirkenden in Bregenz. Mele ist nun zum fünften Mal dabei – bislang allerdings nur im Festspielhaus und an den anderen Aufführungsorten. Auf der Seebühne ist er zum ersten Mal tätig und entsprechend aufgeregt. Genießt es aber auch, hier in einer Welt erfahrener internationaler Opernstars zu agieren.

Als besonders spannend empfand der 35-Jährige bei den Proben die Person der Gilda, die von drei verschiedenen Darstellerinnen auf die Bühne gebracht wird. „Es war schön für mich, zu erkennen, wie jede diese Rolle mit ihrer eigenen Persönlichkeit ausfüllt“, so der junge Italiener. „Eine ist mehr kindlich, eine andere hat einen stärker ausgeprägten Charakter.“ Aber gibt es nicht eine Leitlinie für eine Figur wie Gilda? Squeo, der zum dritten Mal in Bregenz dabei ist, lächelt. „Ich mache immer den Vergleich mit einer Bolognese. Diese kann einer schärfer machen als ein anderer. Beides ist aber eine Bolognese!“

Rigoletto

Überwältigend vielfältig sind die wechselnden Gesichtsausdrücke – dank ausgefeilter Technik.

Mele vermag es, die Rollencharaktere als Leuchtfeuer zu inszenieren, das kann man im „Rigoletto“ genauso miterleben wie noch kürzlich bei der Mozart-Oper „Don Giovanni“ in Freiburg. Für die Arbeit des Dirigenten ist es Voraussetzung, dass Mele die Rollen mit den Sängern einstudiert.

Nicht beeinflussen können sie die Tücken der Technik. Denn was 1946 auf zwei Kieskähnen begann, ist heute ein hoch technisches Spektakel. Alles hängt an einem seidenen Faden, wenn ein Aussetzer passiert. So hatte sich bei der Kostümprobe zu „Rigoletto” dieses Jahr die Natur eingemischt und den riesigen Ballon herumgeweht – genau an der Stelle, an der im Stück ein Unwetter vorgesehen war.

Wenn auf der Seebühne nicht gearbeitet wird, können Neugierige von der Promenade aus hereinspazieren. Oder sogar auf Fahrrädern an der Kulisse von Verdis schaurigschönem Spektakel um Liebe, Verführung und Intrige entlangfahren.

Info

www.bregenzerfestspiele.com

Foto: © Kornelia Stinn