Mehr als Bollenhut: Schwarzwald-Saga im Augustinermuseum Kultur | 14.05.2019 | Kornelia Stinn

Tillmann-von-Stockhausen

Bis zum 6. Oktober zeigt das Freiburger Augustinermuseum die Ausstellung „Schwarzwald-Geschichten. Black Forest Stories“. Hier versprüht ein illustres Malervolk Schwarzwald-Nostalgie.

Gerade ist im Augustinermuseum die Norwegen-Ausstellung abgebaut worden. „Es war das Land, wohin sich die ersten Künstler schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts auf Reisen begaben, um Landschaftsbilder zu malen“, schwärmt Museumsdirektor Tilmann von Stockhausen.

Doch auch der Schwarzwald war Anziehungspunkt für Künstler. Die ersten Bilder, die im Schwarzwald entstanden, zeigen mit Glasbläserei oder Arbeiten am Webstuhl das einheimische Handwerk. Auswärtigen Landschaftsmalern ermöglichte dann die Schwarzwaldbahn ab 1873 eine bequeme Anreise. Mit ihr fand sich nach und nach eine ganze Malerkolonie in Gutach ein. Zunächst kam im Jahre 1880 Wilhelm Hasemann von Mühlberg an der Elbe. Die liebliche Landschaft mit ihren typischen Bauernhöfen, den Menschen und ihren Bräuchen faszinierten bald auch seinen Schwager Curt Liebig und weitere Maler wie Gustav Schönleber, Friedrich Kallmorgen, Franz Gräßel und Fritz Reiss.

Zu einem Zeitpunkt, als die Schwarzwälder Tracht aus dem Alltag bereits verschwunden war, lichtete Hasemann Gutacherinnen in seinem Atelier stilgerecht als Vorlage für seine Gemälde ab. Er hatte eine Original-Schwarzwaldstube als Kulisse aufgebaut, die bis heute existiert. Als Nebeneinnahme solcher Arbeiten entstanden Werbe-Postkarten. Das Bild von Gütermann Nähfäden in der Hand von Hasemanns Schwarzwaldmädel sowie die Aufnahmen von Bollenhutträgerinnen der anderen Maler reisten um die Welt.

„Bis China wurde der Hut mit den roten Bollen zum Markenzeichen für den Schwarzwald“, so der Museumsdirektor, der selbst zwar in Lübeck an der Ostseeküste aufwuchs, jedoch als Kind so manche Sommerferien bei seiner Großmutter in Haagen bei Lörrach verbrachte. „Wir haben Ausflüge gemacht in Landschaften mit fantastisch blühenden Wiesen ohne Zäune. Wo die Natur aus kräftigem Grün explodiert“, erinnert er sich geradezu schwärmend. „Das gibt es so an der Küste nicht. Mitten in den Wiesen blühten Kirschbäume. Da sind wir dann auch hochgestiegen und haben Kirschen geklaut.“

Blühende Landschaften

In der Blütezeit der Schwarzwaldmalerei pinselten mehr als dreißig Künstler diese Landschaft naturnah in wildromantischer Pracht oder wetterbedingter Bedrücktheit auf ihre Leinwände. Die blühenden Landschaften, die Stockhausen beschreibt, tauchen auf vielen Bildern auf. Bisweilen klingen sozialkritische Untertöne an, wie etwa in dem Werk „Auf dem Heimweg“ von Franz Gräßel. Es zeigt eine erschöpfte Frau auf einem Bergpfad. Sie trägt einen Lastenkorb auf dem Rücken und hält ein Kind auf dem Arm.

Franz Gräßel gehört zu den in dieser Ausstellung vertretenen Malern, denen Stockhausen eine Einzelausstellung widmen möchte. „Er verdient es, genauer betrachtet zu werden. Seine Motive bewahren Vergängliches vor dem Verlorengehen“, so der Museumsdirektor. „Gerade in seinen frühen Bildern zeigt er Kulturwerte des Schwarzwaldes in einem impressionistischen Ansatz. Das hebt ihn ab von vielen seiner Kollegen, die in traditionell naturrealistischen Malweisen verhaftet bleiben.“ Wie etwa Karl Hauptmann, Hermann Dischler, Julius Heffner, Carl Schuster oder Ludwig Zorn. Diese schlossen sich 1899 als die „Breisgauer Fünf“ zusammen.

Auch künftig soll die REGIO im Fokus bleiben. „Qualitätsvolle Malerei von Schwarzwaldmalern bleibt weiterhin ein Thema für uns“, verspricht von Stockhausen. Auf die große Bilderschau zu Franz Xaver Winterhalter im Jahr 2015/16 soll mit einer Einzelausstellung 2021 Johann Baptist Kirner folgen. Und Hans Thoma, dessen 100. Todestag 2024 begangen wird, steht Ende 2023 auf der Agenda. Als Professor der Großherzoglichen Kunstschule Karlsruhe war er prägend für viele Schwarzwaldmaler. Seine „Schwarzwaldwiese bei Bernau“ wird das einzige Werk der Ausstellung sein, das nicht zum Sammlungsbestand des Augustinermuseums gehört. Der Freundeskreis will es von einer Privatperson erwerben, die es 2018 in einem Kölner Auktionshaus für 45.150 Euro ersteigerte.

Augustinermuseum

Die Thoma-Sammlung zeigt Landschaftsbilder und einige Porträts.

Zur Thoma-Sammlung des Augustinermuseums gehören neben Landschaften auch einige Porträts. Der Bernauer Maler hat mit diesen Bildern dazu beigetragen, dass Menschen aus dem Schwarzwald „ein Gesicht“ bekommen, wie es von Stockhausen ausdrückt. In welcher Weise prägte eigentlich die Landschaft damals die Menschen? Welche Unterschiede tun sich da zwischen den am Meer Lebenden im Vergleich mit den Schwarzwäldern auf?

„Man lebte hier wie da ausgesprochen nah an der Natur“, sagt von Stockhausen. „Es waren deren Widrigkeiten, die beide verbanden.“ Beide hatten zudem den Blick über die Grenzen der eigenen Region hinaus. Die Menschen an der Küste als Seefahrer, während die Menschen im Schwarzwald zum Beispiel als Uhrenträger nach England und als Flößer in die Niederlande gelangten, erklärt der 53-Jährige.

Die Bilder der Schwarzwaldmaler fügen sich zu einem schillernden Puzzle der Geschichten dieser Landschaft und ihrer Menschen. Mit der „Protegierung“ des Bollenhutes haben sie dann auch noch den wohl größten Marketing-Coup des Schwarzwaldes gelandet.

Info

Schwarzwald-Geschichten.
Black Forest Stories
bis 6. Oktober
Augustinermuseum Freiburg
www.freiburg.de/museen

Fotos: © Kornelia Stinn, Augustinermuseum, Ludwig Thoma_Schwarzwaldwiese von 1874/© Augustinermuseum