»Nein ist Nein«: Breisgauer Narrenzunft entwickelt Awareness-Konzept Kultur | 13.02.2025 | Till Neumann

Gewalt, Grapschen, Sexismus. Neben Jubel und Freude sorgt die Fastnacht auch für Negativschlagzeilen. So stieg in Köln in der Narrensaison 23/24 die Zahl der Sexualdelikte auf 80 (im Vorjahr 57). In Horb verhielten sich zwei Narren übergriffig gegenüber einer Reporterin. Solche Fälle haben Konsequenzen: Basel hat 2024 Regeln gegen Rassismus und Sexismus aufgestellt. Gemeinden schränken den Alkoholkonsum ein. In Freiburg arbeitet die Breisgauer Narrenzunft (BNZ) an einem Awareness-Konzept. Eine Beratungsstelle gegen sexualisierte Gewalt begrüßt den Vorstoß.
„Eine Selbstverständlichkeit“
Eins möchte Zunftmeister Uwe Stasch klarstellen: „Es ist nicht so, dass wir Probleme hätten an der Stelle. Aber wir gucken in die Gesellschaft und wie es um uns herum ist.“ Und da werde es an der Fastnacht nicht anders sein als sonst. „Deswegen ist es für uns eine Selbstverständlichkeit, dass wir an so Konzepten arbeiten.“
Stasch meint ein Awareness-Konzept. Die BNZ erarbeitet es mit der Fachstelle „nachtsam“ Freiburg. „Wir wollen das Gefühl von einer gewissen Sicherheit auch in einer professionellen Art anbieten“, betont Stasch. Themenfelder sind Gewalt, Rassismus und Sexismus. Es gehe auch um Dinge, die aus dem Brauchtum entstanden sind, die heute politisch nicht mehr korrekt seien.

Schon lange dabei: Zunftmeister Uwe Stasch
„Eine Selbstverständlichkeit“
Zum Beispiel, dass Hexen beim Umzug gezielt junge Frauen auf die Straße ziehen? „Das hat sich verändert“, sagt Stasch. Der Umgang mit Umzugsteilnehmern sei viel reflektierter geworden. „Es ist nicht mehr so, dass man jeden da einfach mitzerrt und auch unbedingt anfasst.“ Es könnte aber dennoch passieren. So geschehen beispielsweise in Horb am Neckar, als bei einem Umzug zwei Hexen eine SWR-Reporterin zu Boden zerrten und eindeutig sexuelle Gesten machten. Stasch betont, es müsse klar sein: „Ein Nein ist ein Nein.“ Genau wie bei anderen Großevents – zum Beispiel im Stadion – könne man Vergehen nicht ganz ausschließen. Die Polizei melde jedoch zurück, dass die Umzüge für die Größenverhältnisse sehr ruhig verlaufen würden.
Seit 30 Jahren mischt Stasch bei der Fastnacht mit. Er betont: „Es gibt da keine negative Spirale oder Entwicklungen.“ Die BNZ habe ein gutes Sicherheitskonzept mit kurzen Wegen. „Mit Ruß im Gesicht malen, Schnürsenkel klauen, mit Karbatschen (Peitschen) oder Pyrotechnik hantieren – da haben wir ganz klar ein Verbot oder die Bitte, das zu unterlassen.“ Auch der Umgang mit Alkohol sei viel reflektierter geworden.
„Verbindung ist nicht abzustreiten“
Eine Idee ist, Betroffenen sichere Orte zu bieten. Stasch erklärt: „Ich würde mich, wenn ich sexuell belästigt werden würde, auch nicht an jeden wenden wollen. Das haben wir gesehen und sind darauf hingewiesen worden.“ Betroffene sollen an Orte geleitet werden, wo sie gut betreut werden können. Im Raum steht zudem, ein Code-Wort zu finden, das genannt werden kann, um Hilfe zu bekommen.
Bei der Freiburger Beratungsstelle „Frauenhorizonte“ gegen sexualisierte Gewalt wird der Vorstoß begrüßt: „Dass die Fasnacht generell mit sexualisierter Diskriminierung in engerer Verbindung steht, ist nicht abzustreiten“, sagt Sprecherin Pia Kuchenmüller. Das beziehe sie nicht speziell auf die Breisgauer Narrenzunft. Sie findet es wichtig, Zünfte und Gilden gut aufzustellen und Konzepte zu erarbeiten. Auch Abläufe bei Festen und Umzügen festzulegen und Ansprechpersonen zu benennen, sei richtig. Genau wie über die Musikauswahl oder Zoten an Zunftabenden zu debattieren. Fastnachtsverbände würden sich proaktiv an ihre Beratungsstelle wenden. „Sicherlich aus gutem Grund.“
„Sehr offene Community“
Stasch stellt klar: „Jeder Fall, der passiert, ist einer zu viel.“ Als Veranstalter möchte die BNZ Vorreiter sein. „Wir sind hier die Ersten, die einen breiten Aufschlag dazu machen.“ Dass das Konzept auf Gegenwind stößt, kann er sich nicht vorstellen. „Ich glaube, wir haben in Freiburg eine sehr offene Community.“
Auch im Elsass werden die Narren aktiv: Sieben Gemeinden haben sich auf eine Charta geeinigt, die Alkohol mit mehr als 18 Prozent auf Umzugswagen verbietet. Manche Gemeinden gehen sogar noch weiter. Für den traditionellen Umzug am 2. März im elsässischen Mothern gibt es ein komplettes Alkoholverbot für Besuchende. Auch in Colmar gab es ähnliche Verbote und Freiburgs Nachbargemeinde Gundelfingen verbietet schon seit einiger Zeit Alkohol ab 15 Prozent.
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Fotos: © Till Neumann, Patrick Seeger
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