Sarah Lesch im Jazzhaus: Wut und Euphorie Kultur | 05.11.2021 | Pascal Lienhard

Sarah Lesch und Band

Was macht sie aus, die Musik von Liedermacher·innen? In dem Genre werden Geschichten erzählt und Zustände kritisch hinterfragt. Das trifft auch auf die Musik von Sarah Lesch zu. Doch sie fügt dem Genre noch andere Zutaten bei: gute Laune, Redseligkeit und ja, sogar Tanzbarkeit. Das hat sie bei ihrem Konzert im Jazzhaus am Donnerstag unter Beweis gestellt.

Punkige Attitüde, intime Atmosphäre

Der erste Eindruck im gut gefüllten Jazzhaus: Die Fanbase von Sarah Lesch ist breit gefächert. Hier ein grauhaariger Mann im Hemd, dort ein knutschendes Pärchen, hier die Studierenden. Sogar einige Kinder haben ihren Weg in den traditionsreichen Keller gefunden. Lesch scheint der Liedermacher-Szene einen ordentlichen Boost zu verschaffen und sie aus ihrem Nischendasein zu holen.

Das dürfte auch am Charisma der 35-jährigen Musikerin aus Leipzig liegen. Leicht erkennt man, wie viel Spaß sie auf der Bühne hat. Und wie sie da steht, mit Rastas, Tattoos und Piercings würde man ihr auch die Frontfrau einer lärmenden Punkband abnehmen. Von der Attitüde, die in Songs wie dem gesellschaftskritischen „Testament“ durchscheint, mag das sogar stimmen. Doch musikalisch ist sie in ganz anderen Gefilden unterwegs. Zusammen mit Johannes Bigge an den Tasten und Erik Manouz an Gitarren und Schlaginstrumenten kreiert die Musikerin eine intime Atmosphäre. Bei einer Handvoll Songs gibt es Unterstützung vom gebürtigen Heitersheimer Lukas Meister.

Mal bedrückend, mal euphorisch

Als Liedermacherin ist Lesch auch Geschichtenerzählerin. Das gilt für sie auch abseits der Musik. Kaum ein Song kommt ohne ausführliche Ansage aus. In diesen erzählt sie aus ihrem Leben, erklärt Hintergründe zu Songs oder äußert sich dezidiert zu gesellschaftlichen Themen. Dabei ist der Titel ihres in zwei Wochen erscheinenden fünften Albums Programm: „Triggerwarnung“. Die Künstlerin nimmt kein Blatt vor den Mund und spricht auch unangenehme Themen an.

So etwa auf der Auskopplung „Drunter machen wir’s nicht“. Die Nummer kommt zwar musikalisch beschwingt daher. Textlich ist die feministische Hymne jedoch eine wütende Abrechnung. Großen Mut beweist sie mit „Schweigende Schwestern“. Die Künstlerin spricht in dem Songtext das Thema Missbrauch an und kritisiert, dass nach wie vor Täter gedeckt und Opfer beschuldigt werden. Ihre klare Ansage entgegen der Täter: „Sprecht ihre Namen, bis jeder sie hört!“

Doch es muss nicht immer so bedrückend sein. Songs wie „Reise Reise Räuberleiter“ und vor allem der Rausschmeißer „Nichts“ sorgen für ausgelassene Stimmung. Das ist auch eine Kunst der Musikerin: Hängt das Publikum ihr im einen Moment betroffen an den Lippen, wird im nächsten wieder euphorisch gefeiert. Ein tanzendes Jazzhaus: Nicht unbedingt das, was man mit einer Liedermacherin verbindet – aber Sarah Lesch ist ja auch keine gewöhnliche Musikerin.

© Foto: Pascal Lienhard