So bewerten die Gemeinderats-Fraktionen den Freiburger Haushaltsentwurf kulturpolitisch Kultur | 19.02.2021 | Lars Bargmann, Philip Thomas

Freiburger Barockorchester Besonders schwer getroffen: Das renommierte Freiburger Barockorchester hatte im vergangenen Jahr 150.000 Euro aus der Stadtschatulle bekommen und zählt auch 2021 wieder zu den Kandidaten einer höheren Förderung.

Die Fraktionen und Gruppierungen im Freiburger Rathaus kritisieren den von Oberbürgermeister Martin Horn und Finanzbürgermeister Stefan Breiter vorgestellten Entwurf für den Doppelhaushalt (DHH) aus kulturpolitischer Sicht mal moderat, mal schonungslos hart. Eine Umfrage.

„Aus kulturpolitischer Sicht ist der Entwurf ein echtes Desaster für die Kulturszene in Freiburg. Die lang geforderte Dynamisierung der Zuschüsse war hart erkämpft und wurde im letzten Doppelhaushalt 2019/20 erstmalig umgesetzt. Sie soll einen Beitrag leisten, die oft prekären Arbeitsbedingungen im Kulturbereich zu verbessern. Diese nun als eine der ersten Maßnahmen in der Pandemie zu streichen, wird die Situation der Künstlerinnen, Künstler und Kultureinrichtungen geradezu verschärfen. Das ist für uns nicht hinnehmbar! Wir werden 26 Anträge stellen, etwa einen mit 350.000 Euro gefüllten Fördertopf für von Corona besonders betroffene Einrichtungen, für Clubs und Musikspielplätze, zudem Geld für eine Biennale, eine Auflage von ‚Ins Weite‘ des KoKi, ein Chorfestival, das Lichtkunstfestival der Fabrik, für Multicore und auch erstmalige institutionelle Zuschüsse, etwa für die Alemannischen Bühnen oder das Klassenzimmer-Theater.“
Irene Vogel und Emriye Gül für die Fraktionsgemeinschaft EINE STADT FÜR ALLE (7 Sitze)

„Die finanzielle Lage der Stadt ist nicht gut und Kultur ist sicherlich auch kein Schwerpunkt der Stadtspitze. Insofern hat man sich entschieden, alles beim Alten zu lassen. Wir sind enttäuscht, dass von der Verwaltung nicht wenigstens ein Corona-Rettungstopf für die Kultur eingeplant wurde. Wir haben lange Jahre dafür gekämpft, dass der Kulturbereich endlich den anderen Politikfeldern gleichgestellt wird, wo immer die Kosten für Tariferhöhungen in den städtischen Zuschüssen berücksichtigt wurden. Es ist schlecht, dass wir hier wieder eine Rolle rückwärts machen, aber die Kultur wird hier nicht schlechter behandelt als andere Bereiche. Wir müssen Einrichtungen unterstützen, die besonders durch die Corona-Krise betroffen sind – vom Freiburger Barockorchester bis hin zu den Schönen der Nacht. Wir müssen Räume sichern und erhalten, denn Räume für die Kultur sind Mangelware. Und wir müssen Projekte fördern, die man nicht schieben kann, etwa den Tanzpakt. Da muss Freiburg jetzt Mittel bereitstellen, um am Geldsegen durch Bundes- und Landesprogramme im Bereich Tanz zu partizipieren. Gerade weil unsere Kassen knapp sind. Zur Gegenfinanzierung unserer Anträge wollen wir beim Augustinermuseum und dem Stadtjubiläum sparen.“
Anke Wiedemann für die GRÜNEN-Fraktion (13 Sitze)

„Die Kultur wird nicht im Stich gelassen. Die Pandemie hat natürlich die Kultur wie andere Branchen hart getroffen. Die Dynamisierung musste ausgesetzt werden, dieser Schritt ist schmerzlich, aber angesichts der Haushaltslage unausweichlich. Dass die Ansätze in der Kultur gleich geblieben sind, ist angesichts der Haushaltslage keine Selbstverständlichkeit. Es gab auch schon Beratungen, in denen alle Zuschüsse pauschal gekürzt wurden. Für mich ist der Entwurf ein Zeichen der Wertschätzung gegenüber der Kultur. Grundsätzlich dürfen Zuschüsse aus Steuergeldern keine Selbstläufer sein, und sie sind auch nicht selbstverständlich. Ich würde ein Verfallsdatum bei allen Zuschüssen sehr begrüßen. Grundsätzlich legen wir den Fokus auf Projekte, die mit ihrer Arbeit einen tatsächlichen Mehrwert für die Stadtgesellschaft leisten, wirtschaftlich haushalten und Eigeninitiative ergreifen.“
Christoph Glück für die Fraktionsgemeinschaft FDP und Bürger für Freiburg (4 Sitze)

„Die nächsten zwei Jahre sind kulturpolitisch kaum planbar. Wann es wieder losgeht, weiß derzeit niemand. Für viele bedeutet der DHH eine Kürzung. Das ist eine Schwierigkeit, aber in der Gesamtsituation des Haushaltes war das leider nicht anders möglich. Wir wollen das abgekoppelt betrachten von der Pandemie. Es ist wichtig, dass wir flexibel reagieren können. Dass die Dynamisierung der Zuschüsse ausgesetzt wird, ist keine Überraschung. Die Projektförderung bei der Tanzplattform ist zwar ausgelaufen, aber natürlich wollen wir die Tanzszene weiter unterstützen. Wir beantragen einen 200.000-Euro-Nothilfe-Fonds. Und haben außerdem zwei winzige Anträge für den Jazzchor und die Community-Oper. Wichtig ist eine inhaltliche Prüfung, es soll nicht mit der Gießkanne, sondern nach Bedarf vom Kulturamt ausgeschüttet werden. Unter dem Strich ist der jetzige Haushalt für uns so in Ordnung.“
Carolin Jenkner für die CDU-Fraktion (6 Sitze)

„Uns liegt die Kultur in Freiburg sehr am Herzen, insbesondere eine bunte Kulturlandschaft, in der Musik, Literatur, Tanz, Film berücksichtigt sind, ebenso wie alles von der Moderne über das Bodenständige bis hin zur Klassik. Der Schwerpunkt muss darauf liegen, diese Vielfalt in schwierigen Zeiten zu erhalten, nicht aber jedwedes Kulturschaffen zu fördern. Der vorgelegte Entwurf ist recht einfallslos. Der Ansatz darf nicht sein, Förderung einzufrieren, sondern man hätte in die Tiefe gehen müssen und die Bereiche filtern, die überhaupt eine Chance haben zu überleben, wichtig für die Kulturlandschaft sind und alle Bereiche in allen Facetten abbilden. Die Stadt geht hier den Weg des geringsten Widerstandes ohne jede Vision. Wir haben 41 Änderungsanträge gestellt und beantragen auch, die KTS nicht mehr zu fördern. Solange dort die Antifa und vom Verfassungsschutz beobachtete Gruppierungen Unterschlupf finden, verbietet sich eine Förderung. Diese 180.000 Euro wären in einer Tanzplattform besser angelegt, an der Alemannischen Bühne oder auch beim ZMF, um eine überregionale Leuchtturmveranstaltung zu erhalten.“
Detlef Huber für die AFD (2 Sitze)

„Der Entwurf ist sehr konservativ. Natürlich haben wir andere Pläne und werden kulturpolitische Schwerpunkte legen. Die Kulturschaffenden sind von der Krise besonders hart getroffen, das Ausbleiben von automatischen Erhöhungen ist schade, wurde aber so in allen Bereichen eingeplant. Dadurch gesparte Gelder wollen wir in Notfalltöpfe reinvestieren, um denen zu helfen, die es dringend nötig haben. Wir werden vor allem Anträge stellen, um das Nachtleben zu retten. Es soll ein Innovationsfonds eingerichtet werden, um neue Projekte und Veranstaltungsreihen zu unterstützen, die trotz oder nach Corona stattfinden können. Das soll die Szene dazu animieren, kreativ zu werden und sich finanziell wieder zu sichern. Die Akteur*innen der Nachtkultur, Spielstätten und Gastronom*innen, Vereine und Gruppierungen zu vernetzen und zu unterstützen, ist eine riesige Aufgabe. Die bisherige halbe Stelle ist dem nicht gewachsen, deshalb fordern wir eine zusätzliche Stelle im Popsupport. Darüber hinaus unterstützen wir etwa das Festival ‚Ins Weite‘ und erhöhen den Zuschuss von Multicore Freiburg, um den Betrieb von Proberäumen in der Karlsruher Straße zu ermöglichen.“
Sergio Pax für die Fraktionsgemeinschaft JUPI Freiburg (5 Sitze)

„Dass die beschlossene dynamische Anpassung der Zuschüsse, entsprechend den Lohnsteigerungen im öffentlichen Dienst, wieder aufgehoben werden soll, ist ein klarer Wortbruch und verheerend. Unsere Fraktion wird geschlossen dagegen stimmen. Durch die pauschale Dynamisierung kommt bei den Kulturschaffenden zumindest etwas mehr Geld an. Auch haben wir die Tariferhöhungen aufgenommen. Diese Erhöhungen stehen den Bediensteten und Angestellten zu. Natürlich ist uns aber bewusst, dass gerade die Kulturschaffenden es sind, die durch die Corona-Pandemie teilweise enorme finanzielle Einbußen zu verzeichnen haben. Allerdings hat Corona auch auf den städtischen Haushalt negativ Einfluss genommen. Dies im Blick behaltend, können keine großen Mehrausgaben veranschlagt werden. Deswegen stellen wir auch keine weiteren Anträge. Wir tragen mit diesem DHH auch für die nachfolgenden Haushalte Verantwortung.“
Johannes Gröger für die Fraktion Freie Wähler (3 Sitze)

„Dass die Lohnerhöhungen auch im Kulturbereich ausfallen, ist verständlich, auch wenn es für die Kulturschaffenden unbefriedigend ist. Wie ‚Freiburg Lebenswert‘ schon sagt, unterstützen wir alles, was die Stadt lebenswerter macht, und dazu gehört selbstverständlich ein breites kulturelles Angebot, das entsprechend finanziell auszustatten ist. Dasselbe gilt für soziale Initiativen, aber eben auch für Breitensport oder Freizeitangebote, weswegen wir ein Eisstadion mit zwei Eisflächen oder ein Außenbecken am Westbad für dringend erforderlich halten. Für zweitrangig halten wir dagegen die Erfüllung des Wunsches von Nicht-Freiburgern nach einer Wohnung in Freiburg. Für eine Mehrheit der Bürger und eine sehr große Mehrheit des Gemeinderates aber hat das Erfüllen dieses Wunsches oberste Priorität. Deswegen werden Unsummen in neue riesige Baugebiete wie Dietenbach gesteckt und es bleiben Westbad, Eisstadion und auch die Kultur auf der Strecke. Um es auf einen Nenner zu bringen: Die Lebensqualität der Freiburger Bürger muss zurückstehen vor dem Wunsch nach massivem Bevölkerungswachstum.“
Wolf-Dieter Winkler für Freiburg Lebenswert (1 Sitz)

„Der Entwurf weist keinerlei kulturpolitische Schwerpunkte auf. Dabei hätte es die Kultur gerade besonders verdient. Im Gegenteil: Eine Verschiebung des NS-Doku-Zentrums um ein Jahr, ein fatales Zeichen, die Streckung des Ausbaus des Kleinen Hauses um viele Jahre, ein Aussetzen der Dynamisierung der Zuschüsse, nach 20 Jahren mühsam erstritten, war ein Zeichen der Wertschätzung. Das trifft die Kultur ungleich härter als alle anderen Einrichtungen im sozialen und im Jugendbereich. Der Tanzpakt Freiburg hängt an der städtischen Teilfinanzierung. Dafür muss unbedingt ein Antrag für eine Verlängerung um weitere drei Jahre gestellt werden. Zudem Anträge für die Reihe ‚Ins Weite‘ vom Koki, Kunstbiennale, Tanzpakt, Chornacht, Theater im Marienbad, Theater Panoptikum, Multicore, Alemannische Bühne, Ensemble Aventure, Freiburger Barockorchester, Jazzchor, Kubus, T66-Kulturwerk, Opera Factory und ensemble recherche. In der Verwaltung findet ein bürokratischer Umgang mit der Kultur statt, nicht mal ein Corona-Hilfefonds für in Not geratene Kultureinrichtungen wurde angegangen, das ist schon ein schwaches Bild. Den Hilfefonds mit 300.000 Euro werden wir nun beantragen.“
Atai Keller für die Fraktionsgemeinschaft SPD/Kulturliste (7 Sitze)

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Foto: © Britt Schilling