Souveräner Selbermacher: Stimmkünstler Johannes Jäck gewinnt Landespreis Kultur | 28.02.2021 | Till Neumann

Johannes Jäck Erfolgreich: Johannes Jäck von der A-cappella-Band Anders kann nicht nur singen und beatboxen.

Mit seiner A-cappella-Formation Anders ist Johannes Jäck seit vielen Jahren aktiv. Jetzt bastelt der 27-jährige Musiker nebenher an der Solokarriere. Gerade hat der Freiburger mit einem sehenswerten Video einen Preis abgestaubt. Die Band bleibt aber „Herzensprojekt“. Ihre Devise: So viel selbst machen wie möglich.

Die Info verbreitete sich im Sommer wie ein Lauffeuer: Die BW Stiftung rief dazu auf, Musikvideos einzureichen. Die ersten 1000 Einsendungen bekamen beim „Klangspektrum BW“ jeweils 1500 Euro. Für Corona-geplagte Künstler eine Stange Geld. Auch Johannes Jäck erreichte die Nachricht. „Wow, cool, da sollte ich sofort mitmachen“, dachte er sich. Schnell war die Idee geboren, den Song „By Night“ einzureichen, den er für seinen Bachelor-Abschluss geschrieben hatte. Nur das Video fehlte noch.

Eile war geboten, die 1000 Plätze könnten schnell vergeben sein. Also bereitete er den Track vor und setzte sich zu Hause in Szene. „Meine Freundin hatte Stoffwände genäht“, erinnert sich Jäck. Eine eigene Kamera und das nötige Recording- Equipment waren eh griffbereit.

Einen halben Tag habe er für das Video gebraucht, berichtet Jäck beim Zoom-Interview. Aufnehmen, den richtigen Take auswählen, abschicken. Ein Schnellschuss. Do it yourself in Reinform, DIY wie man neudeutsch sagt. Anzusehen ist dem Ergebnis die Eile nicht: Im roten Hemd steht der Freiburger Lockenkopf vor blauem Hintergrund und performt „By Night“. One Take und komplett live ist das Video entstanden. Soll heißen: Es hat keinen einzigen Schnitt, Bild und Ton sind zeitgleich entstanden.

Was mit einem einfachen melodischen Summen startet, entwickelt sich in vier Minuten zu einer akustischen Meisterleistung: Jäck kombiniert Beatbox und Gesang, lässt die Elemente verschmelzen, als wären mehrere Personen am Werk. Wie viele Instrumente er dabei imitiert? Da muss er selbst nachzählen. „Drums, Bass, Synthies, Gesang, ein paar Effekte …“ Den Song vorab aufzunehmen und danach das Video zu drehen, sei nicht möglich gewesen, berichtet Jäck und lacht. Gerade im jazzigen Mittelteil habe er viel improvisiert. Das geht nur live.

Die Jury der BW Stiftung war von Jäck begeistert: „Er hat uns in der Kategorie ‚Populäre Musikstile’ ganz besonders überzeugt!“, schreibt sie. Der Freiburger Sänger und Trompeter bekommt überschwängliches Lob: „Absolut bewundernswert“ sei das Werk. „Johannes Jäck braucht als Instrument nur seine Stimme. Herauskommt nicht nur tightes und technisch perfektes Beatboxing, sondern ein echter Popsong.“

Die 4500 Euro steckt er in Equipment fürs Studio

Für Jäck bedeutete die Auszeichnung Ende 2020: Zusätzlich zu den 1500 Euro gab es 3000 Siegprämie obendrauf. Ob das Geld schon verprasst sei? „Teilweise ja“, sagt Jäck. Er habe sich ein Hallgerät fürs Homestudio gekauft und möchte zudem in Mikrofone investieren. Da wird schnell klar, wohin die Reise gehen soll: tiefer rein ins Musiker- und Produzentenuniversum.

Schon jetzt ist der Mann breit aufgestellt. Noch in Schulzeiten gründete er mit zwei Kollegen seine A-cappella- Gruppe Anders. An der Musikhochschule Freiburg hat er Trompete und Gesang studiert. Seit dem Sommer macht er in Basel einen Master in Musikproduktion. Außerdem singt er im Jazzchor, produziert auch für andere Acts, arrangiert Songs und wandelt neuerdings auf Beatbox-Solopfaden. Dass er dort gleich einen Preis abgestaubt hat, macht den Bandkollegen keine Sorgen: „Anders ist von keinem von uns das einzige musikalische Projekt“, erklärt Johannes Berning. „Wenn wir uns da bei jedem Mitsänger Sorgen machen müssten, hätten wir keine ruhigen Nächte mehr.“ Zumal das gekaufte Equipment fürs Studio eh auch der ganzen Band zugutekomme.

Anders Bandfoto

Eingespielt: Anders aus Freiburg verkaufen keine Waschmaschinen, sondern machen A-cappella-Pop. Sie haben mehrere Preise gewonnen.

„Anders ist mein Herzensprojekt“, betont Jäck. Mit der Gruppe hat er seit 2019 mehrere Preise gewonnen. 35 Konzerte spielte die Formation 2019. Dann kam die Krise. Ihr Ziel ist, auf 50 Konzerte im Jahr zu kommen. Das reiche, um zur Hälfte davon zu leben, sagt Jäck. Die Band ist in der Krise am Ball geblieben. Im November haben sie ein Video zu ihrem Hozier-Cover „Movement“ herausgebracht. Fein arrangiert, sauber gesungen, sphärisch inszeniert. Den Clip haben sie in Eigenregie in Köln gedreht, berichtet Jäck. Nur ein paar hundert Euro habe das Ganze gekostet. Auch da zeigt sich der -DIY-Ansatz. „Musikvideos sind sonst scheißteuer“, sagt Jäck. „Wenn man es gescheit machen will, kosten sie gerne mal 2000 bis 5000 Euro.“

Schon vor der Krise hat sich die Band für mehrere tausend Euro eine Kamera geholt. Mit der hat Jäck auch „By Night“ gefilmt. Autark arbeiten zu können, zahlt sich aus. In Pandemie-Zeiten erst recht. Den Anspruch, „anders“ als andere Bands zu sein, haben die Musiker nicht. Ihr Name steht für Vielfalt, erklärt Berning. „Er spielt mit den unterschiedlichen Charakteren der Band. Jeder ist auf seine Weise anders.“ Dabei war es doch ungewöhnlich, als sie in der achten Klasse angefangen haben. „Zugegeben, es war für pubertierende Jungs in unserem Alter eher abwegig, auf der Bühne zu stehen, zu singen und dazu auch noch zu tanzen“, erzählt Berning.

Zu ernst wollen sie sich auch heute nicht nehmen. Dennoch haben sie ernstzunehmende Ambitionen. Erst recht mit einem Beatboxer, der mehr kann als nur begleiten. Auch Freiburgs Beatbox-Aushängeschild Julian Knörzer von Unduzo gibt sich beeindruckt: „Es ist fast ein bisschen unheimlich, was Johannes alles kann und macht.“ Knörzer ist sicher: „Man wird noch viel von ihm hören.“ Da dürfte er recht haben. Aktuell arbeitet Jäck an einem Song mit dem „German Beatbox Champion“ Madox.

Fotos: © Johannes-Jäck/Baden-Württemberg-Stiftung; Felix Groteloh