Tüfteln am Tiny House: Wie zwei Südbadener ihr Traumhäuschen bauen Bauen & Wohnen | 18.08.2018 | Till Neumann

Klein, ökologisch, mobil: Tiny Houses sind eine minimalistische Alternative zur großen Wohnung. In Zeiten steigender Mieten sind die Häuschen angesagter denn je: Tchibo hatte sie kürzlich im Angebot. Im Juni stieg in Karlsruhe das erste Tiny House Festival Deutschlands. Auch in der Region gibt es Anhänger der Bewegung: Ein Besuch bei zwei Tüftlern in ihren winzigen Eigenheimen.

 
Braune Holzwände, rote Fenster,  weißes Dach. So sieht Hanspeter Brunners Tiny House (Bild oben) aus. 2013 hat er mit dem Bau begonnen. Als Erster in Deutschland. „Pionierarbeit“, sagt der Rentner. Er sitzt auf einem Holzstuhl im Wohnzimmer seines Häuschens. Blaumann, grauer Bart, schwarze Kappe. Neben ihm ein Bücherregal, ein Kamin, ein Radio. Alles winzig, tiny eben.
 
„Früher war in jeder Ecke noch was zu machen“, erzählt Brunner. Heute fühle er sich wohl. Nach fünf Jahren Bauzeit mit einigen Unterbrechungen und vielen Aufs und Abs kann er sagen: „Hier möchte ich gerne leben.“ Funktionieren könnte es: Neben dem Wohnzimmer ist die Küche mit Herd, Ofen und Gaskochplatten. Einen Schritt weiter steht man im Bad mit Bio-Kompost-Toilette und Dusche. Geschlafen wird oben. Mit einer mobilen Holzleiter kann er hochkrabbeln, gemütlich sieht’s dort aus. Und klein.
 
Acht Quadratmeter misst das „Black Forest Tiny House“ mit schnuckeliger Terrasse. Es steht auf einem kleinen Grünstreifen in Staufen. „Ich habe ein Gewichtsproblem“, sagt Brunner. Fast drei Tonnen wiegt sein auf einen Anhänger gebautes Eigenheim. Um es zu bewegen, braucht er ein kräftiges Auto und viel Geduld. Kürzlich tuckerte er zum Tiny House Festival nach Karlsruhe. Höchstgeschwindigkeit: 60 Sachen. Sein größter Fehler sei ein 23 Millimeter starker Zwischenboden aus Seekiefer. Zu dick, zu schwer. „18 Millimeter FichteDielen hätten gereicht.“
 

Pionier: Hanspeter Brunner hat als Erster in Deutschland ein Tiny House gebaut.

 
Die Konstruktion hat Nerven gekostet. Anleitungen oder Tipps waren anfangs fast keine verfügbar. Also suchte er sich alles selbst zusammen und probierte aus. Den Ofen hat er aus England, den Heißwasserbereiter von Ebay.  „Der Bau hat mich verändert“, sagt Brunner. Man müsse loslassen von vielem, „seinen ganzen Kram eindampfen“. Beim Einkaufen hat er sich mehrfach dabei erwischt, Überflüssiges in den Wagen zu legen. Jetzt lässt er die Finger davon, sagt sich: Nein, das brauche ich nicht. 
 
Seine Erfahrungen hat er auf black-forest-tiny-house.com festgehalten. Ganz fertig ist sein Eigenheim noch nicht. Bei der Toilette klemmt’s und ein paar Details müssen angepasst werden. Deutschlands erster Tiny-House-Bauer ist aber kurz vor dem Ziel: Im Herbst oder Frühjahr möchte er einziehen. Ausprobieren, wie es sich anfühlt, auf acht Quadratmetern zu leben.
 
Weniger ist mehr – das gilt auch für einen 62-Jährigen, der seinen Namen nicht in der Presse lesen möchte. Er baut seit drei Jahren an seinem Tiny House in Endingen. Das Konstrukt mit weißen Wänden und gelben Fenstern steht auf einem Grundstück zwischen zwei echten Häusern. Der Hund tollt herum, die Sonne lacht. Inspiriert hat ihn ein Bericht über Hanspeter Brunner. Das Ziel des Allround-Handwerkers: maximaler Komfort auf minimalem Platz. Im Vergleich zu Brunners Exemplar ist sein Häuschen nicht tiny: 21 Quadratmeter groß, vier Meter hoch und 3,5 Tonnen schwer.
 
Im ersten Stock gibt’s sogar Couch und Schreibtisch. „Alles muss zwei Funktionen haben“, sagt er. Seine Fenster schließen mit der Halterung von Bierbügelflaschen. Für den Bau ist er wie Brunner oft an seine Grenzen geraten. Momente der Verzweiflung gebe es immer wieder. Bis die nächste zündende Idee kommt. So schwer es auch ist, bisher hat er alles selbst hinbekommen. Er ist ohnehin überzeugt: „Ganz fertig wird man nie.“
 

Marke Eigenbau: Der 62-jährige Handwerker im Wohnzimmer seines Tiny Houses in Endingen.

Für zwei Personen seien die 21 Quadratmeter zu klein, sagt der Häuslebauer. Dennoch ist er gegen „Vereinzelung“ in der Gesellschaft. Waschmaschinen könne man sich teilen wie vieles andere auch. Gemeinschaft sei wichtig. Er könnte sich gut vorstellen, mit anderen Tiny House-Bewohnern zusammen zu wohnen. In Berlin gibt es eine solche Siedlung bereits als Kunstprojekt. 100 Euro Miete zahlt man dort. „Heute wirken die kleinen Häuser noch exotisch. Aber in zehn Jahren werden sie normal sein“, sagt Initiator und Architekt Van Bo Le-Mentzel.

Trotz des Trendssind Brunner und Co. weiterhin Exoten. Rund 200 Menschen leben ganz oder teilweise in Deutschland in Tiny Houses, schätzt Isabella Bosler. Die Bauberaterin für Minihäuser betreibt die Seite tiny-houses.de. Von rund 3000 täglichen Besuchern berichtet Bosler.
 
In Zeiten des Umweltschutzes, steigender Mobilität und Reizüberflutung gebe es einen „ziemlichen Hype“. Das sei mittlerweile auch in den Bauämtern angekommen, wo sich in den kommenden zwei Jahren einiges tun dürfte, prophezeit die Expertin. Klar ist: Wer fest in einem Tiny House wohnen möchte, braucht eine Baugenehmigung – wie bei jedem anderen Haus auch.
 
Auch Hanspeter Brunner weiß das. Er ist in der Tiny-House-Szene bekannt und hat schon viele Mails mit Fragen zum Hausbau beantwortet. Er könnte sich gut vorstellen, sein Wissen weiterzugeben. In Form von Video-Tutorials oder einem E-Book. Damit andere beim Bau nicht verzweifeln müssen wie er einst selbst.
 
Fotos: © Till Neumann
 

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