Unsere Welt lesen: Straßburg ist Unesco-Welthauptstadt des Buchs Kultur | 17.05.2024 | Erika Weisser

Eine Frau liest ein Buch am einem Fluss.

„Welthauptstadt des Buchs“ – mit diesem Titel zeichnet die UN-Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur (Unesco) Städte aus, die das Lesen in besonderem Maße fördern. Heuer fiel die Wahl auf Straßburg: bis zum 22. April 2025 darf sich die Eurometropole mit diesem Attribut schmücken.

„Et la lumière fut“ – auf Deutsch: „Und es wurde Licht“: Der biblische Satz ist an einem Denkmal wiedergegeben, das sich auf einem großen Platz im engen Straßengeflecht inmitten der Altstadt Straßburgs erhebt. Allerdings müssen Flanierende schon weit hinaufschauen und gute Augen haben: Die bronzene Statue des sehr gelehrt wirkenden Mannes, der ein Buch mit dieser Aufschrift in den Händen hält, steht auf einem hohen Sockel. Zudem ist das Deckblatt auch noch leicht nach oben geneigt. Eine gute Kamera mit Zoom kann da Wunder wirken.

Kameras kommen oft zum Einsatz auf diesem riesigen, mit Bäumen und Blumenrabatten begrünten Platz am Rand des Quartier de la Cathédrale. Von imposanten Gebäuden sowie vielen kleinteiligen Fachwerkhäusern mit Bistros und Geschäften umgeben, ist dieser „Place Gutenberg“ (elsässisch: Guteberriplatz) benannte Ort ausgesprochen fotogen. Obendrein bietet sich von hier aus ein faszinierender Blick auf den Turm des gerade einmal 200 Meter entfernten Münsters. Und es herrscht reges Leben um das dauerhaft installierte Karussell und das Denkmal, das Johannes Gutenberg gewidmet ist. 

Eine Statue von Gutenberg

Lesen verbindet über Grenzen hinweg: Was mit Gutenbergs Erfindung begann, soll in Straßburg bei vielfältigen Veranstaltungen erlebbar werden.

Der Erfinder des Lettern-Buchdrucks lebte von 1434 bis 1444 in Straßburg. Seine Erfindung ist zwar erst für die Zeit nach der Rückkehr nach Mainz verbrieft, doch laut Historiker Georges Bischoff dürfte Gutenberg schon hier „die entscheidenden Entwicklungsschritte auf dem Weg zu dieser bahnbrechenden Neuerung“ zurückgelegt haben. Jedenfalls wurde ihm bereits 1840 dieses von Bildhauer David d’Angers geschaffene Denkmal gesetzt. Dabei bezieht sich die Lichtwerdung nicht allein auf die berühmte Gutenberg-Bibel als erstes Produkt der neuen, geradezu revolutionären Art der Buchproduktion. Er knüpft auch an die Ideen der Aufklärung an, die ohne die innovative Technik nicht die Verbreitung und somit universelle Bedeutung gefunden hätten, die sie bis heute haben.

Es ist natürlich nicht nur Gutenberg zu verdanken, dass Straßburg – als erste französische Stadt über-­haupt – für 2024 zur Unesco­-­Welt­hauptstadt des Buchs ernannt wurde. Auch wenn zu den Auswahlkriterien gehöre, dass das gedruckte Wort der „Verbreitung des Geists des Humanismus und der Freundschaft zwischen den Völkern in der ganzen Welt“ diene, wie Odile Lassère, Chefkonservatorin des Historischen Museums, sagt, die im Rahmen des „Hauptstadt“-­Programms die Ausstellung „Place à Gutenberg“ konzipiert hat, die dort von Juni 2024 bis Februar 2025 zu sehen sein wird. 

Den Herausforderungen der Gegenwart begegnen

Voraussetzung ist vor allem ein lebendiges und inklusives literarisches Leben – und daran mangelt es in Straßburg mit 40 Verlagen, 25 Buchhandlungen, Dutzenden Bibliotheken und regelmäßigen Lese-Ereignissen nicht. Wichtiges Kriterium sei dabei auch, dass der Gedanke eines humanistischen und demokratischen Ansatzes von Bildung und Zusammenleben sich auch im Alltag einer Stadt und in allen ihren Bereichen und Quartieren widerspiegle, erläutert Kulturbürgermeisterin Anne Mistler, in deren Amt das vielfältige Programm mit dem Motto „Lire notre Monde“ – „Unsere Welt lesen“ auf die Beine gestellt wurde. Deshalb will das mit vielen Akteuren aus allen möglichen Bereichen rund um das Medium Buch erarbeitete Jahresprogramm auch alle in Straßburg lebenden Menschen einbeziehen, wie Oberbürgermeisterin Jeanne Barseghian bei der Eröffnungsfeier am 23. April betonte. Die Lesungen, Mitmach-­Events und Kulturveranstaltungen sollen deshalb nicht nur über die Bühnen der üblichen Orte gehen. Sondern auch hinaus in die Vororte – und in die rechtsrheinische Nachbarstadt Kehl.

Das Programm:
www.lirenotremonde.strasbourg.eu

 

Fotos: © Ville de Strasbourg, Christophe Hamm