Versteckte Zeitzeugen Kultur | 29.09.2024 | Till Neumann
Zeitkapseln gibt es schon länger. Auch im Freiburger Münster. Das sind in Steinen versteckte Dinge für die Nachwelt.
Schüler·innnen aus Freiburg haben nun drei Zeitkapseln verewigt. Die Idee dazu hatte Hüttenmeister Uwe Zäh (54). Er erzählt im Interview mit chilli-Redakteur Till Neumann, warum solche Schätze auch mal 1000 Jahre überdauern.
chilli: Herr Zäh, Schüler·innen haben im Juli Zeitkapseln in einen Münsterstein gesetzt. Wie kam es dazu?
Zäh: Wir hatten eine Reparatur an einem Sandstein. So kam uns die Idee. Wenn man eh schon eine Öffnung schafft, könnte man sie tiefer machen und eine Zeitkapsel einbauen.
chilli: Wie viele liegen im Münster?
Zäh: Offiziell bekannt sind uns zehn. Drei aus diesem Jahrhundert, vier aus dem letzten. Dann gibt es noch drei, bei denen man es nicht genau weiß. Vermutlich stammen sie aus dem 16.oder 17. Jahrhundert.
chilli: Ist das irgendwo verzeichnet?
Zäh: Die Zeitkapseln hat man zufällig gefunden. Das ist zum Beispiel in Geschäftsberichten dokumentiert.
chilli: Die Zeitkapseln sind weiter im Münster?
Zäh: Genau. Geöffnet hat man die wenigsten. Das war nur in den 20er-Jahren der Fall. Da hat man in drei Zeitkapseln aus dem 16./17. Jahrhundert reingeguckt. Es ist bloß in Textform überliefert, was da drin ist. Die anderen hat man nicht geöffnet, weil man weiß, was drin ist. Und weil wir sie beschädigen könnten.
chilli: Was ist in den Kapseln?
Zäh: Bei einer aus den 20er-Jahren steht geschrieben, was Dinge des alltäglichen Lebens kosten und was man verdient hat. Die alten Zeitkapseln waren religiös. Da finden sich Wetter abwehrende oder Gebäude schützende Dinge. Zum Beispiel eine Münze mit einer Maria drauf oder ein Holzkreuzchen. In den neueren Kapseln findet man Sachen, die man der Nachwelt überliefern mag. Wie jetzt zum Beispiel hier in dem Schülerprojekt mit einem Smartphone, einem USB-Stick und einem Corona-Test.
chilli: Wie lange bleiben sie versteckt?
Zäh: So lange, wie der Stein hält. Wenn er irgendwann saniert werden muss, werden sie die Stelle sehen und anhand von dem Format wahrscheinlich Rückschlüsse ziehen können, dass da was drin ist, weil das eine sehr ungewöhnliche Stelle ist. Wir hoffen natürlich, dass das erst in vielen 100 Jahren passieren wird.
chilli: Also möglicherweise für immer?
Zäh: Immer ist ein großes Wort, aber für eine sehr, sehr lange Zeit. Mehrere 100 Jahre.
chilli: Für wen sind diese Zeitkapseln?
Zäh: Für den, der sie findet. Also für niemand Spezielles. Es ist nicht wirklich gesagt, dass sie jemals gefunden werden. Wir beobachten das Münster, kennen jeden Quadratzentimeter. Aber was ist schon in ein paar 100 Jahren? Das kann man nicht wissen und das macht es so spannend.
chilli: Eine Art Flaschenpost im Stein?
Zäh: Ja, eine Flaschenpost, die irgendwann mal ankommt.
chilli: Gibt es das in allen größeren Kirchen oder Kathedralen?
Zäh: Das wollen wir ergründen. Offizielle Zeitkapseln gibt es immer wieder. Aber es gibt auch inoffizielle. Ich weiß von älteren Kollegen, die im Ruhestand sind, die haben schon mal eine Getränkeflasche mit einer Botschaft versteckt. Und das ist nicht verzeichnet.
chilli: Was würden Sie als Zeitkapsel gerne mal ins Münster legen?
Zäh: Das haben wir auch überlegt. Wenn jeder ein Los zieht von den Mitarbeitern und über den anderen einen Brief schreibt. So was fände ich witzig – ohne Korrektur gelesen zu haben.
Fotos: © Till Neumann