„Wollen Vorreiter sein“ Wallgraben Theater testet solidarisches Preissystem Kultur | 22.02.2025 | Till Neumann

Wallgraben Theater

Kultur hat ihren Preis. Im Freiburger Wallgraben Theater kann trotzdem seit Oktober jeder so viel bezahlen, wie er möchte. Es gibt vier Preiskategorien von 16 bis 35 Euro. Das „solidarische Preis-
system“ will erreichen, dass ein Theaterbesuch „kein Luxusgut ist“. Was dahintersteckt und warum die Preise angehoben wurden, erzählt Sprecherin Elisabeth Kreßler (39) im Interview mit Till Neumann.

cultur.zeit: Frau Kreßler, Sie haben ein neues Preissystem eingeführt. Warum?

Kreßler: Theater sollte als Spiegel der Gesellschaft nicht elitär, sondern jedem zugänglich sein. Natürlich gibt es in den meisten Theatern Preisstaffelungen oder Ermäßigungen – aber nur bei Berechtigungsvorlage. Bei uns braucht es die nicht mehr. Bei den gestiegenen Lebenshaltungskosten gibt es Situationen, in denen man sich das Ticket nicht leisten kann. Wir wollen Theater jedem möglich machen, indem wir dem Publikum mehr Selbstverantwortung übertragen. 

cultur.zeit: Wie kommt das an?

Kreßler: Das allgemeine Feedback ist sehr positiv. Wir haben nun Anfang Januar nach drei Monaten eine erste Bestandsaufnahme gemacht. Da wir experimentieren, mussten wir feststellen, dass der 21-Euro-Standardpreis zu niedrig angesetzt war, um die Kosten zu decken. Reservix-Gebühren zum Beispiel hatten wir außen vorgelassen. Deshalb haben wir das System etwas modifiziert: Ab Februar bekommt neben dem Theaterpreis (Mittwochs Einheitspreis 18 Euro) auch der Samstag einen Festpreis (25 Euro / erm. 16 Euro). An allen anderen Tagen gilt weiter das Soli-Preissystem. Wir haben die drei mittleren Preiskategorien um jeweils zwei Euro angehoben (16/23/30 Euro). Außerdem gibt es die Kategorie „Ich mach’s möglich“ für 35 Euro sowie ein kleines Kontingent an Karten zu 7 Euro („Ich bin dabei“) an der Abendkasse.

  Neuland: Elisabeth Kreßler und ihr Team vom Theater an der Rathausgasse wagen 
neue Preise. Auch für ihr aktuelles Stück 
„Eine Stunde zweiundzwanzig vor dem Ende“.

Neuland: Elisabeth Kreßler und ihr Team vom Theater an der Rathausgasse wagen neue Preise. Auch für ihr aktuelles Stück „Eine Stunde zweiundzwanzig vor dem Ende“.

cultur.zeit: Das heißt, Sie haben seit Einführung des Preismodells weniger umgesetzt?

Kreßler: Richtig. Wir sind Pioniere in der Theater-Szene mit diesem System. Soli heißt aber nicht, dass wir als Privattheater so nächstenlieb sein können, Tickets zu verschenken. Das System muss sich selbst tragen. Die, die mehr geben können, können mit diesem System Leuten, die es sich nicht leisten können, Theater ermöglichen. Dazu erhalten wir sehr viel positives Feedback.

cultur.zeit: Kennen Sie Anbieter, die Vergleichbares machen?

Kreßler: Kaum. Es gibt meines Wissens wenige Theater in Deutschland mit Soli-Preissystem. Sonst kenne ich es eher von Cafés. Da zahlst du ein Essen mit und finanzierst es damit einer anderen Person. 

cultur.zeit: Wie kommt es, dass gerade das Wallgraben Theater diesen riskanten Schritt geht?

Kreßler: Gute Frage. Wir sind ein Privattheater, haben ein sehr hohes Risiko. Aber es gibt uns seit fast 72 Jahren. Wir haben viele gesellschaftliche Veränderungen miterlebt. Jetzt wollen wir Vorreiter sein und eine Vorbildfunktion haben. Ich bin zuversichtlich, dass sich das mit der kleinen Modifizierung jetzt auch trägt.

Fotos: © Mathias Lauble, Felix Groteloh