Barrierefrei & mittendrin – Netzwerker Bruno Stratz Land & Leute | 05.07.2025 | David Pister

Bruno Stratz war zehn Jahre lang Beauftragter für Menschen mit Behinderung im Kreis Emmendingen. Weil seine alte Wohnung nicht rollstuhlgerecht war, zog er vor einiger Zeit nach Freiburg. Hier ist das Leben, hier fühlt er sich wohl. Und sein Engagement für ein barrierefreieres Leben hört für den 72-Jährigen noch lange nicht auf.
Bruno Stratz ist längt da. Der Espresso Macchiato fast leer, noch eine Zigarette, der Blick geht schon weiter. Der 72-Jährige ist im besten Sinne rastlos. Basecap, Chucks, Mimik – nichts an ihm wirkt alt. Gut, wenn er sein Handy zückt, um einen Namen oder eine Veranstaltung nachzuschlagen, wandert die Ray Ban auf die Kappe, die Lesebrille auf die Nase. Stratz – schnell, wach, neugierig – passt hierher. Ins Fili Café an der Kajo, seinem Stammplatz mitten im Trubel: „Freiburg ist eine junge Stadt. Alle sind nett und hilfsbereit.“ Ende 2023 ist er hergezogen – die alte Wohnung in Emmendingen war nicht rollstuhlgerecht. Seit 1974 ist Stratz querschnittsgelähmt.
Ruhestand? Kein Thema!
Mit dem Umzug endete auch seine Zeit als Behindertenbeauftragter im Kreis Emmendingen. Zehn Jahre Ehrenamt. Davor zwanzig Jahre im Landratsamt – zuerst Bauzeichner. Und jetzt endlich Ruhestand? Stratz lacht. „Nein“, sagt er, „ich kann mir jetzt aber besser aussuchen, wo ich meine Energie reinstecke.“ Ein Thema, das ihn besonders beschäftigt: Inklusion von Menschen mit Behinderung und Migrationshintergrund. Schon seit 2008 begleitet er einen Menschen aus Nigeria mit Rollstuhl und hilft ihm, am Leben in Deutschland teilnehmen zu können.
Stratz ist Netzwerker. Beim Tiny-House-Hostel „Das Viertel“ am Augustinerplatz wurde er für die Gestaltung eines rollstuhlgerechten Zimmers angefragt. „Das ist ein klasse Projekt. Man ist nicht separiert. Sondern mit dabei, mitten in der Stadt.“
Auf seine Zeit als Behindertenbeauftragter schaut Stratz gerne zurück. Der Höhepunkt: die Umsetzung des barrierefreien Bahnhofs in Emmendingen. „Da könnte sich der Freiburger Bahnhof eine Scheibe abschneiden“, sagt er. Ansonsten ist Stratz mit seinem neuen Wohnort zufrieden. „Freiburg hat eine Altstadt. Ich kann nicht den Münsterplatz zuteeren. Aber man könnte ihn durch runtergeschliffene Pflastersteine barrierefreier gestalten.“ Er klopft auf sein elektrisches Handbike. „Auf dem Ding komme ich rüber. Aber das gilt nicht für alle Rollifahrer.“
Der 72-Jährige genießt die kleine Großstadt und die freie Zeit: „Ich mache Touren mit meinem Handbike. Ich bin frei, kann ins Kino, Theater, zur Banksy-Ausstellung. Das gibt’s in Emmendingen so nicht.“
„Du brauchst jemanden, der mit dir geht“
50 Jahre ist Bruno Stratz im Rollstuhl. „Ich habe verdammt gut gelebt. Ich habe eine große Familie. Als Mensch mit Behinderung brauchst du jemanden, der mit dir geht. Da hatte ich einfach Glück.“ Das Einzige, was noch fehlt. Ein Traum, den sich Stratz gerne erfüllen würde: ein Buch zu schreiben. „Wie Hemingway mit Whiskey in Paris oder halt auf Teneriffa.“
Foto: © David Pister