Gemeinsam kreativ: Die Stegener backen im Backhäusle Land & Leute | 10.05.2023 | Jennifer Patrias

Pizzaboden im flammenden Steinofen

Es ist nicht zu übersehen: Im Garten des ökumenischen Gemeindezentrums in Stegen steht das frisch gemauerte Backsteinhäuschen. Es lockt begeisterte Einheimische an die frische Luft und verwandelt einmal im Monat den gesamten Dorfplatz in einen geselligen Treffpunkt.

„Wir hatten 10.000 Euro von einem Modeoutlet zur Verfügung gestellt bekommen, die wir für einen sozialen Zweck verwenden sollten“, erklärt Brigitte Schork, Vorsitzende des verantwortlichen Vereins „Miteinander Stegen“. Um die Mitbürger in die Entscheidungsfindung miteinzubinden, hat man einen Ideenwettbewerb ins Leben gerufen, bei dem klassische wie auch ausgefallene
Ideen eingereicht wurden. „Ein Vorschlag war das Backhäusle. Das hat uns allen gefallen, da es etwas für Jung und Alt ist. Dafür haben wir uns dann auch entschieden“, sagt die Vorsitzende des Vereins. Der Ofen wurde als Bausatz gekauft, Planung sowie Bauleitung einem Bauingenieur übergeben. Den Rest des Hausbaus übernahmen an den Wochenenden freiwillige Helfer aus der Gemeinde. „Wir sind noch nicht ganz fertig, denn der Putz fehlt noch. Aber das sind zum Glück nur noch Kleinigkeiten“, sagt die Stegenerin.

Alte Tradion – neu belebt

Doch woher kommen eigentlich Backhäuser? Und warum wurden sie errichtet? Wirft man einen Blick in die Geschichte, dann reicht die Tradition bis in die Antike. In Europa sind die ersten Häuschen für das 14. Jahrhundert nachgewiesen, die flächendeckende Verbreitung allerdings erst im 17. Jahrhundert. Grund für die Einrichtung von Gemeinschaftsbackhäusern waren damals nicht nur immense Brandschäden in den Häusern, sondern auch Holzeinsparungen. In den 1960er-Jahren wurden viele Backhäuser abgerissen, da Bäckereien und verbesserte Öfen im Eigenheim sie überflüssig machten. Der ideelle Wert des gemeinschaftlichen Backens wurde erst später wiederentdeckt. So auch in Stegen, wo sich die Bürger 2022 bewusst für ein Backhaus entschieden haben.

Brigitte Schork

Brigitte Schork freut sich auf die Fertigstellung des Backhäusles (u.) in diesem Sommer.

Im September wurde das erste Mal geheizt – allerdings ohne Backwerk. Das Feuer wird direkt im Backraum des Ofens entfacht und brennt so lange, bis das Thermostat circa 400 Grad anzeigt. Anschließend entfernen die zuständigen Freiwilligen die Glut und lassen den Ofen noch einmal bis zu einer Stunde ruhen, damit sich die Wärme gleichmäßig verteilen kann. „Das war ganz gut für den Probelauf, denn wir mussten erst einmal schauen, wie viel wir heizen müssen, um die optimale Temperatur zu erreichen“, erklärt Schork.

Seit Januar veranstaltet der Verein an einem Samstag im Monat einen öffentlichen Backtag – mit vollem Erfolg. „Es kommen wirklich viele Leute. Meistens sind wir zwischen 20 und 30 Personen“, sagt die Vereinsvorsitzende. Zugänglich ist das Backhäusle für Stegener und Auswärtige – solange es nicht überhandnimmt. Eine Anmeldung für den jeweiligen Backtag ist allerdings Pflicht. „Beim ersten Mal war es ein wenig chaotisch, denn es wurde viel mehr gebracht, als angemeldet war“, sagt Schork. Beim zweiten Mal lief es entspannter ab, denn Anmeldungen und Anzahl der Backwaren waren identisch.

Das mit Schamottsteinen gemauerte Backsteinhäuschen

Ab halb eins können Backbegeisterte ihre Pizzavariationen in den Ofen schieben. Eine Stunde später folgt die erste Fuhre Brot, das zum größten Teil direkt auf dem heißen Stein gebacken wird. Die Restwärme wird anschließend zum Backen von Kuchen und Muffins genutzt. „Die Reihenfolge ergibt sich aus der Hitze und dem Backgut“, sagt Schork. Die Pizzen brauchen bei 400 Grad knapp drei Minuten, das Brotbacken mit 25 Laiben zwischen dreißig Minuten und einer Stunde – je nachdem, wie heiß es noch im Ofen ist.

Neben Pizza, Brot, Kuchen und Muffins finden auch andere Gerichte den Weg in den warmen Ofen. „Wir hatten auch schon einen Topf Gulasch drin, der über Nacht bei niedriger Temperatur gekocht wurde“, sagt Schork lachend und ergänzt: „Während des gesamten Backvorgangs sind die Menschen vor Ort. Für uns sind diese besonderen Tage immer wie ein richtiges Fest.“

Fotos: ©  Miteinander Stegen e.V., jp