Landtagswahl: So gehen die fünf neuen Parteien ins Rennen STADTGEPLAUDER | 10.03.2021 | Hendrik Sexauer
Am Sonntag ist Landtagswahl in Baden-Württemberg. Zum ersten Mal kämpfen in den zwei Freiburger Wahlkreisen 46 und 47 fünf neue Parteien um Stimmen: dieBasis, KlimalisteBW, Volt, Wir2020 und die Freien Wähler. Eine Woche vor Stimmenauszählung hat sich chilli-Autor Hendrik Sexauer bei den Kandidat*innen umgehört: Was ist Ihnen wichtig? Wie viel trauen sie sich zu?
Freie Wähler
In beiden Freiburger Wahlkreisen tritt Johannes Gröger (65) für die Freien Wähler an. Seit 2009 ist er Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler im Freiburger Gemeinderat. Nun kandidiert er fürs Landesparlament. Für manch einen Freien Wähler sei das Antreten der Partei auf Landesebene ein „Paradigmenwechsel“, sagt der Politiker. Über die 50 Jahre alte „kommunale DNA“ und die Arbeit in Gemeinderäten fühlt er sich den kleineren, ländlichen Gemeinden verpflichtet. Eine gestärkte infrastrukturelle Anbindung ist daher für Johannes Gröger ein wichtiges Ziel.
Volt
Lisa Weinfurtner (30) kandidiert im Wahlkreis 46 für die paneuropäische Partei Volt. Sie glaubt, dass gerade Baden-Württemberg mit seinen Grenzen zu Frankreich und der Schweiz nicht sagen kann: „Wir schauen nur auf uns und nicht auf das, was drumherum passiert.“ Für Weinfurtner ist Frieden in Deutschland ohne Frieden in Europa unmöglich. Ihr Kollege Franz-Josef Siegemund (26), Volt-Kandidat im Wahlkreis 47, unterstreicht die wirtschaftliche Bedeutung Europas: „Der wichtigste Markt ist die EU. Da exportieren baden-württembergische Unternehmen überall hin.“
Wir2020
Der Wir2020-Kandidat im Wahlkreis 46 ist Malte Wendt. Der 36-Jährige ist fokussiert auf die Corona-Pandemie. Seine Ziele: „Die Aufhebung aller Corona-Maßnahmen, die Wiederherstellung aller Grundrechte und die Aufarbeitung des ganzen Geschehens.“ Er selbst politisierte sich 2020 auf den Gegendemonstrationen zur Corona-Politik. Große Schnittmengen sieht er zwischen seiner Partei und der Bewegung der Querdenker. „Wofür die Querdenker stehen, das ist alles bei Wir2020 mit drinnen, aber Wir2020 ist ganz viel mehr.“ Dazu zählt der Wunsch parlamentarisch zu arbeiten. Gearbeitet werde auch an einer Fusion mit der Partei dieBasis.
dieBasis
Solche Absichten sind dem dieBasis-Kandidat Wolfgang Daubenberger (64) aus Wahlkreis 46 nicht bekannt. Die Inhalte unterscheiden sich nicht allzu sehr, doch aber der Umgang mit Politik und mit den eigenen Mitgliedern. Das große Ziel der Basis ist die Stärkung der Basisdemokratie – auch im Landtag. „Ein Abgeordneter allein sollte nicht vorne stehen und selbstherrlich irgendwelche Sachen sagen“, sagt Daubenberger. Egal wie kontrovers eine Meinung ist, egal aus welcher ideologischen Ecke sie kommt, die Einstellung „die Meinung stimmt aber nicht, da hören wir nicht zu“ spalte nur die Gesellschaft, sagt Sabine Kropf (48), Kandidatin im Wahlkreis 47.
KlimalisteBW
Für die KlimalisteBW kandidiert Fabian Aisenbrey (20) im Wahlkreis 47. Er sagt, zuallererst müsse der neu gewählte Landtag einen CO₂-neutralen Haushalt aufstellen. Klimapolitischen Ansprüchen dürfe sich ein Bundesland nicht entziehen. Alexander Grevel (32) steht im Wahlkreis 46 auf dem Stimmzettel und sieht die Stärkung ökologischer Themen, das Verschieben der Debatte in Richtung grüner Themen, als Vorteil der Klimaliste. Im Kern seien dies konservative Ideen: „Unsere Chance in Richtung CDU-Sympathisanten.“ Trotz der globalen Klimakatastrophe bleiben beide Kandidaten optimistisch: „Wir sagen wir haben noch eine Chance in der Klimapolitik.“
Einigkeit in einem Punkt
Alle fünf Parteien sind sich einig, dass größere Parteien den Vorteil der Bekanntheit genießen. „Parteien, die neu auf dem Stimmzettel stehen, sind schon etwas anderes – etwas, das die Bürger nicht so gut kennen,“ sagt Wolfgang Daubenberger. Lokal besser vernetzt und repräsentiert sieht Siegemund von Volt die größeren Parteien. Nicht umsonst würden die Grünen mit dem Spruch werben: „Sie kennen ihn“. Die KlimalisteBW ist dennoch zufrieden mit der medialen Präsenz. Im Feld der kleinen Parteien sei man privilegiert, denn: Eine Partei, die in direkter Konkurrenz zu den Grünen stehe, habe es so einfach noch nicht gegeben, sagt Grevel.
Ausgaben bis zu 1000 Euro
Gerade von kleinen Parteien fordern sich stetig ändernde Corona-Bestimmungen viele Ressourcen, sagt Lisa Weinfurtner. Ressourcen, die ohnehin knapp sind. So rechnet Volt für die zwei Freiburger Wahlkreise mit Wahlkampfausgaben von 1000 Euro. Die Klimaliste kommt auf circa 600 Euro und bei Wir2020 reichte es für 100 Wahlplakate pro Wahlkreis. Im Kontrast dazu stehen die Ausgaben bekannterer Parteien, wie die Nachrichtenagentur dpa berechnet. CDU, SPD und die Grünen führen Kampagnen mit siebenstelligen Kosten. Während die Ausgaben der FDP knapp unter der Millionen Marke liegen, zahlt die CDU im Wahlkampf 2021 am meisten: 2,5 Millionen Euro.
Am Wahltag selbst wird die größte Hürde in Prozenten bemessen. Wir2020 müsse sich mit einem Ergebnis von einem Prozent zufrieden geben, sagt Wendt. Das eine Prozent berechtigt zum Erhalt der offiziellen Parteienfinanzierung. Das Ziel, klar in den Landtag zu kommen, sieht Weinfurtner von Volt. Dass die Klimaliste den Einzug schaffen kann, ist sich Grevel sicher: „Ich rechne mit mindestens 6,3 Prozent.“ Auch dieBasis zielt auf die fünf Prozent Hürde. Für die Freien Wähler wäre der Einzug in den Landtag „sensationell“, wie Johannes Gröger sagt.
Parteiübergreifender Appell
Was die Neuen aus Freiburg parteiübergreifend vereint ist die Ambition, Nichtwähler und Politikverdrossene zurück an die Urnen zu bringen. So appelliert Siegemund: „Bitte geht wählen. Egal ob grün, links, wie auch immer. Geht wählen!“
Hinweis der Redaktion
Die chilli-Redaktion hat die KandidatInnen aller Parteien angefragt, die bei der Landtagswahl 2021 zum ersten Mal in den Wahlkreisen 46 und 47 antreten. Kay Michel von Wir2020, Wahlkreis 47, reagierte bis Redaktionsschluss nicht auf die Anfrage.
Fotos: © Hendrik Sexauer, Nicolai Schmidt, Freie Wähler, Volt, Wir2020, dieBasis, KlimalisteBW