Masken, Laserschwerter, Message: HipHop-Pioniere IAM rocken in Colmar STADTGEPLAUDER | 30.07.2018 | Till Neumann

Kaum eine Crew hat den französischen Hiphop geprägt wie IAM. Das Ensemble aus Marseille ist seit 1989 aktiv – und derzeit wieder auf Tournee. Am Sonntag boten die Rapper Akhenaton und Shurik’n bei der Foire aux Vins in Colmar geschliffene Texte der alten Schule. Musik, die aus der Zeit gefallen scheint und zugleich brandaktuell ist.

Mit grimmigen Samurai-Masken kommen IAM auf die Bühne. Der randvolle Saal der Foire aux Vins jubelt. Köpfe nicken zu den dicken Bässen. Was in den folgenden 90 Minuten passiert, ist Hiphop-History. Die Veteranen von IAM spielen ein Best-of aus drei Jahrzehnten: Petit frère, Chez le Mac oder Samurai werden lautstark gefeiert. Dazu gibt’s gigantische Videosequenzen, die auch ohne Musik ein Spektakel sind: Ein Raumschiff fliegt durchs All, Wortfetzen tauchen auf, asiatische Schriftzeichen flackern über vier LED-Wände.

Viele im Publikum rappen die Refrains mit, stimmen ein, wenn IAM dazu animieren. Die samplebasierten Beats wummern basslastig aus den Boxen, Melodien gehen dabei leider oft unter. IAM halten den Druck mit viel Manpower hoch: Die zwei Frontmänner werden von zwei Begleitrappern und drei DJs unterstützt. Dass die sieben Künstler nicht mehr die Jüngsten sind, ist kein Geheimnis. Die Dynamik und Beweglichkeit hat dadurch gelitten, die Kraft ihrer Worte nicht. IAMs sozialkritische Texte der 90er-Jahre haben an Aktualität kaum verloren. Der Flow wirkt dafür etwas aus der Zeit gefallen.

Asiatische Kampfkunst hat es den Multi-Kulti-Marseillern seit jeher angetan. Das unterstreichen aufwendige Videosequenzen. Auch Star Wars ist optisch geboten: Bei der Zugabe kommen die Wortakrobaten mit Laserschwertern auf die Bühne. Viel gemacht wird damit nicht. Das Manko der Show: Die Texte sind bei so viel Bass schwer zu verstehen, die Boombap-Beats ähneln sich oft in Tempo und Dramaturgie. Der ein oder andere Überraschungsmoment mehr würde dem Auftritt gut tun.

Zum letzten Track lassen die Rap-Veteranen eine mit Graffiti bemalte Bank auf die Bühne tragen. Sind sie müde? Nein. IAM spielen den legendärsten ihrer Songs: Demain, c’est loin. Ein Neun-Minuten-Stück ohne Refrain. Einfach zwei Strophen, die unter die Haut gehen. Während Shurik’n und Akhenaton ihre Reime kicken, sitzen die anderen hinten auf der Bank. Ein Hauch Streetparty auf der LED-getränkten Bühne. „Wir stellen die Liebe über die Angst“, sagt Akhenaton und erntet Applaus. Der Sieg bei der Fußball-WM hätte Frankreich ein bisschen geeint. Doch es bleibe viel zu tun. Auch für IAM, die bei der anschließenden Pressekonferenz von Plänen für ein neues Album erzählen und die Sampling-Kultur verteidigen: Schon Beethoven hätte sich vom Vögelgezwitscher inspirieren lassen.

Im Saal ist daraufhin New School angesagt. Der französische Rapper Nekfeu (sein Hit: On verra) liefert eine atemberaubende Show. Er rennt, springt, rappt, schreit zu seinen Trap-Beats, bis auch im Publikum kein Halten mehr ist. Textlich mag das weniger versiert sein als bei IAM. Flow, Sound und Energie sind dafür mindestens eine Generation weiter.

Foire aux Vins

Die Messe Foire aux Vins in Colmar bietet viel Kulinarisches und Musik. Noch bis zum 5. August gibt’s im Parc des Expositions täglich Programm: Beim dazugehörigen Musikfestival spielen unter anderem Lenny Kravitz, Santana, die Scorpions und Rag’n’Bone Man.

Alle Infos auf www.foire-colmar.com/de.

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Fotos: © Till Neumann