Mit Leidenschaft in Nachbars Keller: Wie Sebastian Unmüßig die Hutfirma Hat-Art gründete STADTGEPLAUDER | 29.03.2022 | Christian Engel

Sebastian Unmüßig

Mit 16 Jahren fing Sebastian Unmüßig an, sich Hüte auf den Kopf zu setzen. Er liebte die Extravaganz, fand es gar nicht so schlecht, ein bisschen aufzufallen, etwas anders zu sein als der Rest. Wer trägt mit 16 schon Hut? Mit 29 setzte er sich das, was er sich stets auf den Kopf setzt, in den Kopf. Also: Ob er Hüte nicht auch selber herstellen kann. Hutdesigner, dachte er sich, ließ den Gedanken ein wenig unter seinem Hut schwirren – und fand die Idee hervorragend.

Heute, zwei Jahre später, hat der gelernte Kaufmann bereits 40 Hüte hergestellt, die eigene kleine Hutfirma Hat-Art in Gottenheim gegründet, etliche seiner hochwertigen Produkte im Nebenerwerb verkauft. Das alles während Corona. Das alles ohne das allergrößte handwerkliche Talent, wie der 31-Jährige sagt. Das alles aber vor allem mit einer Sache: mit Leidenschaft. Und mit einer Werkstatt im Nachbarkeller.

Wegen Corona hatte Unmüßig plötzlich mehr Zeit als sonst. Und während andere Netflix abonnierten, nutzte er die Zeit, kaufte sich Bücher über Hüte, recherchierte im Netz über Hüte, suchte auf Ebay nach Handwerkszeug und Filz, um selber Hüte herzustellen. Fündig wurde er, das Internet bietet schließlich für jedes Hobby alles.

Im Frühjahr 2020 also liegt die erste Capeline auf seinem Esstisch, die Rohform eines Hutes, die er über einen Händler in Großbritannien bezog. Er schneidet und erhitzt, formt, lässt abkühlen, ruiniert das Familien-Bügeleisen, weil handelsübliche Bügeleisen nicht zum Hutmachen gemacht sind. Sein erster Hut: für die Tonne.

Er nimmt sich die nächste Capeline, überlegt kurz, was er zuvor falsch gemacht hat, macht es besser. Ein Kellerabteil im Nachbarhaus wird zum Segen. Darin ist Platz für die alte Werkbank vom Opa. Ein paar Lampen an die Decke, noch ein Arbeitstisch hinein, das Industriebügeleisen eingesteckt – schon kann’s von Neuem losgehen.

Unmüßig legt, wie die Fachliteratur ihm verraten hat, erst einmal den Rohling über eine Dampfmaschine. Damit sich die Fasern öffnen, der Filz weich wird. Im nächsten Schritt stülpt er den Rohling über einen Hutblock, von denen er sich nach und nach immer mehr in verschiedenen Kopfgrößen kaufen wird – die Hutkrone wird hier auf die richtige Größe angepasst, in die gewünschte Rohform gebracht. Anschließend wird die Krempe glatt gebügelt, der Hut für 24 Stunden weggelegt. Abkühlen lassen, Feierabendbier trinken, am nächsten Tag weitermachen.

Immer abends nach seiner Hauptbeschäftigung steigt Unmüßig, wenn die Tochter eingeschlafen ist, hinab in die Werkstatt, knipst die Tischlampe an, legt eine Bluesplaylist auf, feilt an den Modellen. Einem abgekühlten Hut vom Vorabend rückt er nun mit einem Krempenschneider auf die Kante. Manche mögen es breit, andere schmal. Ein Kumpel hat ihm das Werkzeug von Hand geschreinert.

Hat die Krempe die richtige Breite, näht er in die Innenseite ein Lederschweißband an und das Futter hinein. Zu guter Letzt brennt er sein Logo ein: „Dieses Detail darf nicht fehlen.“ Im allerletzten Schritt macht er eine Flasche Alkohol auf, aber nicht, um mit sich selbst anzustoßen, sondern um dem Hut nach der rund achtstündigen Bearbeitungszeit den letzten Schliff zu geben. Der Hut bekommt einen hochprozentigen Shot über die Birne gekippt, der für kurze Zeit entflammt wird. Das entfernt die überschüssigen Haare nach dem vorherigen Schleifen.

Seine Beharrlichkeit hat sich ausgezeichnet, Freunde und Familie feiern seine Hüte. Ein Kumpel sei durch ihn erst zum Hutträger geworden. Auch Kunden hat er schon gewinnen können. Werbung dazu macht er vor allem auf Instagram, in der Freiburger Kneipe Quartier stellt er seine Hüte aus. Und sonst: Mund-zu-Mund-Propaganda. Zufriedene Kunden sind die beste Werbung – und wenn sie die Produkte erhobenen Hauptes durch die Straßen tragen, noch besser.

Foto: © Christian Engel