Gundelfingen: Warum müssen Velos trotz Radweg auf die Straße? Mobilität | 21.08.2024 | Till Neumann

Fühlt sich verdrängt und unsicher auf der Straße: Radlerin Eva Beenenga. Links ist der gesperrte Radweg.

Der Radweg ist da. Aber geradelt werden soll auf der Straße. So sieht es derzeit am Ortsausgang Gundelfingen Richtung Freiburg aus. Über diese Entscheidung des Landratsamts echauffiert sich eine Radfahrerin: „ein Schildbürgerstreich“. Das chilli hat sich die Lage angeschaut und eine Erklärung beim Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald eingeholt.

„Halten Radfahrer für Freiwild“

Wünscht sich eine smarte Lösung: Eva Beenenga

Seit Anfang 2024 soll ein Radweg nicht mehr genutzt werden. Wer stadtauswärts entlang der Alten Bundesstraße Richtung Freiburg radelt, soll vor der Ecke Industriestraße auf die Straße. Der Radweg ist mit Plastikwänden versperrt. Eva Beenenga fährt dort entlang fast täglich zur Arbeit und findet das  gefährlich: „Die Autofahrer haben leider noch nicht mitbekommen, dass wir nicht mehr auf dem Radweg fahren dürfen und halten jetzt alle Radler für Freiwild.“ 

Die 50-Jährige erlebt brenzlige Momente: „Ich sehe immer wieder Situationen, die fast in Unfällen enden könnten.“ Entweder bei anderen Radfahrern oder am eigenen Leib. Häufig werde ihr an engen Stellen die Vorfahrt genommen oder es werde eng vorbeigefahren, „um zu zeigen, dass ich falsch fahre“. 

„Unfallhäufungsstelle für Radverkehr“

Google Maps zeigt die rote Markierung des Radwegs. Sie wurde entfernt.

Wie erklärt das Landratsamt die Situation? „Die Unfallkommission des Landkreises Breisgau-Hochschwarzwald bestehend aus Straßenverkehrsbehörde, Polizei, Straßenbetrieb und der Gemeinde Gundelfingen befasst sich seit mehreren Jahren mit der Unfallsituation am Knotenpunkt Alte Bundesstraße / Industriestraße“, berichtet Sprecher Manfred Kocher. Er betont: „Es handelt sich um eine Unfallhäufungsstelle für den Radverkehr.“ Es seien daher Sofortmaßnahmen besprochen und abgestimmt worden.

Die Radfahrenden werden ab dem Knotenpunkt Alte Bundesstraße / Auf der Höhe auf die Straße geführt. Der Grund: Sie sollen „besser im Sichtfeld der wartepflichtigen Fahrzeugführer aus der Industriestraße die Kreuzung passieren“. Kurz gesagt: Sie sollen an der Kreuzung besser zu sehen sein. Auf der Straße sorge zudem eine „Piktogrammkette“ für mehr Klarheit (siehe weißes Radsymbol auf dem Foto oben). „Sie zielt darauf ab, die Verkehrssicherheit des Radverkehrs und das subjektive Sicherheitsgefühl der Radfahrenden zu verbessern“, erklärt Kocher. Die Beschilderung werde angepasst.

„Übliche Regelung“

Für das Landratsamt ist das kein unüblicher Vorgang: „Eine solche Regelung ist innerorts und bei einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h durchaus üblich und verträglich“, erklärt Kocher. Radfahrende seien schon ein Jahr lang während einer Baustelle an der Alten Bundesstraße auf die Straße geleitet worden – damals ohne Unfall. Für Kocher ist damit klar: „Es ist somit eine deutliche Verbesserung der Unfallsituation im Kreuzungsbereich eingetreten.“ Soll heißen: Die Sicherheit für Radler ist gestiegen. Unmutsbekundungen von Radfahrern seien dem Landratsamt nicht bekannt.

Freie Wahl: In der anderen Fahrtrichtung dürfen Radelnde wählen zwischen Straße und Radweg.

Eva Beenenga sieht das anders: „Ich wohne seit 18 Jahren in Gundelfingen. So viele brenzlige Situationen mit Autofahrern, die ich selbst oder bei anderen selbst gesehen habe und in meinem Bekanntenkreis gehört habe, sind nie passiert.“ Beenenga sagt aber auch: „Seit die Fahrräder auf der Straße aufgemalt wurden, ist es ein kleines bisschen besser geworden.“ Verständlich sei es dennoch nicht, einen vorhandenen Radweg zu sperren, weil Autofahrer an der Kreuzung unachtsam sind: „Wenn ich das mal auf Flugzeuge umdeuten müsste, würde ich sagen: Es sind jetzt mehrere Flugzeuge in Berge geflogen, jetzt müsste man mal den Berg beseitigen, damit die Flugzeuge besser fliegen können.“

Zwei Vorschläge

Konkrete Vorschläge hat sie gleich zwei. Nummer 1: „Vielleicht wäre eine Ampel an der Ecke Industriestraße /Alte Bundesstraße die bessere Lösung. An anderen Stellen werden ja auch Ampeln aufgestellt.“ Nummer 2: Autos könnten durch die Industriestraße geleitet werden, auch um die Innenstadt zu entlasten. 

Der Ärger bei ihr dreht sich nicht nur um die eine Stelle: „Gundelfingen ist eine Autogemeinde durch und durch – entgegen dem Trend, weniger Auto zu fahren.“ Das habe auch das Abstimmungsergebnis zur Straßenbahn gezeigt (abgelehnt bei einem Bürgerentscheid im November 2023). Das Verkehrsaufkommen in Gundelfingen sei enorm. „Vielleicht wären smarte Lösungen eleganter, als dieses rückwärtsgewandte Denken, dass sämtlicher Verkehr durch Gundelfingen durch muss.“

„Eine Probephase“

Ein wenig hoffen darf sie. Denn beim Landratsamt sind nicht alle Würfel gefallen: „Bei allen Maßnahmen handelt es sich um eine Probephase“, erklärt Manfred Kocher. Sollten sie sich nicht bewähren, werde der Knotenpunkt erneut verkehrsplanerisch begutachtet. 

Fotos: © Till Neumann

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