MoTrip: rührendes Reibeisen im Haus der Jugend STADTGEPLAUDER | 13.02.2016
Der deutsch-libanesische Rapper MoTrip ist am Freitagabend im Haus der Jugend aufgetreten. Der Aachener mit der Reibeisen-Stimme brachte den mit mehr als 600 euphorischen Fans gefüllten Großen Saal zum Beben. Wegen seiner Reibeisen-Stimme, aber auch wegen rührenden Ansagen und simpler Mathematik. (chilli-Bildergalerie)
„David gegen Goliath“, heißt es gleich im ersten Song. „Aufgestiegen aus zertrümmerten Ruinen, hätt’s keinen Widerstand gegeben, wär ich pünktlicher erschienen“, rappt MoTrip zum Auftakt der Show. Der Beat wummert, die Arme gehen in die Luft. Der Große Saal im Haus der Jugend ist randvoll, schon seit Wochen war die Show ausverkauft. Im Vergleich zu rund 600 Fans ist der kantige MoTrip in der Tat ein David, das Publikum Goliath. Doch obwohl MoTrip sich als der harte Einzelgänger vorstellt, hat er die Halle hinter sich. David mit Goliath wäre treffender – die Fans feiern den 1989 aus dem Libanon Geflohenen von Sekunde eins.
Die Begeisterung hat sich MoTrip alias Mohamed El Moussaoui hart erarbeitet. Der Rapper hat in den vergangenen Jahren einen festen Platz in der deutschen HipHop-Szene erobert. Mit seiner unverkennbar raspelnden Reibeisen-Stimme und tief gehenden Texten. In „Selbstlos“ rappt er von der wahren Liebe. „So wie du bist“ ist ein Appell, man selbst zu bleiben, egal was passiert. Den Refrain singt die textsichere Halle lautstark mit. Selbst wenn er in „Mama“ über die Liebe zu seiner Mutter rappt, wirkt das nicht klischeehaft.
Der Rapper Joka unterstützt ihn bei der Show. Das Nordlicht spielt zur Halbzeit auch zwei eigene Songs: „Moin Moin“ und „Augenzeuge“. Auch er hält es wie MoTrip: starke Reime, pumpende Beats, aber im Vergleich zu so manch anderem Rapper geht’s textlich nie unter die Gürtellinie.
Ganz im Gegenteil: MoTrip macht ein ums andere Mal rührende Ansagen, bedankt sich immer wieder beim Publikum und seiner „großartigen Band“, bestehend aus DJ Gin & Tonic, Drummer („hauptberuflich Model“) und einem Keyboarder („der verrrückte Professor“). Auch dem Publikum schmiert er ein ums andere Mal Honig ums Maul („lauter Prachtexemplare hier“). Nur einen männlichen Fan hat er sich ausgeguckt und frotzelt gleich mehrfach: „Du siehst aus wie ein Lehrer, aber nicht so als, ob du Lust auf Schule hättest.“ Das passt zu MoTrips Single „Mathematik“ vom aktuellen Album Mama. Im Song brüstet er sich als die Summer aller Teilchen im Raum: „Die Leute denken, das ist alles ein Trick / Doch das ist ganz simple Mathematik, ich bin die Eins“.
An diesem Abend ist er das zweifelsohne. Auch weil er teilen kann. In seiner Show löst er ein Versprechen ein und lässt den im Rollstuhl sitzenden Rapper „Drive By“ aus Offenburg auf die Bühne. Der Kleinwüchsige Offenburger spielt den Song „How I do“ (YouTube-Video vom Konzert) und genießt den Moment augenscheinlich in vollen Zügen.
Zum Ende wird’s melancholisch. MoTrip rappt „Mama“ begleitet nur vom Keyboard. Feuerzeuge und Smartphones gehen in die Luft. Doch von seiner soften Seite will sich „Mo Dirty Shit“ nicht verabschieden. „Auf der Sido-Tour habe ich gelernt, dass man manchmal seine Eier aus der Hosentasche holen muss“, witzelt er. Dann rappt er „Wie ein Dealer“. Einer der härteren Songs im Programm – und dennoch werden weder Mütter beleidigt noch bestimmte Körperteile gehuldigt wie das der Berliner Rapper B-Tight in der Vorwoche im Waldsee getan hat. MoTrip ist eine andere Liga. Seine Stärke sind versiert-geschliffene Texte, melancholische Beats und diese unverkennbare Reibeisen-Stimme. Eine, die man so schnell nicht vergisst.
Text & Bilder: Till Neumann