15 Jahre Haft wegen Hanf? CBD-Verkäufern drohen hohe Strafen Politik & Wirtschaft | 28.11.2019 | Till Neumann

Fast wöchentlich öffnen in Deutschland Hanfshops. Und jede zweite Woche gibt’s Razzien gegen Betreiber. Das berichtet Georg Wurth vom Deutschen Hanf­verband. Auch in Freiburg sind Hanfshop-­Inhaber im Fokus der Behörden. Einem drohen bis zu 15 Jahre Haft.

Hanfnah-Chef: Tobias Pietsch

Tobias Pietsch kann es selbst kaum glauben: Dem Geschäftsführer des Hanfnah in Freiburg drohen bis zu 15 Jahre Gefängnis. Für den Verkauf von – nach seiner Ansicht – legalen Produkten. Das Strafverfahren ist Folge einer Razzia im Januar.

Gleich ein knappes Dutzend Beamte waren in das Geschäft an der Schwarzwaldstraße gekommen, berichtet Pietsch. Sie konfiszierten rund vier Kilogramm Blüten mit Cannabidiol (CBD) im Wert von etwa 25.000 Euro. Pietsch wird dafür belangt, diese verkauft zu haben. Auch online. Im Schreiben der Staatsanwaltschaft wird ihm zur Last gelegt, diese auch an Minderjährige vertrieben zu haben. Das geforderte Strafmaß beträgt ein bis 15 Jahre Haft.

Zwei weitere Verfahren laufen in Freiburg gegen Hanfshop-Inhaber, teilt die Staatsanwaltschaft auf chilli-Anfrage mit. Bei einem davon stehen ebenfalls 15 Jahre Gefängnis im Raum.

Für Pietsch ist das absolut unverständlich. Seine CBD-Blüten seien legal. Er habe den Grenzwert der erlaubten 0,2 Prozent THC nicht überschritten. Tatsache ist, dass die Blüten selbst bei einer geringen Überschreitung nicht berauschend wirken können. In der Schweiz gilt mit 1,0 Prozent ein fünf Mal so hohes Limit.

„Letztes Aufbäumen“

Auch beim Deutschen Hanfverband sind der Freiburger und viele weitere Fälle bekannt. Verbandschef Georg Wurth berichtet von einem „massiven Verfolgungsdruck“ auf deutsche Betreiber. Für drei Sachverhalte könnten sie rechtlich belangt werden: Bei einem Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz müsste der THC-Grenzwert überschritten werden. Bei einem Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz müssten Produkte als medizinische verkauft werden, was nur in Apotheken erlaubt ist. Schließlich gibt es noch die europäische „Novel Food“-Verordnung für neuaertige Lebensmittel. Die Verordnung regelt, dass Verkäufer eine Zulassung brauchen, um Lebensmitteln CBD hinzuzufügen.

Die Zahl der Verfahren in Deutschland schätzt Wurth aktuell auf 50. Am weitesten fortgeschritten sei der Prozess gegen die Hanfbar in Braunschweig. Dass es dort zu einer Verurteilung kommt, hält er für möglich. Die vielen Razzien sieht er als „letztes Aufbäumen vor der Legalisierung“.

Lebensmittel auf Hanfbasis: Im Hanfnah gibt’s unter anderem Cookies zu kaufen.

Auch für Pietsch Anwalt ist die Lage bizarr: „Das ist zum An-den-Kopf-langen“, sagt Sebastian Glathe. Der Freiburger Jurist ist unter anderem auf Betäubungsmittel- und Arzneimittelrecht spezialisiert. Er vertritt derzeit bundesweit rund 20 Angeklagte in Sachen CBD. „Rechtlich komplex“ sei die Lage, sagt Glathe. Urteile, an dem man sich orientieren könne, gebe es bisher nicht.

Glathe erklärt: Die Abgabe von CBD-Produkten wie den konfiszierten Blüten im Hanfnah sei nur unter zwei Bedingungen zugelassen: zu wissenschaftlichen oder zu gewerblichen Zwecken. Laut Staatsanwaltschaft sei weder das eine noch das andere gegeben. Dagegen möchte Glathe argumentieren.

„Zu 15 Jahren wird es nicht kommen“

Gewerblich sei der Verkauf in CBD-Shops nicht. Die Käufer hätten keine gewerblichen Interessen – nur private. Glathe setzt daher auf die wissenschaftliche Karte. „Das medizinische Potenzial kann nur durch eine Nutzung erforscht werden.“ Daher habe der Verkauf in Shops wie dem Hanfnah sehr wohl wissenschaftliche Zwecke.

Über den möglichen Ausgang der Verfahren kann Glathe nichts sagen. Man betritt Neuland. Fakt ist für ihn: „Die Staatsanwaltschaft meint es ernst.“ Bei einer Verurteilung für bis zu zwei Jahre Haft sei eine Bewährungsstrafe möglich. Haftstrafen ohne Bewährung kann er nicht ausschließen. Sicher sei jedoch: „Zu 15 Jahren wird es nicht kommen.“

Glathe sagt auch: „Es ist erstmal völlig wurst, was bei den Verfahren rauskommt, sie werden eh angefechtet.“ Damit gehen die Fälle wohl bis zum Bundesgerichtshof. Möglicherweise auch bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

„So ein Mumpitz“

Tobias Pietsch im Video auf Facebook

Tobias Pietsch vom Hanfnah hat seit der ­Razzia keine Blüten mehr im Sortiment. In einer Videobotschaft auf Facebook hat er kürzlich eine Videobotschaft verbreitet. Dort erklärt er, was ihm in einem neuen Schreiben der Staatsanwaltschaft vorgeworfen wird. Das Dokument bestätigt, dass alle verkauften Produkte unter dem erlaubten Grenzwert von 0,2 Prozent THC liegen. Ein „Hohn“ sei es, dass man wegen so wenig THC einen so großen Aufriss machen muss. Sein Beitrag wurde bisher 255 Mal geteilt.

Pietsch fragt sich: Wo liegt der Unterschied zwischen den konfiszierten Blüten und beispielsweise dem Hanfblütentee, den er weiterhin (mit Akzeptanz der Behörden) vertreibt? In dem seien ebenfalls Blüten – aus EU-zertifziertem Nutzhanf. Das geforderte Strafmaß ist nun geringer also noch im Oktober: Ihm drohen jetzt ein bis fünf Jahre. Für Pietsch ist es eine „Utopie, immer noch für diesen völlig sinnlosen Kampf“ gegen solche Substanzen einzustehen. Seine Produkte seien absolut rauschfrei und könnten verschiedenste Leiden bekämpfen. Er hofft, dass die Behörden aufhören, die Justizbehörden „mit so einem Mumpitz zu belasten“.

Foto: © Pixabay & Till Neumann