2 Milliarden und 458 Anträge: Freiburger Politik ringt mit Rekordhaushalt Politik & Wirtschaft | 13.03.2019 | Lars Bargmann

Doppelhaushalt

Der am 9. April vom Gemeinderat zu beschließende Doppelhaushalt 2019/2020 wird der Stadt Freiburg ein Rekordvolumen bringen: Erstmals in der fast 900-jährigen Geschichte der kleinen Großstadt wird er mehr als zwei Milliarden umfassen.

Nachdem Oberbürgermeister Martin Horn, Finanzbürgermeister Stefan Breiter und Kämmerer Bernd Nußbaumer diesen vor Weihnachten auf fast 1000 Seiten mit möglichen 70 Millionen Euro an neuen Schulden vorgestellt hatten, haben die Fraktionen im Rathaus 458 Änderungsanträge gestellt.

Bei der zweiten Lesung des Haushalts (nach Redaktionsschluss) stimmten die Stadträte über jeden dieser Anträge ab. Im Kern wollen die Volksvertreter mehr Geld für Kultur und Soziales ausgeben.

Die Freidemokraten (2 Sitze) fordern strenge Haushaltsdisziplin, wollen vom Verwaltungsentwurf 3,125 Millionen einsparen, vor allem globalen Minderaufwand quer durch den gesamten Haushalt und beim Personal. Im Vorfeld der Kommunalwahl sollten die Fraktionen „nicht der Versuchung erliegen, alle Wünsche ohne Berücksichtigung der finanziellen Realität bedienen zu wollen“, nur um die Wähler „gnädig zu stimmen“. Mehr ausgeben wollen sie rund 400.000 Euro, darunter 100.000 für den Bau der Wildtalspange, das Cala-Theater (80.000) oder die bessere Versorgung Obdachloser (50.000).

Die Grünen (11 Sitze) wollen 4,2 Millionen Euro weniger ausgeben (global, keine 200.000 Euro für Graffitientfernung an Privathäusern) und die Parkgebühren erhöhen (450.000 Euro). Aber auch 9,2 Millionen Euro mehr ausgeben, vor allem für mehr Klimaschutz und Barrierefreiheit, Radwege, Sprachförderung und Sozialarbeit an Schulen.

Die Freien Wähler (3 Sitze) wollen eine weitere kommunale Wohnungsbaugenossenschaft mit fünf Millionen Euro gründen und 1,1 Millionen Euro mehr in Infrastrukturprojekte (und deren Kostenkontrolle), Soziales und Kultur stecken. Darunter sind 200.000 Euro für ein städtisches Baukostencontrolling, 130.000 Euro für die Planung der Steinriedhalle in Waltershofen, je 100.000 Euro für eine Trassenplanung einer Tram nach St. Georgen sowie die Wildtalspange.

Die CDU (9 Sitze) votiert für zwei Millionen Euro mehr, die vor allem in die Bereiche Kultur und Soziales gehen sollen: 350.000 Euro fürs Barockorchester, 250.000 Euro für die Förderung der Jugendarbeit in Sportvereinen, 150.000 Euro für mehr Jugendsozialarbeit an Schulen, 130.000 für die Steinriedhalle, 120.000 für eine Machbarkeitsstudie eines Gymnasiums am Tuniberg und den sozialpsychiatrischen Dienst der Diakonie sowie 100.000 für die Förderung des Ehrenamts in der Flüchtlingsbetreuung.

Die Fraktionsgemeinschaft Freiburg Lebenswert/Für Freiburg (FR/FL, 4 Sitze) will rund zehn Millionen Euro mehr ausgeben. Fünf Millionen für eine Sanierung des Lycée Turenne, 500.000 Euro für die Planung einer neuen Eishalle, einen 380.000 Euro höheren Betriebskostenzuschuss für den EHC Freiburg oder 350.000 Euro fürs Barockorchester. Einsparmöglichkeiten sieht sie bei der Wirtschaftsförderung der Freiburg Wirtschaft Touristik und Messe GmbH. Wenn die Bundesregierung massiv in die Infrastruktur ehemaliger Kohle-Tagebau-Gebiete investieren und dort Behörden, Forschungsinstitute und Unternehmen ansiedeln will, sei es „kontraproduktiv“, wenn die ebenfalls mit Steuergeldern finanzierte FWTM weiterhin Unternehmen nach Freiburg locken will, was dann die Wohnungsproblematik „weiter verschärft“.

Die SPD (8 Sitze) will 9,4 Millionen Euro mehr ausgeben: 4,5 Millionen für einen Fonds für eine aktivere Liegenschaftspolitik der Stadt, eine Million für ein Freibad am Westbad reservieren, 500.000 Euro für eine Machbarkeitsstudie für ein neues Eisstadion, je 300.000 für mehr Biodiversität, mehr Barrierefreiheit und die „Aufhebung der Ungleichbehandlung“ zwischen städtischen und freien Kultureinrichtungen sowie 280.000 Euro für den EHC.

Freiburg hat aktuell 190 Millionen Euro Schulden

Die Fraktionsgemeinschaft Junges Freiburg / Die Partei / Grüne Alternative Freiburg (JPG, 4 Sitze) will den kommunalen Vollzugsdienst abschaffen, damit 5,3 Millionen Euro sparen und 200.000 dadurch, dass Graffiti bei Privaten nicht mehr entfernt wird. Die Mehrausgaben summieren sich auf sechs Millionen Euro: zwei für die Digitalisierung, 480.000 Euro für mehr Barrierefreiheit, je 350.000 für mehr Biodiversität, den Verein Tritta und die Fabrik für Handwerk, Kultur und Ökologie, 255.000 für eine bessere Beleuchtung unsicherer Ecken, 190.000 für „Pumptrack“, einen neuen Treffpunkt und Aushängeschild für die Fahrradstadt Freiburg.

Die Unabhängigen Listen (UL, 7 Sitze) wollen vier Millionen Euro sparen (beim städtischen Personal) und 9,6 Millionen Euro mehr ausgeben. 2,1 Millionen für mehr Klimaschutz, 1,55 Millionen für Bildende Kunst und Musik, 760.000 Euro für mehr Inklusion und Barrierefreiheit, 600.000 Euro für eine Professionalisierung der Migrationsarbeit und 500.000 für eine bessere Familien- und Kinderberatung.

Den kleinsten Antrag stellten die Freien Wähler: 2200 Euro soll es für die Förderung der Chöre in Freiburg geben. Gleich vier Fraktionen (Grüne, UL, JPG und FL/FR) wollen exakt 6870 Euro für die Anschaffung eines digitalen Mischpults für Radio Dreyeckland ausgeben. Auch viele Wünsche, die beim Beteiligungshaushalt von Bürgern geäußert wurden, fanden ihren Weg in die Wunschlisten der Fraktionen.

Beim Doppelhaushalt 2017/2018 hatten die Fraktionen auf der Zielgerade unterm Strich 2,4 Millionen Euro mehr ausgegeben, als im Entwurf vorgesehen war. Die Stadt Freiburg hat aktuell rund 190 Millionen Euro Schulden. Im Verwaltungsentwurf sind auch Erlöse aus Grundstücksverkäufen enthalten. Im Gemeinderat könnte es aber eine Mehrheit dafür geben, städtische Grundstücke künftig nur noch auf Erbpacht zu vergeben – was Millionen Mindereinnahmen brächte.

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