Bürgermeister bangen um Dietenbach: Neues Referat für bezahlbares Wohnen in Freiburg Politik & Wirtschaft | 19.11.2018 | Lars Bargmann

Im Freiburger Rathaus schlägt das Herz der Bürgermeisterriege derzeit deutlich aufgeregter als sonst. Martin Horn, Ulrich von Kirchbach, Martin Haag und Stefan Breiter riefen unlängst Medienvertreter zu sich, um zu demonstrieren, wie ernst sie die Wohnungsnot in der Stadt nehmen.

Und wie sehr sie darauf hoffen, dass der anstehende Bürgerentscheid zum geplanten Stadtteil Dietenbach für diesen ausgeht. Lange hatten die Dezernenten den aufkeimenden Unmut bei den Kritikern im Sakko zur Kenntnis genommen. Jetzt müssen sie die Hemdsärmel hochkrempeln.

Der frisch wiedergewählte Baubürgermeister Haag hat das schon gemacht: „Dietenbach ist die Chance für bezahlbares Wohnen, wenn wir das nicht kriegen, haben wir ein massives Problem, dann können wir nicht mehr sagen, wie wir den Bedarf befriedigen können.“ Haag sprach erstmals von „mehr als 6500“ Wohnungen im Westen der Stadt und wies die Kritik aus der Ökoszene an dem Versiegeln der landwirtschaftlichen Fläche energisch zurück: „Wenn man diese Zahl an Wohnungen im Umland bauen würde, würde vier Mal so viel Fläche gebraucht und man schafft viel mehr Pendelverkehre.“ Man müsse die Bürger überzeugen, werde „kämpfen“.

Auch Sozialbürgermeister von Kirchbach schlug eine unmissverständliche Tonart an: „Wenn wir nicht wollen, dass Leute aus der Stadt rausgedrängt werden, brauchen wir Dietenbach.“ Horn räumte ein, dass „wir besser nach außen kommunizieren, den Stadtteil offensiver bewerben müssen“.

Die Macht über den neuen Stadtteil hat die Riege zwischenzeitlich verloren, es ist jetzt Volkes Stimme, die entscheidet. Sagt die Nein, gibt es im Rathaus keinen Plan B. „Plan B würde bedeuten, dass wir fünf bis zehn Jahre verlieren, wir müssen die Kraft der Argumente für Plan A sprechen lassen“, sagt Haag auf Nachfrage.

Die Linke Liste ging daraufhin dahin, wo es weh tut: Verwaltung und Gemeinderat müssten noch „vor dem Bürgerentscheid“ erklären, dass im Dietenbach die 50-Prozent-Quote für sozialen Mietwohnungsbau „verbindlich kommt“, heißt es in einer Pressemitteilung. Bislang gibt es für diese nur einen Prüfauftrag fürs Rathaus.

Die Macht liegt jetzt beim Volk

Da die private Bauwirtschaft die 50-Prozent-Quote wirtschaftlich nicht ohne Defizit rechnen kann, müssten Bauherren wie die Freiburger Stadtbau GmbH (FSB) motiviert werden, mehr als 3250 Sozialwohnungen zu bauen. Das im Vorfeld verbindlich festzulegen, ist ein bisschen wie Russisch Roulette.

Da 40 Prozent der Fläche dem Rathaus oder dem Land gehören, hat die Stadtspitze für diese die Fäden immerhin selber in der Hand. Die Frage wird sein, wie sie die Weichen so stellen kann, dass die Wohnungen nicht nur für die Mieter, sondern auch für die Bauherren bezahlbar werden.

Die anderen 60 Prozent hat, wenn es nach dem Willen der Bürgermeister geht, irgendwann die Freiburger Sparkasse in der Hand, weil diese den 412 privaten Eigentümern 50 Euro mehr auf den Quadratmeter bezahlt, als die Stadtverwaltung es bei dieser städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme darf (wir berichteten). Auf die Bank hat das Rathaus zwar politisch durchaus Einfluss – finanziell aber weniger. Wie auf diesen Flächen ebenfalls sozialer Mietwohnungsbau entstehen soll, ist noch offen. Generell sollen städtische Flächen, so Finanzbürgermeister Breiter, nur noch an Private verkauft werden, die sich den vielfältigen Vorgaben aus dem Rathaus beugen.

Oberbürgermeister Horn will in sein Dezernat zum Jahresbeginn ein neues Referat für bezahlbares Wohnen einbauen, dem dann Sabine Recker vorsteht. Für preisgünstiges Wohnen steht in Freiburg neben den Baugenossenschaften vor allem die FSB mit derzeit rund 9400 der insgesamt 112.000 Wohnungen. Die Geschäftsführer Ralf Klausmann und Magdalena Szablewska dürfen per Moratorium ihre Mieten bis Ende 2019 nicht erhöhen. Das „kostet“ sie 440.000 Euro. Als Ausgleich bekommt die FSB ein städtisches Grundstück an der Carl-Mez-Straße im Wert von 550.000 Euro. Eine wirtschaftlich starke Stadtbau ist eine notwendige Bedingung für den Bau von Sozialwohnungen.

Auch mit Dietenbach fehlen in Freiburg bis 2030 noch 5700 Wohnungen. Ohne sind es mehr als 12.000. Im Sakko-Modus sind die nicht zu haben.

Foto: © Neithard Schleier