Der lange Run auf die kurze Arbeit Politik & Wirtschaft | 08.04.2020 | Philip Thomas

leeres Büro

Leere Büros, geschlossene Fabriken, geplatzte Termine: Die Corona-Pandemie hat den Wirtschaftsstandort Südbaden hart getroffen. Zahlreiche Firmen reagieren mit Kurzarbeit und versuchen, ihre Angestellten zu halten. Allein beim Freiburger Arbeitsamt gingen bis zum Redaktionsschluss rund 3400 Anzeigen auf Reduzierung der Arbeitszeit ein.

Unser Eindruck ist, dass Arbeitgeber aus der Finanzkrise gelernt haben“, sagt Reiner Geis, Geschäftsführer der Gewerkschaft Verdi Südbaden. In vielen Firmen stehe vor der Kurzarbeit noch das Aufbrauchen von Überstunden sowie Urlaubstagen. „Es wird alles probiert“, betont er. Kündigungen gebe es in seinem Zuständigkeitsbereich bisher nur in Kleinstbetrieben mit niedriger Kapitaldecke.

Während zahlreiche Arbeitnehmer, etwa im Textilhandel, Journalismus, der Müllentsorgung oder dem Sicherheits sowie Speditionsgewerbe Stunden reduzierten, schieben andere Sektoren Überstunden. „Überall, wo Lebensmittel verkauft werden, sind Arbeitnehmer mit Mehrarbeit konfrontiert“, sagt Geis. Auch in der Pharmaindustrie „arbeiten Menschen am Anschlag“. Ebenso im Gesundheitssystem. Der Gewerkschafter fordert für die „Helden der Krise“ eine zusätzliche Bezahlung von monatlich 500 Euro. Dazu komme die Frage, was mit den derzeit geleisteten Überstunden geschehen solle.

Auch bei den Arbeitsämtern dürfte das Licht derzeit länger brennen: Bei der Bundesagentur für Arbeit gingen im März 470.000 Anzeigen auf Kurzarbeit ein. Zum Vergleich: Im Februar lag diese Zahl noch bei 1900. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sprach in dem Zusammenhang von einem „historischen Kraftakt“. Die Hilferufe kommen laut Hanspeter Fakler, Pressesprecher bei der Freiburger Arbeitsagentur, auch in Südbaden aus allen Branchen: „Bei der Finanzkrise 2008 und 2009 waren die Anzeigen vor allem aus dem produzierenden Gewerbe.“

Zum Redaktionsschluss registrierte seine Agentur 3397 Anzeigen auf Kurzarbeit aus dem Stadtgebiet Freiburg und den Landkreisen Breisgau-Hochschwarzwald und Emmendingen. Hinter der Zahl verbergen sich sowohl ganze Betriebe als auch einzelne Abteilungen. „Wir wissen derzeit nicht, wie viele Menschen dahinterstehen“, so der 54-Jährige. Mit belastbaren Zahlen rechnet er erst in sechs Monaten.

Sein Amt sei für den Ansturm „im erheblichen Maße“ umgebaut worden. Nachdem die Telefonleitung nach der Verkündung der Bundesregierung, den Zugang zum Kurzarbeitergeld erleichtern zu wollen, Mitte März zusammengebrochen war, sei die Agentur in Freiburg nun technisch wie personell für die Aufgaben gewappnet. Um die soziale Sicherung in dieser besonderen Situation zu gewährleisten, gelte bei der Agentur nun Leistung vor Vermittlung: „Wir sind zuversichtlich, dass wir die Gelder schnell rausbringen können.“ 

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