Dicker als Wasser: Jonas Lorscheid will den Getränkemarkt mit Tomatenschnaps aufmischen Politik & Wirtschaft | 31.03.2019 | Philip Thomas

Ob Wodka, Whiskey oder Gin: Schnaps-Start-ups gibt es wie Sand an der Strandbar. Mit scharfer Zunge und scharfen Drinks will nun Jonas Lorscheid diesen Markt erobern. Zwar einer feuchtfröhlichen Runde entsprungen, ist sein alkoholhaltiger Tomatensaft aber keine Schnapsidee.

„Ich habe damals zu viel gesoffen”, sagt Jonas Lorscheid, Gründer von Dikkes Wassar, der sein Büro zwischen anderen Start-ups im Kreativpark Lokhalle Freiburg hat. So richtig passe er mit seinem Tomatenschnaps nicht neben die anderen „Brutkisten“ aus aufgemöbelten Schiffscontainern. „Hier geht’s sonst um Technik und Medien“, sagt der 27-Jährige. Die Idee zum Drink kam Lorscheid in einer Rockerkneipe in Berlin, in der er das erste Mal mit Freunden ‚Mexikaner‘ probierte. „Das war sackscharf, aber auch ganz geil”, sagt er über den Mix aus Tomatensaft, Tabasco und klarem Alkohol. Auf Partys habe er sein Rezept verfeinert und sich damit nach dem Abschluss seines Wirtschaftsstudiums schließlich selbstständig gemacht. Seine Jobs bei Netto und Schiesser zu kündigen, fiel ihm nicht schwer: „Das war mir alles zu langweilig.“

Die ersten Schritte in der Lebensmittelbranche waren eine größere Herausforderung. „Schließlich habe ich die Gründer von True Fruits mit ‚Na, ihr Früchtchen?‘ angeschrieben”, sagt er. Einen Monat später hatte Lorscheid einen Termin bei den Smoothie-Machern. „Ich bin da noch mit dem Firmenwagen von Schiesser hin”, erinnert er sich. Dort habe er den Kontakt zu einer Projektentwicklungsfirma in Frankfurt bekommen, die seinem Rezept die richtige Würze verpasst hätten. Im Gegensatz zu seinem Getränk wurde Lorscheid ­dabei weniger flüssig: „Das war super, allerdings sind meine Ersparnisse auch knapp geworden.”

Dick im Geschäft: 3700 Flaschen sind noch übrig und sollen ihren Weg in Bars und Supermärkte finden.

Statt auf Saft basiert der dickflüssige Drink heute auf Tomatenpüree. „Sonst kommt der tomatige Geschmack nicht so raus.“ Für die nötigen Umdrehungen sorgt Trinkalkohol mit 96,4 Volumenprozent. „Dadurch gibt es keinen Eigengeschmack wie bei Korn oder Wodka und kein kratziges Brennen”, sagt er. Aus der fertigen Flasche fließen schließlich milde 15 Prozent: „Bei uns knallt die Schärfe, nicht der Alkohol.”

Die erhält das Getränk aus Chilis und Kräutern. „Der Rest ist geheim”, sagt der 27-Jährige, dem die Rezeptur vollständig gehört. „Wir hätten dafür auch mit einer großen Firma zusammenarbeiten können, aber dann hätten wir die aus der Hand gegeben.”

Um in dem Meer von Spirituosen-Start-ups nicht unterzugehen, verfolgt Lorscheid einen klaren Kurs: „Einfach keinen Gin machen.“ Auch bei einem großen Supermarktvertreter sei die
Abstinenz von Wacholder gut angekommen. Zusätzlich abheben will sich der Jungunternehmer mit dem Design seiner Flaschen: „Unser Getränk fällt im Regal sofort auf. Das macht viel aus.” Tatsächlich erinnert die gedrungene Flasche mit ihrem rot-weißen Design an eine Blutkonserve.

4200 dieser Gefäße wurden vor Weihnachten abgefüllt, ab April sind sie in einigen Rewe-Märkten zu finden. Edeka-Regale sollen bald folgen. Gemeinsam mit einem Mitarbeiter, der sich um Marketing sowie Social Media kümmert, und seinen Freunden, plant der Firmengründer schon den Sprung in den Großhandel: „Wir brauchen dafür unbedingt eine IFS-Zertifizierung und sehen uns deswegen gerade nach einem neuen Abfüller um.” Aktuell erfüllt sein Wasser nur gastronomische Standards: „Metro hat schon angefragt, aber ohne IFS-Siegel, bei dem die Flaschen vorher noch auf Staubpartikel geprüft werden, können wir die nicht beliefern.” Neben den Eigenheiten der Lebensmittelbranche habe Lorscheid in seiner Zeit als Unternehmer aber vor allem gelernt, auf Menschen zuzugehen: „Dir helfen mehr Leute als du denkst.”

Fotos: © Christoph Duepper