Die Entmachtung des Präsidenten: Der SC Freiburg glänzt mit Rekordumsatz – Fritz Keller muss leiser treten Politik & Wirtschaft | 22.11.2018 | Lars Bargmann

Der SC Freiburg hat seinen Umsatz in der vergangenen Saison im Vergleich zur vorherigen Runde um 36,9 auf 100,3 Millionen Euro gesteigert. Das ist mehr als doppelt so viel, wie der Verein in seiner bislang letzten Zweitliga-Saison (2015/16) erlöst hat.

Der Gewinn lag bei stolzen 11,1 Millionen Euro (2016/17: 1,8). Kräftig nach oben katapultiert hat sich allerdings auch der Aufwand: um 27,6 Millionen oder rund 45 Prozent auf 89,2 Millionen Euro. Während Finanzvorstand Oliver Leki bei den Einnahmen Details nennt, will sich der Club zu den einzelnen Kosten auch auf Nachfrage nicht weiter äußern.

Bei der jüngsten Mitgliederversammlung ging es nicht nur um nackte Zahlen, sondern auch um eine Satzungsänderung, die die Macht des Präsidenten Fritz Keller deutlich beschneidet. Und die von Leki und Sport-Vorstand Jochen Saier kräftig ausweitet, denn diese beiden entscheiden fortan die Geschicke des Vereins allein. Kommen sie dabei nicht auf einen Nenner, hat der Aufsichtsratsvorsitzende das letzte Wort – bis zu dem Tag war das Heinrich Breit.

„Wir haben uns ganz schön gezofft, aber jetzt lösen wir die Dreierkette auf und stehen gemeinsam hinter der neuen Satzung“, brachte Keller – schon seit 1994 Vorstandsmitglied und seit 2014 Präsident – die 645 stimmberechtigten Mitglieder auf Linie.

Bye bye Dreierkette: Präsident Fritz Keller ist fürs operative Geschäft nicht mehr zuständig. Das machen jetzt Oliver Leki (l.) und Jochen Saier (r.) allein.

Für den Winzer, der zuvor offenbar auch selber auf Linie gebracht wurde, wurde ein neues Gremium jenseits des operativen Geschäfts gebildet, das nur noch für repräsentative Aufgaben zuständig ist. Es sei denn, Keller wird von Leki und Saier ausdrücklich zum Mitentscheiden eingeladen. Was etwa so wahrscheinlich ist wie eine zweistellige Zahl an direkt verwandelten SC-Freistößen auf dem Platz.

»Demokratie sieht anders aus«

Die Mitglieder waren bei 42 Nein-Stimmen und 29 Enthaltungen durchaus folgsam. Es gab aber auch Kritik. Nachvollziehbar etwa daran, dass der Aufsichtsrats-Chef, wenn der Vorstand nicht einig ist, ins operative Geschäft eingreifen muss, das er selber kontrollieren soll. „Das waren Dinge, die auch mich gestört haben“, räumte Keller ein. Bis dahin konnten die Fans darauf vertrauen, dass der bewährte Breit das Kontrollgremium anführt. Nach der Abstimmung aber sagte er, dass in der Folgewoche ein neuer Vorsitzender gewählt werden würde.

„Demokratie sieht anders aus“, sagte ein Mitglied. „Sie wählen den Aufsichtsrat, der wesentlichen Einfluss hat, die Demokratie ist gewahrt“, konterte Leki. Er ist „überzeugt, dass die neue Satzung Klarheit in die Zuständigkeiten bringen wird“. Was vorher also nicht selbstverständlich war.

Nach einer Anfrage unserer Redaktion meldete der SC elf Tage nach der Versammlung, dass Breit wiedergewählt wurde. Damit hat das langjährige Vorstandsmitglied nun im Prinzip mehr Macht als Keller, mit dem er auch nicht immer einer Meinung war. Bei allen formalen Zuständigkeiten ist aber der Einfluss von Chefcoach Christian Streich sicher nicht zu unterschätzen.

Nach der Satzungsänderung wurde Keller als Präsident bei nur 6 Nein-Stimmen und 24 Enthaltungen wiedergewählt und freute sich über das „überragende Ergebnis“. Der Präsident soll künftig nicht mehr vom Aufsichtsrat, sondern vom Ehrenrat (beide Gremien wurden bestätigt) vorgeschlagen werden.

Bärenstark waren die wirtschaftlichen Zahlen. Die Ticketerlöse kletterten um 0,9 auf 11,2 Millionen Euro, die Sponsoring-Einnahmen um 0,6 auf 13,3 Millionen, die TV-Erlöse um 14,2 auf 43,2, die sonstigen Erträge um 21,2 auf 32,6 Millionen – was vor allem an den Transfers von Maximilian Philipp und Vincenzo Grifo lag.

Das Kontrollgremium: Heinrich Breit (3. v. l.) wurde als Chef des Aufsichtsrats wiedergewählt.

Saier sprach hernach rückblickend von einem „Schweinejahr, das wir großartig gemeistert haben“. Die Transferperiode vor der vergangenen Saison habe bei ihm und Sportdirektor Klemens Hartenbach eine „große Frustrationstoleranz“ erfordert, weil mehrere Transfers auf der „Ziellinie, nicht auf der Zielgeraden“ gescheitert waren – etwa der von Michael Gregoritsch, der für den FC Augsburg in der abgelaufenen Saison 13 Tore schoss und 5 vorbereitete. Ein Spieler, der auch auf der Ziellinie zurückgezogen hatte, habe bei zwei Championsleague-Halbfinalspielen auf dem Platz gestanden.

„In diesem Sommer haben wir aber unsere absoluten Wunschspieler bekommen“, sagte Saier, der die Fans beim monatelangen Unterfangen Klassenerhalt lobte: „Mehr Einfühlungsvermögen gibt es nirgends.“

Für Leki ist das neue Stadion am Flugplatz ein zentraler Zukunftsfaktor, ebenso wie der SC ein guter Wirtschaftsfaktor für Freiburg sei. Die Baugenehmigung ist so gut wie erteilt. Mit dem Bau der Arena soll es demnächst losgehen. Leki hofft, dass es keine gerichtlichen Auseinandersetzungen geben wird, die die „Nachbarschaft belasten“. Die Unterstützung für den Sportclub Freiburg wächst stark: Vor zehn Jahren hatte der Club keine 3000 Mitglieder, heute sind es mehr als 17.000.

Zum stark gestiegenen Aufwand wäre zu sagen, dass nach Angaben der DFL Spieler, Trainer und Betreuer die Erstliga-Vereine in der Saison 2016/17 im Schnitt 36,7 Prozent vom Umsatz kosteten. Auf Freiburg bezogen kosteten die Profis so mithin knapp 37 Millionen Euro.

Visualisierung: © HPP-Koester, Fotos: © Achim Keller, SCF