Dieselumrüstung: Freiburger Autohäuser schweigen zum Skandal Politik & Wirtschaft | 09.08.2018 | Philip Thomas

VW verbuchte in 2017 mit 11,4 Milliarden Euro einen Rekordgewinn, Daimler legte 10,9 Milliarden Euro vor. Wer aber mit den Händlern über Dieselgate sprechen will, trifft auf eine Mauer des Schweigens.

Freiburgs Autohändler haben Sand im Getriebe. Werner Heck, Leiter der bhg-Südbaden und Händler der entlarvten Marken Volkswagen, Škoda und Audi lehnt ein Statement zur Dieselumrüstung gegenüber dem business im Breisgau ab. Er verweist ins einige Tankladungen entfernte Wolfsburg. Mercedes Kestenholz zeigt mit dem Finger auf die Presseabteilung von Daimler in Stuttgart. Bisher müssen 238.000 dort geplanter Fahrzeuge einen unfreiwilligen Boxenstopp einlegen. Auch Schmolck in Emmendingen ziert sich und bleibt bis Redaktionsschluss Antworten schuldig.

Dieses Schweigen ist eine Schutzmaßnahme: Schadensersatzansprüche von geprellten Kunden können nur geltend gemacht werden, wenn die Verkäufer von der Skandal-Software gewusst haben. Unschuldsbekundungen sind die Folge. „Wir haben es auch erst aus der Zeitung erfahren“, beteuert ein Freiburger Händler. „Man kann nicht beweisen, dass die Autohändler Bescheid wussten“, sagt Oliver Buttler von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Er empfiehlt getäuschten Fahrern, sich einer Musterfeststellungsklage anzuschließen. Dabei tragen die Verbraucher nicht mehr einzeln Prozess- und Forschungskosten. Bei einer Umrüstung würden allerdings auch alle dazu notwenigen Beweise vernichtet.

Schweigen als Schutzmaßnahme

Hinter vorgehaltener Hand heißt es bei Händlern: Die Verunsicherung bei der Kundschaft in der Region ist groß. Für die anstehenden Rückrufe sieht sich ein Händler aber gerüstet. Johannes Leifert von Daimler ist gesprächiger: Er geht nicht davon aus, „dass sich diese Maßnahmen negativ auf die Qualität verschiedener Bauteile und Komponenten auswirken“. Tatsächlich mehren sich Beschwerden von Kunden verschiedener Marken, die über Schäden nach dem Knopfdruck klagen. „Es kann zu Ablagerungen und Verstopfungen kommen“, sagt Buttler, „das ist ein Rattenschwanz.“

Noch ist unklar, wie viele Marken und Pkw in den Skandal verwickelt sind. Nach Angaben der KFZ-Zulassungsstelle Freiburg erhielten im Stadtgebiet bisher 37 Fahrzeughalter die Aufforderung vom Kraftfahrtbundesamt, ihren Wagen umrüsten zu lassen. 17 sind diesem Aufruf bisher gefolgt. Durch den Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald fahren noch mindestens 60 Fahrzeuge, die noch keiner Umrüstung unterzogen wurden. Spätestens beim nächsten TÜV-Termin tritt der Staat auf die Bremse.

Trotz Abgasskandal: Daimler und Volkswagen fahren auf den Asphaltpisten weiter Milliardengewinne ein.

Eine Freiburgerin, die solch einen blauen Brief vom Amt bekommen hat und im Zusammenhang mit der Abgasaffäre lieber anonym bleiben möchte, sagt: „Die Umrüstung beim zuständigen Händler ist problemlos verlaufen.“ Der Wagen würde jetzt sogar schneller beschleunigen. Tests des ADAC ergaben, dass sich der Benzinverbrauch bestimmter Wagen nach der Umrüstung leicht erhöhen kann.

Ihr Vertrauen in Volkswagen scheint durch den Skandal aber ungebrochen: „Wir haben uns dann ein größeres VW-Modell gekauft.“ Der Wagen sei ein Benziner. „Wir hätten aber auch wieder einen Diesel gekauft“, sagt die Mutter. Insgesamt ist das Vertrauen in die Selbstzünder aber gesunken: Im Juni 2016 wurden deutschlandweit 156.350 Dieselfahrzeuge neu zugelassen. Genau zwei Jahre später sind es nur noch 106.618.

»Es ist gerade schwierig, einen Diesel zu verkaufen«

Selbst Autofahrer, die von dem Abgasskandal nicht betroffen sind, haben aktuell Schwierigkeiten, ihren gebrauchten Diesel loszuwerden, auch wenn diese keine Schummel-Software an Bord haben: „Es ist gerade schwierig, einen Diesel zu verkaufen“, sagt Christian Schmitt aus Freiburg. Der Markt für Dieselfahrzeuge sei überfüllt. Er habe auf seinen angebotenen Golf noch keine einzige Anfrage erhalten: „Ich bin schon 1000 Euro runter.“

Gunnar Matzen vom Online-Fahrzeugmarkt mobile.de beobachtet, dass Autohändler ihren Fuhrpark umstellen: So sei die Zahl der angebotenen Dieselfahrzeuge im vergangenen Mai im Vergleich zum Vorjahresmonat um 13,3 Prozent gesunken. Benziner verhielten sich hingegen stabil, sanken nur um 0,9 Prozent – stiegen aber im gleichen Zeitraum im Preis um 13,5 Prozent.

Noch sind in der Abgasaffäre viele rechtliche Fragen ungeklärt. Klar ist aber, dass Autofahrer getäuscht wurden. „Der Betrug liegt darin, dass etwas anderes verkauft wurde, als vereinbart war“, erklärt Buttler. Die Justiz sieht das auch so: Audi-Boss Rupert Stadler sitzt deswegen in U-Haft.

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