Fraktionen beweisen Disziplin: Kein Feuerwerk an Nachträgen für den Freiburger Doppelhaushalt Politik & Wirtschaft | 22.03.2021 | Lars Bargmann

Ratssaal im Pandemiezustand Ratssaal im Pandemiezustand: Beim vergangenen, schon auf Kante genähten Doppelhaushalt sattelten die Fraktionen am Ende noch 6,3 Millionen Euro drauf.

In Freiburg biegt die Verabschiedung des knapp zwei Milliarden Euro schweren Doppelhaushalts 2021/22 auf die Zielgerade ein. Nachdem Oberbürgermeister Martin Horn und Finanzbürgermeister Stefan Breiter den Entwurf Anfang Dezember vorgestellt hatten, wird heute und morgen über die insgesamt 486 Änderungsanträge der Fraktionen beraten. Aufreger dabei war die Forderung der Fraktion Eine Stadt für Alle (ESfA), die Gewerbesteuer zu erhöhen. Ein Überblick über mehrheitsfähige Anträge und solche, die sich im Haushalt nicht wiederfinden werden.

Der am heftigsten umstrittene Vorschlag bislang war die von der Fraktion Eine Stadt für Alle (ESFA) geforderte Anhebung des Gewerbesteuerhebesatzes von 430 auf 450 Punkte. Die wird nicht kommen. ESFA hatte dies ab 2022 gefordert, weil ein Sparhaushalt auf Kosten von Schulsanierungen und stagnierenden Zuschüssen für kulturelle Institutionen „für uns nicht in Frage kommt“. Auf neun Millionen Euro hatte die Liste mögliche Mehreinnahmen errechnet. „Die Forderung nach Steuererhöhungen ist absurd“, konterte die CDU. Der Vorstoß der Linken sei eine „unfaire Attacke gegen Handwerk und Mittelstand in schwierigster Zeit“.

Auch die Freien Wähler lehnen die Forderung „entschieden ab“. Ein höherer Hebesatz „vertreibt Gewerbetreibende aus der Stadt“, so der Fraktionsvorsitzende Johannes Gröger. Auch die Grünen, die SPD/Kulturliste, FDP/Bürger für Freiburg, die AFD und Freiburg Lebenswert winkten ab.

Die Grünen (13 Sitze) werden indes ihre Hände heben für Mehreinnahmen und Minderausgaben in Höhe von jeweils knapp neun Millionen Euro. Dafür soll die Stadt etwa für 3,7 Millionen Euro ein Grundstück an die Freiburger Stadtbau GmbH (FSB) verkaufen, die Parkgebühren für Anwohner auf im Schnitt 360 Euro jährlich (2,8 Mio.) erhöhen, kein Geld mehr für Graffitireinigungen an Privathäusern ausgeben (spart 220.000) sowie 450.000 Euro beim Vollzugdienst und eine Million bei der Sanierung des Augustinermuseums einsparen. Dafür sollen zusätzlich drei Millionen für mehr Klimaschutz bei den Schulen, 7,8 Millionen für die Verkehrswende (wenn das Land 5 Millionen zuschießt); 1,3 Millionen für die Kita Violett, 450.000 Euro für kulturelle Einrichtungen und 200.000 fürs Tanznetz investiert werden. Unterm Strich ein haushalterisches Nullsummenspiel.

ESfA (7 Sitze) will neben mehr Gewerbesteuer ebenfalls die Anwohnerparkgebühren erhöhen (2,8 Mio.), den Vollzugsdienst ganz abschaffen (2 Mio.), bei der Sanierung des Augustinermuseums und beim Projekt Gesundheitscampus Gewerbeschulen je eine Million sparen. Dafür aber acht Millionen mehr für den Fuß- und Radverkehr ausgeben, drei fürs Außenbecken beim Westbad, 2,45 für Tariferhöhungen, für PV-Anlagen auf Schuldächern zwei und knapp zwei für die Sanierung der Max-Weber-Schule. Unterm Strich auch das ein Nullsummenspiel – wenn es 4,7 Millionen öffentliche Zuschüsse gibt.

Die SPD/Kulturliste (7 Sitze) agiert ebenfalls haushaltsneutral, setzt aber Schwerpunkte beim Westbad und mehr Park&Ride (je 0,5 Mio.), bei der Sanierung von Schulen (1 Mio.) und fordert einen Nothilfefonds für die Kultur (0,3 Mio.), aus dem 50.000 Euro für Clubs und Subkultur sowie Geld fürs Filmfestival „Ins Weite“ reserviert sind. Sparen möchte die Fraktionsgemeinschaft bei der Digitalisierung (0,5 Mio.) und beim Augustiner (1 Mio.), zudem rechnet sie die Parkgebührenerhöhung auf 500.000 Euro und will die Steuer für den Zweitwohnsitz in Freiburg so anheben, dass 300.000 mehr in die Stadtschatulle wandern.

Die CDU (6 Sitze) fordert 2,7 Millionen Euro für die Max-Weber-Schule, zwei Millionen mehr für die Bauunterhaltung, 1,3 Millionen für die Kita Violett, 200.000 Euro für einen Kultur-Notfallfonds und 125.000 Euro für einen Veranstaltungsraum in der Lokhalle. Dafür soll die Erhöhung der Kapitalrücklage für die FSB gestrichen werden (5 Mio.), zwei Millionen weniger für neue Grundstücke und fünf Prozent weniger bei allen Großprojekten (2 Mio.) ausgegeben werden. Sechs Millionen will die CDU zudem durch den Verkauf von Erbpachtgrundstücken einspielen. Wozu es einen neuen Beschluss des Gemeinderats bräuchte, denn ein bestehender verbietet das.

Die JUPI-Fraktion (5 Sitze) wird beim teureren Anwohnerparken (2,8 Mio.) mitmachen, ebenfalls beim Augustinermuseum sparen (1 Mio.), die Digitalisierung etwas bremsen (0,5 Mio.), 450.000 weniger für den Vollzugsdienst und 220.000 weniger für Graffitis budgetieren. Dafür sollen 7,3 Millionen Euro mehr für den Fuß- und Radverkehr, drei Millionen mehr fürs Energiesparen an Schulen, 200.000 fürs Mädchenzentrum Tritta und 170.000 Euro für die Unterstützung des Nachtlebens ausgegeben werden.

FDP und Bürger für Freiburg (4 Sitze) wollen für elf Millionen Erbpachtgrundstücke verkaufen, je eine Million beim Augustiner und Gesundheitscampus sparen, zehn Stellen im Rathaus und bei der FSB sparen (934.000) und 500.000 Euro mehr von Anwohnern fürs Parken vorm Haus kassieren. Mehr ausgegeben werden soll für die Begrünung der Innenstadt, ein Kunstfestival und das Filmfestival „Ins Weite“ (je 50.000), 35.000 für die Alemannische Bühne, 85.000 für eine bessere Weihnachtsbeleuchtung in der City. Die Fraktion entlastet den Rathausentwurf insgesamt um 14 Millionen Euro.

Die Freien Wähler (3 Sitze) plädieren für Tariferhöhungen (18,27 Mio.), fürs Außenbecken beim Westbad (6 Mio.) und wollen 300.000 Euro für ein Konzept zur Verwaltungsreform investieren. Dafür sollen die Kapitalrücklage an die FSB gestrichen werden (5 Mio.) und für 16,7 Millionen Grundstücke an die FSB verkauft werden, 15 Millionen aus dem Verkauf von städtischen Handtuchgrundstücken erlöst sowie eine Million für den Gesundheitscampus an den Berufsschulen gestrichen werden. Unterm Strich entlasten die Vorschläge den Haushalt um knapp 13 Millionen Euro.

Die AFD (2 Sitze) hatte als erste Fraktion ihre Anträge präsentiert. Demnach sollen 10 Millionen bei der Digitalisierung gespart werden, 5,8 bei den Themen Radverkehr, Mobilität und Klimaschutz, 4,9 Millionen Euro an Zuschüssen gekürzt, das NS-Dokuzentrum gar nicht gebaut (1,5 Mio.) und für vier Millionen Euro Streubesitz verkauft werden. Dafür will die Fraktion 3,8 Millionen am Bertold-Gymnasium und der Max-Weber-Schule investieren, 2,2 Millionen ins Außenbecken am Westbad stecken, vier Millionen für die ersten Schritte hin zu einem neuen Eisstadion und 2,1 in die Aufwertung der Sportachse Ost investieren.

Einzel-Stadtrat Wolf Winkler von Freiburg Lebenswert hantiert derweil mit vollen Händen: 12,7 Millionen Euro mehr für den Fuß- und Radverkehr, 2,5 für mehr Solaranlagen auf Schulen, 8,5 fürs Außenbecken Westbad, zehn Millionen Euro für die Sanierung des Westflügels am Lycée Turenne. Das ist deswegen alles drin, weil auf der Streichliste stehen 65 Millionen für den neuen Stadtteil Dietenbach und das Baugebiet Höhe in Zähringen, 1,5 für den Gesundheitscampus, fünf Millionen für die FSB. 15 Millionen Euro sollen durch Grundstücksverkäufe reinkommen. Da Winkler mit 8,2 Millionen an Landeszuschüssen rechnet, würden seine Vorschläge den Etat um mehr als 40 Millionen Euro entlasten.

Am 22. und 23. März stellen die Fraktionen bei der Zweiten Lesung des Haushalts im Freiburger Rathaus die Weichen, am 27. April soll der zweite Doppelhaushalt in der Amtszeit von Horn und Breiter verabschiedet werden. Er sieht insgesamt 228 Millionen Euro an Investitionen vor, bis zu 90 Millionen neue Schulden und einen 33,5 Millionen teuren Griff in die Rücklagen. Ende 2018 lag der Schuldenstand des Rathauses bei 167 Millionen Euro, Ende 2022 wird er, wenn keine großen Mehrerlöse von Bund und Land in die Kasse kommen, bei rund 348 Millionen liegen. Und damit etwa wieder auf dem Niveau von 2006, als Horns Vorgänger Dieter Salomon in der Not die Freiburger Stadtbau verkaufen wollte. 

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