Freiburger Klimaschutzziele drohen zu scheitern – wie die des Bundes auch Politik & Wirtschaft | 23.11.2017 | Tanja Senn & Lars Bargmann

Paris, Bonn, Freiburg. Will man die Ziele der Weltklimakonferenz erreichen, ist klar: Es muss nicht nur global, sondern auch lokal richtig gearbeitet werden. Doch selbst die Green City und gekürte Klimaschutzhauptstadt Freiburg tut sich enorm schwer.

Mit den bisherigen Maßnahmen wird sich das selbstgesteckte Ziel einer klimaneutralen Stadt bis 2050 nicht halten lassen. Der Gemeinderat will mit einem neuen Klimaschutzkonzept noch etwas reißen – und setzt dabei auch auf die Beteiligung der Bürger.

„Wir müssen besser und schneller werden“, gibt Umweltbürgermeisterin Gerda Stuchlik zu, „sonst werden wir die Klimaneutralität bis 2050 nicht erreichen.“ Man sei aber auf einem guten Weg: Von 1992 bis 2014 – auf diese Jahre beziehen sich die aktuellsten Zahlen – seien die Kohlendioxid-Emissionen um 20 Prozent gesunken. Dass die Bilanz nicht besser ausfällt, ist vor allem dem Verkehr geschuldet – in diesem Bereich stagnieren die Emissionen. Doch auch das Bevölkerungswachstum macht der Boomtown einen Strich durch die Rechnung: Denn legt man die Zahlen auf die Bewohner um, sind die Emissionen pro Kopf um 30 Prozent zurückgegangen. Dazu beigetragen hätten 67 Projekte, die von 2014 bis 2016 umgesetzt wurden.

Dass sie die Hände in den Schoss lege, will sich Stuchlik daher nicht vorwerfen lassen: „Wir arbeiten kontinuierlich und betreiben keine Projekteritis.“ Aus dem Gemeinderat gibt’s dafür Beifall. Grünen-Stadtrat Eckart Friebis lobt den Maßnahmen-Katalog als „echtes Nachschlagewerk“, Kollege Bernhard Schätzle von der CDU sieht Freiburg als Klima-Vorzeigestadt.

Damit das so bleibt, hat das Gremium jetzt beschlossen, das Klimaschutzkonzept ab Januar 2018 fortzuschreiben. Das vorliegende hat immerhin auch schon zehn Jahre auf dem Buckel. Neue Impulse soll es dabei vor allem durch die Beteiligung der Bürger geben. „Um weiterzukommen, brauchen wir die Sicht von außen“, appelliert Stuchlik an die Freiburger. Hierfür sind Veranstaltungen, Workshops und eine Online-Plattform geplant. Bis Anfang 2019 sollen die dort gesammelten Ideen dann in einen neuen Aktionsplan einfließen.

Für die Fortschreibung des Konzepts nimmt das Rathaus erneut Geld in die Hand: 145.000 Euro. Die sind über den aktuellen Doppelhaushalt und die Mittel aus der Konzessionsabgabe der Badenova weitgehend finanziert.

CO2 macht k.o.: In Deutschland sorgen vor allem die Kohlekraftwerke dafür, dass die Atmosphäre weiter drangsaliert wird.

Besonderes Augenmerk liegt bis dahin auf dem Thema „Energiebewusst sanieren“. Nicht zu Unrecht, denn private Haushalte nutzen 75 Prozent ihrer Energie allein fürs Heizen. Mit einer Quote von 1,6 Prozent wird in Freiburg doppelt so viel saniert wie im Schnitt im gesamten Bundesland. Um die Klimaziele zu erreichen, müssen die Quoten allerdings bis 2020 auf 1,8 Prozent und danach sogar auf 2 Prozent angehoben werden.

Dafür hat der Gemeinderat die Förderrichtlinien ab dem 1. November nochmals angepasst. So wird ab jetzt etwa die Dämmung von Kellerdecken und den Decken des obersten Geschosses mit zehn statt bisher sechs Euro pro Quadratmeter bezuschusst. Auch die Installation von Blockheizkraftwerken, Stromspeichern oder umweltfreundlichen Dämmstoffen wird stärker gefördert.

Doch so positiv gestimmt sich der Gemeinderat zeigt, das Ruder noch herumreißen zu können – immer wieder geht der Blick in die Hauptstadt. „Wir müssen auch vom Land, dem Bund und der EU massiv unterstützt werden“, fordert Oberbürgermeister Dieter Salomon. Oder wie es Friebis blumig formuliert: „Nur mit positiver Begleitmusik aus Berlin werden wir unsere Ziele erreichen.“

Nun, aus Berlin gab es zuletzt eher Misstöne zu vernehmen: Auch Deutschland wird seine Klimaschutzziele verfehlen – und das noch deutlicher als die Bundesregierung im vergangenen Mai ohnehin schon zur EU-Kommission nach Brüssel mitgeteilt hatte. Damals sprach die Regierung von einer Abweichung von 1,5 bis 5 Prozent. Es werden, wie die Süddeutsche Zeitung zuerst berichtete, mindestens 7,5 Prozent. Deutschland wollte die Emissionen bis 2020 gegenüber dem Jahr 1990 um 40 Prozent senken. Es werden aller Voraussicht nach höchstens 32,5 Prozent. Es gibt zwei Hauptschuldige: den Autoverkehr und den ungehemmten Betrieb von Kohlenkraftwerken. Es wäre keine Überraschung, wenn der Bund nun noch mal neue Ziele formuliert, die weiter in der Zukunft liegen.

So hatte es auch Freiburg gemacht. 1996 hatte der Gemeinderat ein erstes Klimaschutzkonzept verabschiedet, wonach die CO2-Emissionen bis 2010 um 25 Prozent niedriger sein sollten, als sie es 1992 waren. Als klar war, dass das nicht klappt, steckte die Politik ein neues Ziel ab: 40 Prozent CO2-Einsparungen bis 2030. Die Deutsche Umwelthilfe kürte Freiburg im Jahr 2010 zur Klimaschutzhauptstadt – obwohl vor Ort die eigenen Schutzziele verfehlt wurden. 2014 kam dann die nächste Klimagas-Stufe: 50 Prozent bis 2030 und klimaneutral bis 2050. Wenn die Stadt weiter so wächst wie bisher, ist das auch eher Vision als Realismus.

Harte Fakten sprechen derweil eine deutliche Sprache: Die CO2-Konzentration in der Atmosphäre hat im vergangenen Jahr einen neuen Rekordwert erreicht. Im weltweiten Durchschnitt lag sie nach Angaben der Weltwetterorganisation bei 403,3 Teilchen Kohlendioxid pro eine Million Luftteilchen. Forscher schätzen, dass die Erde vor drei bis fünf Millionen Jahren zuletzt eine derart hohe CO₂-Konzentrationen aufwies. Der Meeresspiegel lag seinerzeit 20 Meter höher als heute.

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