Heiß auf Wärme: Energiedienst gewinnt Energie aus Abwasser Politik & Wirtschaft | 25.07.2019 | Philip Thomas

Kochen, duschen, waschen: Jeden Tag verschwinden unzählige Liter warmes Wasser im Abfluss. Die Firma Energiedienst aus Rheinfelden zapft in einem Pilotprojekt diese Quelle nun dort an, wo sie entsteht.

Im Neubaugebiet Weiermatten in Schallstadt wird der Versorger künftig mit nutzbar gemachtem Abwasser im Winter heizen, im Sommer kühlen und Warmwasser bereiten. Das Projekt zeigt, wie auch Dietenbach klimaneutral werden könnte. „Wir brauchen eine neue Denke bei der Wärmeversorgung“, sagt Stefan Schlachter, Projektleiter in einem 18-köpfigen Team für Wärme- und Energielösungen bei Energiedienst.

Bei der Versorgung der 36 Einfamilien-, sechs Mehrfamilienhäuser und dem neuen Rathaus schließt er Heizen mit Gas aus: „Um unsere Klimaziele zu erreichen, brauchen wir neue Technologien, die keine edlen und endlichen Rohstoffe unwiederbringlich verbrennen.“

Die Kalte Nahwärme biete enorme Möglichkeiten und sei in Form von Abwärme auf niedrigem Temperaturniveau überall da zu finden, wo Menschen siedeln und arbeiten. „Es lohnt sich, Potenziale zu erkennen und Quartiere dezentral zu versorgen“, sagt Schlachter. Im Falle von Weiermatten ist das Abwärmepotenzial „im Untergrund“, im Abwassersammler zu finden. Dieser liegt im Westen des Baugebietes. Hier fließen jede Sekunde mindestens 22 Liter Abwasser. Nach dem Spatenstich im Juli soll dieser Abwasserstrom schnell energetisch nutzbar gemacht werden.

In dem Abwasserkanal fließt das ganze Jahr hinweg Abwasser mit einer Temperatur zwischen zwölf und 18 Grad. Zwölf Grad warmem Wasser vier Grad zu entziehen, ist für Schlachter ein Erfolg. „Es gilt, nur ein paar Grad auf verhältnismäßig niedrigem Temperaturniveau zu bekommen.“ Dieses kleine Temperaturdelta erhält Schlachter durch einen Wärmetauscher beim Kanal.

Nachdem das Schmutzwasser dort von groben Verunreinigungen befreit wurde, gelangt es mittels Pumpen in einen Wärmetauscher, einen großen Tank, der von mehreren Edelstahlrohren durchzogen wird. In ihnen fließt reines Wasser. Dieses ist kälter als das vorgereinigte Abwasser, das die Leitungen umströmt. Außer wertvoller Wärmeenergie wird dem Abwasser dabei nichts entzogen.

„Das ist ein geschlossenes System und kommt ohne Einbauten im Abwassersammler aus“, sagt Schlachter. „Das System ist zuverlässig und effizient“, kommentiert der 27-jährige Experte. Mit einer Jahresarbeitszahl (JAZ) von 4,5 sei das System effizienter als eine klassische Luft-Wärmepumpe (JAZ 3), deren Betrieb etwa ein Drittel mehr Strom verbraucht.

Nachdem die Abwärme entzogen wurde, fließt das Abwasser zurück zum Entnahmebauwerk und wird hier wieder dem Abwassersammler zugeführt. Das erwärmte Wasser wird im Wohngebiet Weiermatten mittels Wärmepumpen als klimaneutrale Wärmequelle nutzbar gemacht.

Um Schwankungen im Abwassersammler vorzubeugen und eine konstante Wärmequelle zu gewährleisten, ist dem System ein 500 Kubikmeter großer Pufferspeicher angeschlossen. Insgesamt lassen sich so rund 200 Wohneinheiten versorgen. Den Strombedarf der Wärmepumpen deckt Energiedienst über die Stromerzeugung ihrer Flusskraftwerke. Dadurch ist nicht nur die Wärmequelle CO2-neutral, sondern auch die gesamte Wärmeerzeugung.

„Wir stehen noch am Anfang“, sagt Schlachter über das Pilotprojekt, das in der Region seinesgleichen sucht. Schon jetzt sei die Technologie dahinter für die Klimabilanz des geplanten Freiburger Stadtteils Dietenbach interessant. Noch fließen der Green-City jeden Tag ungenutzte Energien „im Untergrund“ davon: In Freiburgs größtem Abwasserrohr strömen pro Sekunde 330 Liter.

Foto: © Energiedienst /Juri Junkov