Knirschender Kompromiss statt knallender Korken – Das Tarifergebnis im öffentlichen Dienst ist ein wichtiges Signal Politik & Wirtschaft | 22.05.2025 | Philip Thomas

Streik verdi

Nach intensiven Verhandlungen samt Schlichtungsverfahren haben sich Gewerkschaften und Arbeitgeber in der vierten Verhandlungsrunde des Tarifstreits für den öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen geeinigt: Insgesamt 5,8 Prozent mehr Lohn in zwei Stufen. Zwei Jahre ist der Vertrag gültig. Bis dahin fahren Bahnen im Breisgau wieder, und die Kinderbetreuung ist sichergestellt.

Das ist ein Kompromiss, mit dem keine der beiden Seiten allzu glücklich ist. „Wir sind an die Grenze dessen gegangen, was wir bei schwieriger Haushaltslage verantworten können“, sagte die geschäftsführende Innenministerin Nancy Faeser (SPD) über den Abschluss im April. Verdi-Chef Frank Werneke nennt den Ausgang „ein schwieriges Ergebnis in schwierigen Zeiten“.

Denn gefordert hatten die Gewerkschafter acht Prozent mehr Lohn, flexiblere Arbeitszeiten und zusätzlich drei freie Tage. Und das zwei Jahre nach der bis dato letzten Tarifrunde für Bund und Kommunen. In der vierten Verhandlungsrunde einigten sich die Vertreter damals auf abgabenfreie Sonderzahlungen von insgesamt 3000 Euro und durchschnittlich 11,5 Prozent mehr Gehalt. Das ist stattlich und der bisher höchste Tarifabschluss.

Positionen weit auseinander

Wohl auch deswegen lagen die beiden Positionen nun so weit auseinander, gerade beim Thema Freizeit: Gewerkschaften hatten drei zusätzliche Urlaubstage gefordert. Bekommen haben sie einen freien Tag ab 2027 – und die gegensätzliche Möglichkeit, mehr zu arbeiten. Es sei noch zu früh, um eine valide Aussage zu treffen, „eine erste Rückmeldung aus einem Betreuungsbereich lässt jedoch vermuten, dass die Beschäftigten hiervon nur bedingt Gebrauch machen werden“, lässt Rathaussprecherin Martina Schickle durchblicken. Nach Jubel klingt das ebenfalls nicht.

„Freizeit ist heute wichtiger als vor 15 Jahren“, betonte Verdi-Gewerkschaftssekretär Michael Herbstritt im Bezirk Südbaden nach der zweiten Verhandlungsrunde gegenüber chilli. Die Verhandlungen beschrieb er damals als „sehr schleppend“. Beide Seiten mussten sich strecken. Vor einer angespannten wirtschaftlichen Lage sowie dem Fachkräftemangel sendet die aktuelle Einigung das Signal: Mehr ist nicht drin.

Denn die Hälfte (49 Prozent) aller 100 vom Deutschen Städtetag befragten Großstädte beurteilen die künftige Haushaltslage als „sehr schlecht“. Weitere 46 Prozent schätzen sie für die nächsten fünf Jahre als „eher schlecht“ ein, während lediglich zwei Prozent sie als „eher gut oder ausgeglichen“ bewerten.

Freiburgs Kämmerer haben die Rechenschieber bereits gezückt. Laut Rathaussprecherin Schickle kostet die Einigung über die beiden Jahre insgesamt rund 3,5 Millionen Euro. Schließlich arbeiten in der Freiburger Stadtverwaltung rund 4400 Menschen. 3450 davon werden nach dem Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst (TvÖD) bezahlt. Laut Beteiligungsbericht waren bei den städtischen Gesellschaften und Eigenbetrieben im Jahr 2024  insgesamt rund 3900 Personen beschäftigt. 1412 Personen davon bei Badenova.

Deutschlandweit profitieren rund 2,6 Millionen Menschen vom Abschluss. Dem gegenüber stehen knapp 43 Millionen Erwerbstätige, die mittlerweile davon ausgehen können, dass eine Anstellung im öffentlichen Dienst nicht nur vergleichsweise sicher ist, sondern auch gescheit entlohnt wird.

Bei all den Gewerkschaftsansinnen nach fairer Bezahlung und Solidarität offenbar vergessen wurden Arbeitnehmer wie Kantinenmitarbeiter oder Hausmeister, die in der Regel über Subunternehmen angeheuert sind. Sie bekommen kein Stück vom Kuchen. Den Tarifabschluss spürt diese Gruppe höchstens beim Eintritt ins städtische Museum oder Schwimmbad. 

Foto: © Frantisek Matous