Knöllchen und Konflikte: Unterwegs mit dem Freiburger Ordnungsamt Politik & Wirtschaft | 26.07.2019 | Philip Thomas

Rund 490.000 Bußgelder hat das Freiburger Ordnungsamt vergangenes Jahr verhängt. Nicht immer nehmen die zur Kasse gebetenen ihre Strafe leise hin: Bis zu 60 Beleidigungen und Drohungen registrierte das Amt 2018.  Die Beamten neben Blitzgerät und Strafzettel deswegen vor allem eine dicke Haut.

Wie die meisten ihrer neun Mitstreiter im Freiburger Radarteam hat auch die Gemeindevollzugsbedienstete Denz kein Facebook. Sie steht lieber hinter der Kamera als davor: „Es gibt leider Leute, die uns hassen und online suchen.” Angst habe sie keine. „Man braucht aber ein dickes Fell”, sagt die 42-Jährige beim Dienstantritt. Heute steht sie mit einem der vier mobilen Blitzerfahrzeuge des Amtes in einer 30er-Zone vor der Gerhart-Hauptmann-Schule.

Bevor sie die Anlage scharf stellt, protokolliert sie den Abstand zum Bordstein, die Sicht und kalibriert das Radargerät. Die Porträits müssen einer Prüfung vor Gericht standhalten. Danach verriegelt sie den Wagen von innen. „Manchmal reißen Leute die Fahrertür auf und wollen wissen, ob sie geblitzt wurden”, sagt sie. Die meisten meinten das nicht böse. Trotzdem sitze sie nicht gerne unter den aufgebrachten Fahrern. „Einige wollen nur Dampf ablassen. Die hören dann gar nicht, was ich sage”, erzählt sie.

Im Radio laufen die Nachrichten. Es folgt eine Durchsage aller gemeldeten Blitzer in Freiburg. „Das sind meine Kollegen”, freut sich Denz. Dass Autofahrer ihren vollgepackten Caddy bereits von Weitem sehen und abbremsen, stört sie ebenfalls nicht: „Deswegen stehen wir ja da.“ Nach einer Stunde löst der Blitzer aus. „So vorbildlich ist es hier sonst nicht“, sagt sie. Danach huscht ein Fahrer bei dunkelgelb über die Ampel und grinst Denz breit an. „Unnötig“, kommentiert sie. An der Straße ständen schließlich Kinder.

„In dem Job braucht man auch eine große Portion Humor”, bestätigt Sandra Saur, Abteilungsleiterin der Freiburger Bußgeldbehörde und des kommunalen Ordnungsdienstes im Stühlinger Rathaus. Um sich vor Knöllchen zu drücken, habe das Amt fast alles gehört. Das Spektrum reiche von parkscheinfressenden Hunden bis zu kreativeren Ausreden. Zwar gebe es bei jedem Fall einen Ermessensspielraum, Ordnung müsse aber sein: „Wenn sich niemand kümmert, nimmt die Bereitschaft ab, sich an Regeln zu halten. Und nur so funktioniert eine Gesellschaft.”

Für ihren Ordnungsdienst sei Freiburg ein besonderes Pflaster: Um dem linksliberalen Verständnis der Stadt Sorge zu tragen, setzt die dreizehnköpfige Polizeibehörde laut Saur auf Dialog statt auf Sanktion. „Das ist politisch so gewünscht. Ordnung wird in Freiburg auch kritisch gesehen”, sagt sie. In Städten wie Stuttgart oder Mannheim sei der Dienst weniger nachsichtig. Bei Bierkisten im Becken auf dem Platz alten Synagoge sei dieses Verständnis allerdings schnell aufgebraucht.

Auch sonst gebe es in der Studentenstadt genug Konfliktpotenzial. Etwa nachts auf öffentlichen Plätzen. „Man kann es dort niemandem recht machen”, sagt die 47-Jährige. Bei der Anweisung zu gehen und einem Aufschub von 15 Minuten, fühlten sich Nachtschwärmer gegängelt und Anwohner auf der anderen Seite nicht ernst genommen. „Ich glaube aber, dass wir mit unserem Weg erfolgreich sind”, ist die Abteilungsleiterin überzeugt. Ganz ohne Ordnungswidrigkeit durch den Tag zu kommen, sei in Deutschland schon eine kleine Herausforderung. „Man kann hier viel falsch machen”, sagt sie.

Allein 185.000 Parkverstöße gab es 2018 in Freiburg. Entgelt: rund 3,4 Millionen Euro. „Es ist kein Ziel, Einnahmen zu generieren”, sagt Saur. Das Geld fließt in den Haushalt und sei ein Nebeneffekt. „Das kommt der Öffentlichkeit zugute”, sagt sie. Einige Unbelehrbare in Freiburg sammelten im Jahr bis zu 200 Strafzettel. „Von denen wurde auch nach Daueraufträgen gefragt”, scherzt Saur.


Auch sonst gebe es Lob für das Amt. Etwa von Anwohnern, deren Parkplätze zugestellt werden. Insgesamt habe die Achtung gegenüber Ordnungskräften und Uniformen aber abgenommen. Geduzt zu werden, sei praktisch Alltag. Die Übertretungen gingen noch weiter – bis zu üblen Schimpfworten und sogar Drohungen. „Manche Leute flippen aus”, sagt Saur, die sich mehr Respekt für ihre Kollegen wünscht. Jede Beleidigung zeigt das Amt an. Jährlich sind es zwischen 30 und 60.

Auch von Angriffen weiß die Abteilungsleiterin zu berichten: Ein Knöllchenschreiber sei in der Autotür eines Falschparkers eingeklemmt und meterweit mitgeschleift worden. „Vor einiger Zeit wurde am Münsterplatz ein Gemeindevollzugsdienst auf die Motorhaube genommen”, erzählt Saur weiter. Auch deswegen schult sie ihre Mitarbeiter in Deeskalation und gibt die Anweisung, sich nicht vor kontrollierte Fahrzeuge zu stellen: „Das ist es nicht wert, Eigenschutz geht vor.” Glücklicherweise habe es solche Vorfälle in Freiburg schon länger nicht mehr gegeben. „Das ist nicht der Wilde Westen”, betont Saur.

Trotzdem scheint auf Freiburgs Straßen so mancher Cowboy unterwegs zu sein: „Einer weiblichen Kollegin wurde ein Strafzettel von einem Mann zurück in ihre Brusttasche gesteckt”, berichtet sie. Die Grenzüberschreitung ging vor Gericht und kostete den Arzt 3000 Euro. Dieser habe sich noch im Abschlussplädoyer uneinsichtig gezeigt: „Das war es mir wert”, zitiert Saur den Sünder.

So etwas ist Denz draußen noch nicht passiert. Sie notiert in dieser Frühschicht keine besonderen Vorkommnisse. Das ist nicht immer der Fall: „Ab und zu gehen Leute ums Auto und machen Fotos.“ Auch mit einem Farbbeutel wurde die Stadtangestellte schon beworfen. Umso mehr freut sich Denz über Einsehen und Entgegenkommen aus der Bevölkerung. Es reicht schon, wenn Leute umparken, damit sie besser messen kann. Solche Kleinigkeiten blieben bei ihr eher hängen: „Das gibt einem viel.“

Fotos: © pt